Datenstrategie der Bundesregierung, eine Innovationsstrategie für gesellschaftlichen Fortschritt und nachhaltiges Wachstum

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wissen ist Macht – mit dieser These läutete der britische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon vor ziemlich genau 400 Jahren ein neues Wissenschaftszeitalter ein. Herzstück von Bacons wissenschaftlicher Methode war das systematische Sammeln aller verfügbaren Daten. Darin sah er nicht nur eine neue Form der Wissensgewinnung, sondern darin sah er vor allem auch Macht.

Ob die Gründer der Internetgiganten unserer Tage sich an Francis Bacon orientiert haben, sei mal dahingestellt. Doch wer denkt, die heutige Machtverteilung in der digitalen Welt wäre im Sinne dieses Philosophen gewesen, der irrt; denn der Brite erkannte schon zu seiner Zeit die Gefahren von Wissen als Herrschaftsinstrument. Um diesen Gefahren entgegenzutreten, trat er für die Selbstbestimmung des Einzelnen ein.

Doch wie sieht Selbstbestimmung in der digitalen Welt von heute aus? Die Frage kann jeder Internetnutzer beantworten. Seit einer Gerichtsentscheidung im Frühjahr vergangenen Jahres ploppen zum Beispiel tagtäglich in der Bundesrepublik Millionen von Cookie-Einwilligungen auf, in der Regel zum Unmut derer, die nur schnell etwas nachschauen wollen. Selbstbestimmung wird hier allenfalls in der Theorie ermöglicht. Wir aber wollen echte Selbstbestimmung in der Praxis.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie lange machen können!)

Wer aber echte Datensouveränität will, der muss den Bürger befähigen, Informationen zu lesen, sein Handeln im Netz zu verstehen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Die Datenstrategie zeigt hier ganz konkret Lösungswege auf. Mit einem Datentreuhänder können Menschen zentral bestimmen, wie mit ihren Daten im Netz umgegangen wird und dann souverän lossurfen. Auch die vielen digitalen Identitäten, die jeder von uns besitzt, könnten damit einheitlich gemanagt werden. Wer durchzählt, wie viele Nutzerkonten er hat, wird schnell auf eine Zahl kommen, die er auf den ersten Blick gar nicht vermutet hätte. Ob bei der Bank, bei Mailingdiensten, bei sozialen Netzwerken, bei der Bahn, bei der digitalen Abgabe der Steuererklärung, überall pflegen wir Nutzerkonten. Im Jahr 2020 hatte jeder Bundesbürger im Durchschnitt etwa 200 verschiedene Nutzerkonten. Ich vermute, dass nicht alle 200 AGBs und Datenschutzerklärungen gelesen wurden, und darin liegt auch das Problem.

Mit dem Datentreuhänder lässt sich organisieren, welches Unternehmen, welche Institutionen die Nutzerdaten wie verwenden darf. Dabei muss ein Datentreuhänder nicht zwingend eine staatliche Stelle sein. Auch gemeinnützige Organisationen oder Unternehmen müssen diesen Dienst anbieten können. Vielfalt muss möglich sein. Zentral ist jedoch Vertrauen. Wem vertraue ich meine Daten an? Das ist eine Frage, die jeder Bürger selbst entscheiden sollte. Allerdings muss Missbrauch vermieden werden. Deshalb muss eine goldene Regel für jeden Anbieter gelten: Ein Datentreuhänder ist eine neutrale Instanz, und ein Treuhänder verscherbelt keine Bürgerdaten.

(Beifall des Abg. Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP] – Manuel Höferlin [FDP]: Das stimmt! Richtig!)

Die Förderung von Datentreuhändern, die diese Datenstrategie vorsieht, hat jedoch auch Implikationen auf die Struktur der Digitalwirtschaft; denn oftmals ist der Kern vieler digitaler Dienste der gleiche: ein werbefinanziertes Geschäftsmodell. Damit das ordentlich Gewinn abwirft, werden Daten über den Verbraucher gesammelt und Angebote personalisiert. Möglichst viel Zeit soll auf einer Plattform oder mit einem Produkt verbracht werden. Immer stärker soll der Kunde gebunden werden. Der Datentreuhänder kann dazu beitragen, den Wechsel von Anbietern und das Multihoming von Diensten deutlich zu erleichtern und damit dem Log-in-Effekt, der ganz engen Bindung des Nutzers an einen Anbieter, zu entgehen. Hier vereinen sich Bürgersouveränität und Verbrauchersouveränität, und das ist gut so.

In der Datenstrategie ist aber nicht bloß das Ziel der Etablierung von Datentreuhändern formuliert, sondern auch dargelegt, welche Schritte wir dafür zu gehen haben: Erstens werden wir einen Ideenwettbewerb für Datentreuhänder initiieren, um eine möglichst breite Vielfalt an Modellen zu gewährleisten. Zweitens werden wir ein Förderprogramm zur Entwicklung und Erprobung innovativer Datentreuhänder aufsetzen. Drittens werden wir einen konkreten Rechtsrahmen für Datenmanagementsysteme schaffen.

Ein erster wichtiger Schritt auf diesem Wege ist mit der gestrigen Verabschiedung des TTDSG im Kabinett übrigens bereits gegangen worden. Noch in dieser Legislatur werden wir damit Datentreuhänder ermöglichen und die Datensouveränität der Bürger stärken.

(Manuel Höferlin [FDP]: Das steht da aber gar nicht mehr drin!)

Daten sind Wissen. Wissen ist Macht. Der Datentreuhänder ist das zentrale Konzept zur Stärkung der Selbstbestimmung, zur Rückgewinnung der Macht im Netz; denn die muss in guter demokratischer Tradition beim Bürger liegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Saskia Esken [SPD])

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