Öffnungsperspektiven durch Teststrategie

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie hier in Sachen Schnelltests so engagiert sind. Aber ich sage es gern auch zum dritten, vierten und auch fünften Mal – ich zähle da schon gar nicht mehr mit –: Schnelltests sind ein wichtiges Instrument; aber wir werden damit keine kompletten Öffnungen rechtfertigen können.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wollen wir ja auch gar nicht! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Behauptet ja auch niemand!)

Wir stehen am Beginn einer dritten, schweren Infektionswelle. Gerne erinnere ich noch mal daran: Die britische Virusvariante macht – Stand: heute – bereits 46 Prozent der positiven Tests aus und wird in wenigen Wochen den Wildtyp nahezu vollständig verdrängt haben. Das sind keine guten Nachrichten, meine Damen und Herren. Im Gegenteil: Die britische Mutante ist zwischen 30 und 70 Prozent ansteckender und damit weit gefährlicher als die bisherige Variante.

Schauen Sie doch einfach mal nach Tschechien: Die Tschechen haben trotz Virusmutationen mit den Öffnungen begonnen. Jetzt haben sie weltweit die höchste Inzidenz, nämlich 765, meine Damen und Herren. Da passiert jetzt genau das, was wir durch unsere Maßnahmen mit aller Macht verhindern wollen: Das Gesundheitssystem kollabiert. Das heißt: keine ausreichende Versorgung der Coronapatienten und auch keine ausreichende Versorgung aller Patienten.

Wenn wir schon bei den Schnelltests sind, schauen wir doch einfach mal nach Österreich – das ziehen Sie doch immer wieder als Positivbeispiel heran –: Die Österreicher testen jetzt jede Woche fast ein Viertel aller Bürgerinnen und Bürger einfach so, ohne Anlass. Und sind sie mit dieser Strategie erfolgreich? Da gebe ich Ihnen gerne gleich die Antwort: Nein, das sind sie gerade eben nicht. Wenn man nämlich die Ansteckungsfähigkeit der neuen Mutationen ignoriert und trotzdem öffnet, dann – da kann man so viel testen, wie man will – steigen die Fallzahlen.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Ich gebe Ihnen ja recht, dass wir eine Perspektive brauchen, aus dem Lockdown herauszukommen. Ich würde mir auch wünschen, dass wir die Beschränkungen eher heute als morgen nicht mehr als notwendig erachten. Aber wir haben ja nicht ohne Grund unsere Wirtschaft heruntergefahren. Das Virus passt sich fortwährend an und ist uns immer wieder einen Schritt voraus. Da dürfen wir ihm doch nicht jetzt auch noch die Gelegenheit zur weiteren Ausbreitung auf dem Silbertablett servieren.

Lassen Sie mich hier abschließend Bezug auf meine Reden der vergangenen Wochen nehmen:

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Bitte nicht!)

Wir brauchen Tests, auch Schnelltests, und ja, auch Selbsttests sind ein nützliches Instrument in der Pandemie. Aber sie werden uns eben nicht aus dieser Krise führen, und sie werden auch keine umfangreichen Öffnungen ermöglichen. Schnelltests sind ungenau, erst recht, wenn Sie ins Blaue hinein einfach jeden testen. Wir müssen doch ehrlich miteinander bleiben, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Ohne die Kontaktbeschränkungen halten wir es nicht durch, bis ausreichend Menschen gegen das Virus geimpft sind.

Ich höre in diesem Zusammenhang auch immer wieder: Wenn die Älteren erst mal geimpft sind, dann können wir ja wieder alles aufmachen. – Nein, meine Damen und Herren, genau das können wir eben nicht. Es ist ein Virus, das nicht nur die Älteren gefährdet. Es mag ja sein, dass die Sterblichkeit unter den Jüngeren deutlich niedriger ist. Aber wenn wir jetzt öffnen, dann sind die Intensivstationen in wenigen Wochen auch mit jungen Menschen voll. Als Arzt kann ich Ihnen sagen, dass wir dann ein Riesenproblem haben. Von dieser Erkrankung erholt man sich nicht mal eben so, erst recht nicht bei einem schweren Verlauf. Wir wissen mittlerweile, dass es sich bei Covid-19 um eine systemische Erkrankung handelt, eben keine ausschließliche Atemwegserkrankung. Die Erkrankten haben noch Monate oder ihr ganzes Leben mit den Auswirkungen der Erkrankung zu kämpfen. Diese Menschen müssen wir doch schützen. Das geht eben nicht, indem wir die Zahl der Schnelltests erhöhen, sondern nur mit strikten Kontaktbeschränkungen und schlussendlich mit den Impfungen.

Was glauben Sie, warum wir im Frühjahr vergleichsweise niedrige Fallzahlen hatten? Weil die Menschen zu Hause geblieben sind, um ihre Mitmenschen und sich selbst zu schützen, und eben nicht, wie ich das jetzt immer häufiger beobachte, jede Gelegenheit dazu genutzt haben, die Maßnahmen zu umgehen. Die Straßen waren damals leer, zum Glück auch viele Intensivbetten. Deshalb konnten wir damals von einem sehr niedrigen Stand der täglichen Neuinfektionen in den Sommer starten. Ich wünsche mir intensiv, meine Damen und Herren, dass wir das trotz der Virusmutationen auch in diesem Jahr schaffen.

Lassen Sie uns deswegen den Menschen die Schnelltests nicht als alleinigen Weg aus der Pandemie verkaufen. Bleiben wir bei den Fakten: Schnelltests in Bereichen wie Pflegeheimen, Kliniken oder Schulen sind richtig und wichtig. Aber sie sollten uns nicht dazu verleiten, unvorsichtig zu werden – nicht jetzt, meine Damen und Herren, wo wir doch das Ende der Pandemie durch die Impfung bereits vor Augen haben. Deshalb: Schnelltests ja, aber gezielt und ohne die Kontaktbeschränkungen über Bord zu werfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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