Interview 07.06.2017
"Straftäter und Gefährder müssen weiterhin zurück nach Afghanistan"
Gerda Hasselfeldt
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Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung über Abschiebungen nach Afghanistan, Incirlik und das hü und hott der SPD. 

Frau Hasselfeldt, es reicht nach jüngsten Umfragen für Schwarz-Gelb im Bund. Lehnen Sie sich entspannt zurück?

Ganz im Gegenteil. Wahlen werden nicht im Schlafwagen gewonnen, sondern nach harter Arbeit. So sehr wir uns über positive Umfragewerte freuen, wir müssen bis zum Wahltag am 24. September ständig neu um das Vertrauen der Wähler werben.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz hat im Frühjahr mit Rot-Rot-Grün geliebäugelt, jetzt wendet er sich dagegen. Was halten Sie davon?

Das ist typisch für den momentanen Zustand der SPD. Sie ist ratlos und verwirrt. Einer sagt hü, der andere hott. Der eine ist für Steuersenkungen, der andere dagegen. Man weiß auch gar nicht, wer da eigentlich das Sagen hat. Beim Thema Rot-Rot-Grün ist niemandem in der SPD zu trauen. Ich bin fest überzeugt, wenn es auf diese Weise die Option für eine Regierungsmehrheit gibt, wird die SPD mit Linken und Grünen paktieren.

Nicht alles werde neu, aber manches besser, verspricht die SPD in ihrem Sicherheitskonzept vor der Bundestagswahl…

Ja, und was sagt uns diese nichtssagende Formel? Die SPD weiß nicht wohin sie steuern soll. Das Thema Innere Sicherheit hat sie im Übrigen gerade erst entdeckt, weil sie das Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit spürt. Doch die meisten werden Ihnen ein Image als „Law-and-Order-Partei“ nicht abnehmen. Beispiel: mehr Videoüberwachung. Wir haben im Bundestag ja schon längst die Grundlage dafür beschlossen. Doch in Berlin setzt Rot-Rot-Grün mehr Videoüberwachung nicht ein. Generell blockiert die SPD unsere Forderungen im Bereich der Inneren Sicherheit. Jetzt schwenken sie auf unseren Kurs ein und schreiben auch noch bei der Union ab. Das ist fantasielos, höchst unglaubwürdig und wirkt außerdem konfus, denn Rot-Grün regierte Länder fahren den entgegengesetzten Kurs.

Auch die Union hat Phasen der Verwirrung hinter sich. Die CSU hat mit Attacken auf die Kanzlerin und deren Flüchtlingspolitik am Ansehen von Angela Merkel gekratzt. Vergessen und vergeben?

Wir hatten in der Tat schwierige Monate. Die CSU musste angesichts der hohen Flüchtlingszahlen vor allem in Bayern auf Maßnahmen zur Reduzierung drängen. Jetzt sind CSU und CDU wieder auf einem guten, gemeinsamen Weg. Die CSU steht geschlossen hinter Angela Merkel wie im Übrigen auch eine große Mehrheit der Menschen in Bayern. Das belegen die Umfragen und das spüre ich auch auf allen Veranstaltungen, die ich besuche.

Aber die CSU-Forderung nach der Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen steht ungeklärt im Raum…

Ich stehe dazu, dass wir eine Begrenzung der Flüchtlingszahl brauchen. Die Obergrenze halten wir für ein geeignetes Mittel. Diese Forderung wird sich im Bayernplan, mit dem die CSU in den Bundestagswahlkampf geht, wiederfinden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht schwer unter Druck, weil der terrorverdächtige Bundeswehroffizier Franco A. als syrischer Flüchtling anerkannt wurde. Zehntausende Asylentscheidungen sollen überprüft werden. Muss mehr passieren?

Es wurden ja schon einige Lehren im Bamf gezogen, zum Beispiel was die Vorgaben der Zusammenarbeit mit Dolmetschern anbelangt. Es ist auch wichtig, die Prüfung der positiven Asylentscheidungen der letzten zwei Jahre vorzuziehen. Nach drei Jahren wäre dies ohnehin vorgesehen. Außerdem haben wir als Gesetzgeber das Auslesen der Handys von Asylbewerbern zur Identitätsfeststellung beschlossen. Das hilft dem Bamf, möglichen Asylmissbrauch frühzeitig zu erkennen. Wäre dies den Behörden früher schon erlaubt worden, hätte sich der verdächtige Bundeswehroffizier möglicherweise nicht als Flüchtling ausgeben können.

Bei Antragstellern aus Afghanistan wurden Mängel in der Dokumentation bei mehr als 45 Prozent schon überprüfter Entscheidungen festgestellt. Belegt das eklatantes Behördenversagen?

Mängel in der Dokumentation bedeuten nicht zwingend Fehlentscheidungen. Aber klar ist auch: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge musste angesichts Zehntausender Verfahren eilig neue Mitarbeiter einstellen, die über keinerlei Erfahrung verfügten und auch nur im Schnellverfahren ausgebildet wurden. Das kann keine Entschuldigung, aber eine Erklärung sein.

Nach dem Terroranschlag in Kabul ist die Debatte um Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan neu entbrannt. Kann man guten Gewissens, Menschen an den Hindukusch zurückschicken?

Nach dem schrecklichen Terroranschlag in Kabul sollen Abschiebungen nach Afghanistan vorerst nur noch in Ausnahmefällen erfolgen. Straftäter und terroristische Gefährder sowie abgelehnte Asylbewerber, die sich hartnäckig einer Identitätsfeststellung verweigern werden wir auch weiterhin nach Afghanistan abschieben. Ich denke damit haben wir eine angemessene Regelung getroffen, bis das Auswärtige Amt die Sicherheitslage in Afghanistan neu bewertet hat.

Der türkische Präsident verbietet Abgeordneten den Besuch von Bundeswehrsoldaten in Incirlik. Außenminister Gabriel reist am Montag zu Vermittlungsgesprächen in die Türkei. Wie lange hat die CSU noch Geduld mit Erdogan?

Fest steht: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, also müssen Bundestagsabgeordnete das Recht haben unsere Soldaten zu besuchen. Das gilt auch für den türkischen Stützpunkt Incirlik, wo deutsche Soldaten sich an der Anti-Terror-Allianz gegen den IS beteiligen. Ich finde es richtig, dass bereits nach einem anderen Standort für die Bundeswehrangehörigen aus Incirlik geschaut wird, zum Beispiel in Jordanien. Wir hoffen auf einen guten Ausgang der Vermittlungsgespräche. Sollte das nicht der Fall sein, müssen wir noch im Juni die Entscheidung treffen, aus Incirlik abzuziehen. Nicht verstehen kann ich die SPD. Sie besteht auf einem sofortigen Truppenabzug und fällt ihrem Außenminister damit in den Rücken.

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