Neutralität der Wissenschaft bewahren – Politischen Druck auf Forschungsinstitute verhindern

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut – das haben wir heute schon gehört –, und auch die freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir kontroverse Debatten führen: in der Gesellschaft, hier im Parlament, aber natürlich auch an unseren Hochschulen. Bundespräsident Steinmeier und auch Bundesministerin Karliczek haben immer wieder deutlich gemacht, dass Angriffe, Gesprächsverhinderungen und Einschüchterungen in Hörsälen keinen Platz haben. Mit uns ist die Freiheit der Wissenschaft nicht verhandelbar!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dass sich in der Debatte heute ausgerechnet die AfD berufen fühlt, die Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen, ist wirklich Ironie; immerhin ist das eine Partei mit gefährlicher Nähe zu Verschwörungstheoretikern. Das sage nicht nur ich, sondern das belegt eine wissenschaftliche Studie der Universität Leipzig: 73,5 Prozent der AfD-Anhänger sind empfänglich für Verschwörungsmythen – also doch eher Alternative Fakten für Deutschland statt freier Wissenschaft.

Auf ein besonderes Schmankerl wurde heute schon ein paarmal hingewiesen: Im Jahr 2018 rief die AfD Studenten und auch Schüler auf, Professoren und Lehrer über Onlineplattformen zu melden, wenn sich diese AfD-kritisch äußern. Der Aufruf ging dahin, Belege zu sammeln, Tonmitschnitte anzufertigen oder Bildaufzeichnungen zu machen und diese dann auf einer Onlineplattform hochzuladen. Also mal wieder: denunzieren und an den Pranger stellen. Das ist Wissenschaftsfreiheit à la AfD.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es stellt sich wieder einmal die Frage: Was heißt denn „Freiheit“ bei der AfD? Das habe ich in meiner letzten Rede schon angesprochen. Wahrscheinlich bedeutet es: Taugen die Ergebnisse für die Parteilinie nicht, dann werden sie als „Lügenwissenschaft“ bezeichnet. Taugen sie für die Parteilinie, dann werden sie mit einem Ausrufezeichen versehen, und es wird noch mal explizit darauf hingewiesen.

Sie versuchen verzweifelt, das Narrativ der Beeinflussung der Wissenschaft herbeizureden. Aber es gehört auch zu verantwortungsvollem Regierungshandeln, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, diese zu prüfen und sich beraten zu lassen. Sie versuchen regelmäßig, Fake News zu bedienen, indem Sie behaupten, die Wissenschaft liefere das, was die Bundesregierung von ihr erwarte.

(Zuruf von der AfD: Genau das machen Sie!)

Wissen Sie, was wir erwarten? Eine unabhängige und faktenbasierte Wissenschaft und vor allem eine faktenbasierte Diskussion. Aber dazu sind Sie nicht in der Lage.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Noch mehr Schnee und Kälte wird es bei uns nicht mehr geben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich kann man über Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen der Wissenschaft diskutieren. Ja, man muss es sogar, vor allem weil es je nach Themengebiet oftmals unterschiedliche Erkenntnisse gibt. Das ist Wissenschaft. Politische Entscheidungen jedoch muss kein Wissenschaftler treffen, egal ob es ein Virologe ist oder ein Klimaforscher, egal ob es ein Juraprofessor ist oder ein Soziologe. Die Wissenschaftler brauchen keine demokratische Mehrheit zu organisieren, und sie müssen sich auch nicht der Diskussion vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern stellen. Das muss nämlich die Politik tun, und dafür sind wir gewählt.

Aufgrund unterschiedlichster Studien ist es zum Teil schwer, Entscheidungen zu treffen. Aber am Ende muss eine Entscheidung stehen, und gerade in diesen Zeiten kann ein zu langes Diskutieren Menschenleben kosten. Deswegen sind Entscheidungen gefallen, und darüber kann man natürlich diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass es engagierte Frauen und Männer in der Wissenschaft gibt. Ohne sie gäbe es keine Impfstoffe, keine Medikamente, keine technische Entwicklung und auch keinen Fortschritt. Die besten Ideen und Entwicklungen entstehen ohne Zwang, wenn sie sich frei entfalten können. Genau das wussten auch die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes, die den Artikel 5 aufgenommen haben, der nicht nur die Meinungs- und Pressefreiheit beinhaltet, sondern in dem es in Absatz 3 auch heißt:

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

So weit Artikel 5 Grundgesetz.

Gerade beim letzten Punkt, Treue zur Verfassung, hat die AfD noch einiges zu tun und einiges aufzuarbeiten. Da wünsche ich viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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