Redebeitrag zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorweg zu meiner Rede: Frau Harder-Kühnel, ich finde, man kann im Deutschen Bundestag über vieles reden; aber dass Sie zum heutigen Zeitpunkt bei einem so wichtigen Thema, bei dem es um die Würde der Contergangeschädigten geht, diese Rede missbrauchen, um Ihrem Populismus freien Lauf zu lassen, das finde ich total daneben. Ich finde, Sie sollten sich was schämen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema Contergan war im letzten November wieder in den Medien. Brasilianische Conterganopfer liefen Gefahr, ihre Rente zu verlieren. Es gab eine intensive Debatte über den Anerkennungsstatus von Betroffenen. Viele Menschen sahen plötzlich ihre Lebensgrundlage bedroht. Für uns als Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD war sofort klar: Eine Aberkennung der Leistungen darf es niemals geben.

Mit dem heute vorliegenden Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes machen wir klar: Kein Conterganopfer, das – oft jahrzehntelang – Renten von der Conterganstiftung bezogen hat, wird diese verlieren, wenn es nicht vorsätzlich falsche oder vorsätzlich unvollständige Angaben gemacht hat.

Uns ist wichtig, dass die betroffenen Contergangeschädigten nicht unnötig lange in der Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz leben müssen. Deshalb haben wir schnell, umfassend und pragmatisch gehandelt, um eine umfassende Rechtssicherheit sicherzustellen. Die Betroffenen können sich dadurch auf die Anerkennung ihres Status und ihrer Leistung verlassen. Statt zu bangen und zu kämpfen, können sie ihren verbleibenden Lebensweg möglichst sorgenfrei planen. Diese pragmatische gesetzliche Lösung ist wichtig, weil es nach 50, zum Teil über 60 Jahren schwierig ist, nachzuweisen, welches Medikament die Mutter in der Schwangerschaft genommen hat und dass die Fehlbildungen Folge eines thalidomidhaltigen Präparates der Firma Grünenthal sind.

Außerdem halte ich das Vertrauen der Leistungsberechtigten in den Fortbestand ihrer Leistungsansprüche für besonders schutzwürdig. Die Bundesrepublik übernimmt seit der Gründung des Hilfswerks für behinderte Kinder, der heutigen Conterganstiftung für behinderte Menschen, Verantwortung für die Betroffenen. Zu dieser Verantwortung stehen wir auch weiterhin uneingeschränkt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Aufwendige Vertrauensschutzprüfungen im Einzelfall im Zusammenhang mit einer Entscheidung über die Fortzahlungen der Leistungen werden künftig entfallen. Das ist richtig und wichtig für die Betroffenen.

Ich danke an dieser Stelle herzlich meiner Mitberichterstatterin Ursula Schulte von der SPD für die kollegiale und reibungslose Zusammenarbeit. Auch danke ich herzlich dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Frau Bundesministerin Giffey für die Unterstützung bei der Erstellung dieses wichtigen Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion war es schon immer ein wichtiges Anliegen, Betroffene mit Conterganschäden zu unterstützen, weil wir hier als Staat eine ganz besondere Verantwortung tragen. Diese Verantwortung wurde Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre begründet, als ein Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid und dem Namen Contergan als rezeptfreies Schlaf- und Beruhigungsmittel verkauft wurde. Frauen, die dieses Medikament während der Schwangerschaft eingenommen hatten, haben Kinder mit schweren Fehlbildungen geboren. Viele dieser Kinder sind unmittelbar nach der Geburt oder wenig später verstorben. Zum Teil reichte schon die Einnahme einer einzigen Tablette, um den Schaden auszulösen.

Die Firma Grünenthal GmbH, die das Medikament Contergan entwickelt hatte, zahlte damals im Rahmen eines Vergleichs eine Entschädigung in Höhe von 100 Millionen D-Mark in die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ ein. Im Gegenzug wurden weitere Ansprüche gegen den Hersteller in gesetzliche Leistungsansprüche umgewandelt.

Contergan hat nicht nur das Schicksal von Einzelnen, sondern oft das ganzer Familien bestimmt. Die Kinder, die überlebten, sind heute erwachsen und haben oft einen sehr langen Leidensweg hinter sich. Vor diesem Hintergrund ist es uns wichtig, die Lebensrealität der Betroffenen im Blick zu behalten, sie zu unterstützen und unsere Maßnahmen bei Bedarf anzupassen und auszuweiten. Dafür haben wir in den letzten Jahren einiges getan.

2013 haben wir mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes eine angemessene und zukunftsorientierte Unterstützung der Betroffenen sichergestellt. Konkret haben wir die Conterganrente deutlich erhöht und neue Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe im Einzelfall für die rund 2 600 Leistungsberechtigten eingeführt. Hierfür haben wir zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 30 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt.

Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes haben wir zum 1. Januar 2017 anstelle von individuell bedarfsdeckenden Leistungen für spezifische Bedarfe eine Gewährung pauschaler Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe eingeführt. Aus diesem Betrag in Höhe von 30 Millionen Euro pro Jahr haben wir außerdem die Förderung multidisziplinärer medizinischer Kompetenzzentren vorgesehen. Mit diesen Zentren wollen wir die medizinischen Beratungs- und Behandlungsangebote und damit die Lebenssituation für betroffene Menschen verbessern.

Allerdings hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Förderung dieser Kompetenzzentren bisher fehlt. Mit dem fünften Änderungsgesetz schaffen wir heute diese Ermächtigungsgrundlage. Weil die Förderung der Kompetenzzentren aus Stiftungsmitteln gesetzlich verankert wird, kann das Förderverfahren noch im Haushaltsjahr 2020 beginnen. Die weitere Ausgestaltung der Kompetenzzentren und deren Förderung werden auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes ein wichtiges Thema für uns sein, welches wir im Blick behalten werden.

Das alles zeigt: Wir als CDU/CSU-Fraktion empfinden das Schicksal der Contergangeschädigten als wichtig. Wir werden uns auch weiterhin für die Verbesserung der Lebensumstände einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

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