Rerde zu Krankenversicherungsbeiträge für Betriebsrenten

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Beiträge nach Leistungsfähigkeit, Leistungen nach Bedarf: Das ist der Grundsatz der Finanzarchitektur in der gesetzlichen Krankenkasse. Anders als in der Rentenkasse richtet sich die Leistung der gesetzlichen Krankenkasse nicht nach der Höhe der eingezahlten Beiträge, sondern prinzipiell nach den Maßstäben des Sozialgesetzbuches: notwendig, zweckmäßig, ausreichend, wirtschaftlich. Darauf hat der Versicherte ein einklagbares Recht, und die Höhe der Beiträge folgt der Leistungskraft der Versicherten.

Das unterscheidet die gesetzliche Krankenkasse prinzipiell von der privaten Krankenversicherung, die ihre Prämien versicherungsmathematisch kalkulieren muss. Damit es in der gesetzlichen Krankenkasse dennoch in einem gewissen Rahmen beim Äquivalenzprinzip der Versicherung bleibt, gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze; denn wenn Steuern in die gesetzliche Krankenkasse fließen, dann explizit und offen aus Haushaltsmitteln und nicht als steuerähnliche Belastung, die man zu kaschierten Versicherungsbeiträgen umlackiert.

2015 haben wir von der Linken einen in der Semantik ähnlich lautenden Antrag vorgelegt bekommen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Interesse der Betroffenen!)

mit dem sich der Ausschuss für Gesundheit im Januar 2016 in einer öffentlichen Anhörung ausführlich befasst hat. Im damaligen Antrag wie im heutigen Antrag werben Sie dafür, alle Einkommensarten zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen, die Beitragsbemessungsgrenze aufzuheben und eine, wie Sie es nennen, solidarische Gesundheitsversicherung einzuführen.

Können Sie uns bitte einmal erklären, warum Sie dann die Tatsache, dass gerade unterschiedliche Einkommensarten zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen werden, mit dem polemischen Kampfbegriff „Doppelverbeitragung“ belegen? Hier widersprechen Sie sich doch selbst.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN)

– Ja, natürlich, Sie belegen alle Einkommensarten, aber diese Einkommensart nehmen Sie aus.

Ich erinnere an die vorhin erwähnte Anhörung und an das, was der Sachverständige Professor Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK dort ausgeführt hat:

Zum Zeitpunkt der Verbeitragung ist die ökonomische Leistungsfähigkeit relevant. Es kommt nicht darauf an, woher die im Einzelfall kommt. ... deswegen kann ich den Begriff der Doppelverbeitragung nicht akzeptieren. Diese Figur passt nicht in das System der solidarischen Finanzierung. Sie kommt aus einem anderen Kontext. Würden wir sie in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung übernehmen, ... müssten wir den Großteil der gesetzlichen Renten beitragsfrei stellen. Das hätte eklatante Konsequenzen für die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung.

Auch die Dimension dieser Konsequenzen ist in der vergangenen Legislaturperiode deutlich geworden; denn der Sachverständige Dr. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung Bund hat sie uns vor Augen geführt.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Bitte.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Sie haben ja eben eine Frage gestellt. Ich will Ihnen darauf gerne antworten.

Es ist nicht so, dass heute alle Einkommen verbeitragt werden. Wer eine Versicherung für sich zu Hause privat abgeschlossen hat, beispielsweise einen privaten Riester-Vertrag, der zahlt für seine Altersvorsorge nichts. Wer ein Sparbuch, wer Wertpapiere, wer Aktien oder Fonds besitzt, zahlt dafür nichts in die Krankenversicherung.

(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

Wer in Immobilien investiert und Mieteinnahmen hat, zahlt dafür nichts in die Krankenversicherung. Wer privat krankenversichert ist – die größte Ungerechtigkeit –, der zahlt auch nichts für die Betriebsrente ein.

(Karin Maag [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihre Frage?)

Wer nicht vorgesorgt hat, zahlt auch nichts.

Also, ich muss feststellen: Gegenwärtig ist das, was Sie gesagt haben, komplett falsch. Wir sagen extra – das steht auch in unserem Antrag, Herr Kollege –: Wir wollen, dass Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden, aber bitte in der Ansparphase. Einmal ist genug. Sie können den Menschen nicht erklären, dass sie von ihrem eigenen Ersparten dann auch noch doppelt oder, wenn es aus Nettoeinkommen ist, sogar dreifach Krankenversicherungsbeiträge zahlen sollen. Dann ist nämlich der Gedanke der Vorsorge und der betrieblichen Altersvorsorge perdu.

