Rede zur Europäischen Flüchtlingspolitik

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Amtsberg, wenn ich Sie nach Ihrem Rundumschlag darauf hinweisen darf: Wir in Deutschland haben 40 Prozent aller Flüchtlinge seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 aufgenommen. Und auch nach dem Brand in Moria haben wir eben nicht weggeguckt, sondern über 1 500 Flüchtlinge hier in Deutschland aufgenommen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir müssen doch genau hinschauen. Das europäische Asylsystem ist in den letzten Jahren enormen Herausforderungen ausgesetzt gewesen. Es bleibt eine hochkomplexe Thematik; auch das müssen Sie berücksichtigen. Es bleibt aus meiner Sicht die große Bewährungsprobe für die Europäische Union. Wir können gerne hochambitionierte Ziele haben für einen digitalen Binnenmarkt, die Bankenunion oder den Klimaschutz; aber am Ende ist die Frage, ob wir unsere Außengrenzen schützen können, die zentrale Frage, an der sich die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union entscheiden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?

 

Dr. Katja Leikert (CDU/CSU):

Ich würde gern weitermachen, danke schön. – Es ist eben nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Flüchtlingsbewegung auf uns zukommen wird. Dazu reicht natürlich schon ein Blick auf den Nahen Osten oder die Situation in Afghanistan. Genau deshalb wollen wir eine realistische, eine pragmatische und eine für alle in Europa – für die Osteuropäer, für die Südeuropäer und auch für uns in der Mitte – faire Reform des Asylsystems.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der Linken, dass es einen Reformbedarf des europäischen Asylsystems gibt, bestreitet keiner. Aber leider sind die heute hier vorliegenden Anträge kein Teil einer möglichen Lösung. Während andere in Brüssel die Arbeit machen, stellen Sie hier wohlfeile Forderung auf,

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, wir machen wenigstens einen Antrag, Frau Leikert!)

die mit der Realität aus meiner Sicht nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau deshalb verhandelt Minister Seehofer intensiv mit seinen Amtskollegen im Rat über Reformen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Antrag der CDU?)

Die vermeintlichen Lösungen, die Sie vorschlagen, sind leider unbrauchbar. Sie fordern, komplett auf Vorprüfungen an den Außengrenzen zu verzichten. Das zeigt, dass Sie nichts aus den Fehlern – das ist das, was mich dabei am meisten verwundert – des bisherigen europäischen Asylsystems dazugelernt haben. Wer das Leid von Flüchtlingen vermindern will, der darf die Bedeutung von Pull-Effekten – ich weiß, dass das keine schöne Vorstellung ist, aber es ist eine Tatsache – eben nicht völlig unterschätzen.

Wir haben unsere Gründe dafür, warum wir die Vorprüfung an den Außengrenzen einfordern. Ein solcher Mechanismus ist am Ende des Tages fairer für alle. Vielleicht denken Sie einfach mal darüber nach; liebe Luise Amtsberg, vielleicht auch du.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe schon sehr viele Jahre sehr lange über dieses Thema nachgedacht!)

Einmal ist es fairer für all diejenigen, die Schutz suchen. Sie haben eine höhere Bleibechance, ohne dass falsche Hoffnungen geweckt werden. Und dann ist es auch fairer für uns selbst, die wir Flüchtlinge aufnehmen wollen. Denn nur, wenn wir zeigen, dass wir in der Lage sind, Schutzberechtigte von Nichtschutzberechtigten klar zu trennen, werden unsere eigene Bevölkerung – auch das ist wichtig – und auch die anderen Mitgliedstaaten wieder mehr Akzeptanz aufbringen. Aber es muss klar geordnet werden.

(Zuruf der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der Linken, Ihre Anträge tun darüber hinaus auch so, als bestünde die Europäische Union aus Deutschland und einem Rest, der dann einfach so folgen wird.

(Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

So einfach ist das aber nicht. Sie sehen ja, wie sich der zuständige Minister und die Kanzlerin tagtäglich für Kompromisse einsetzen und für europäische Einigkeit bei diesem Thema kämpfen.

(Zurufe der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ulrich Lechte [FDP])

Ich verstehe nicht, warum Sie die Gefahr einer Überforderung der europäischen Gesellschaften durch unkontrollierten Nachzug von Angehörigen beispielsweise überhaupt nicht ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Ziel muss es daher sein, mit den anderen Mitgliedstaaten zusammen eine Lösung zu finden. Wir jedenfalls sind nicht bereit, den Zusammenhalt in Europa zu gefährden. Ihre Anträge sind im Kern sogar uneuropäisch und blind gegenüber den Herausforderungen der Integration für unser eigenes Land. Deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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