(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!)

Da möchte ich gerne wissen, wie Sie das den Betroffenen oben auf der Besuchertribüne erklären.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Sie streuen den Menschen Sand in die Augen! Das stimmt nicht!)

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Vielen Dank für Ihre Frage, lieber Herr Kollege. Ich beziehe mich einmal auf Ihren Antrag und zitiere daraus. Sie schreiben:

Die Doppelverbeitragung ist auch in finanzieller Hinsicht keineswegs alternativlos. Eventuelle Einnahmeverluste durch die Aufhebung des

– wie Sie es nennen –

ungerechten doppelten Beitrags für Bezieherinnen und Bezieher von Betriebsrenten wären leicht auszugleichen, wenn alle Einkommensarten zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen würden, die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben und eine solidarische Gesundheitsversicherung eingeführt werden würde.

Aber wenn doch alle Einkommensarten zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen sind: Woher kommt denn dann die Logik, ausgerechnet diese Einkommensart von der Verbeitragung auszunehmen? Da machen Sie einen populistischen Widerspruch, mit dem Sie nichts anderes erreichen wollen, als den Unmut der Betroffenen auf Ihre Mühlen zu lenken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Das ist der Zweck, weswegen Sie das so formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist konsequent inkonsequent und völlig widersprüchlich.

Wegen der Dimension, die das außerdem für die gesetzliche Rentenkasse hätte, will ich noch einmal daran erinnern: Wir hatten in 2014 – so Reinhold Thiede in der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss – für die Krankenversicherung der Rentner Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von etwa 16 Milliarden Euro. Das ist allerdings nur der Beitragsanteil der gesetzlichen Rentenversicherung. Den gleichen Anteil plus den Zusatzbeitrag tragen die Rentner. Es geht also insgesamt um eine Größenordnung von 30 bis 40 Milliarden Euro.

Es war das Rentenanpassungsgesetz aus dem Jahr 1982, durch das erstmals der Rente vergleichbare Einnahmen zur Beitragszahlung in der GKV herangezogen wurden. 2003 wurden die Beitragspflichten präzisiert und ausgeweitet. Seitdem gibt es darüber eine juristische Auseinandersetzung.

Allerdings muss man auch darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser juristischen Auseinandersetzung klargestellt hat, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen berechtigt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Alles rückwärts gemacht! 2004! Die Menschen wussten das nicht!)

Das ist vom Bundesverfassungsgericht durchdekliniert.

Natürlich haben wir vieles unternommen. Wir haben die Attraktivität der Altersvorsorge gesteigert, indem wir das Recht auf Entgeltumwandlung bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung zur Finanzierung einer Altersvorsorge beitragsfrei lassen.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Wir haben durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz diese Regelung ab 2019 für neue Verträge bzw. 2022 für bestehende Verträge noch einmal gestärkt, sodass Arbeitgeber die dadurch eingesparten Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form von 15 Prozent in die betriebliche Altersvorsorge zahlen müssen. Darüber hinaus haben wir – davon war schon die Rede – durch das Gesetz GKV-Beiträge auf betriebliche Riester-Renten in der Auszahlungsphase abgeschafft. Sie werden damit wie private Riester-Renten behandelt und von Beiträgen verschont.

Sicherlich kann man über weitere Reformen nachdenken. Dann muss man aber auch einen ehrlichen Blick auf die finanziellen Konsequenzen werfen. Je nach Umfang der Vorschläge, die realisiert werden sollen, handelt es sich dann um eine Minderung der Finanzkraft der gesetzlichen Krankenkassen zwischen 2,6 Milliarden Euro und über 5 Milliarden Euro.

Ohne Kompensation hieße das, dass es zu einer Erhöhung des Beitrags für die gesamte Solidargemeinschaft und damit auch zu einer Mehrbelastung von Geringverdienern kommt

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel?)

oder zu einer Einschränkung der Leistungen in der gesetzlichen Krankenkasse.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel, Herr Kollege? 0,3 Prozentpunkte!)

Deswegen bitte ich Sie herzlich um Verständnis, dass wir auf der Grundlage Ihres widersprüchlichen, inkonsistenten und inkonsequenten Antrags, der rein populistisch motiviert ist, weder das eine noch das andere übers Knie brechen werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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