Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl zur Europäische Verordnung für Künstliche Intelligenz, 13.10.2023:

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 

In meinem Büro habe ich alle paar Wochen einen neuen Praktikanten. Meistens sind es Studenten, die für mich Grußworte aufschreiben, Briefe entwerfen und Fachthemen recherchieren. Vor einem Jahr war deren wichtigstes Arbeitswerkzeug noch Google. Heute setzen die sich hin und geben meinen Arbeitsauftrag erst mal eins zu eins in ChatGPT ein.

Ich habe mir zwischendurch überlegt, ob ich das loben oder tadeln soll; denn eigentlich sind sie ja bei mir, um selber schreiben zu lernen. Ich habe mich aber trotzdem fürs Loben entschieden, weil diejenigen, die diese Tools beherrschen und damit schneller und bessere Ergebnisse erzielen, diejenigen sind, die sich in Zukunft am Arbeitsmarkt durchsetzen werden. Und ich sage Ihnen voraus: In einigen Jahren stehen diese Tools bei uns als Voraussetzung in jeder Stellenanzeige, genauso wie heute Word oder Excel.

So wie uns geht es vielen Branchen in Deutschland. Dieser explosionsartige Fortschritt im Bereich der künstlichen Intelligenz verändert die Arbeitswelt in ganz vielen Bereichen, und er wird angetrieben von Entwicklungen aus den USA. 73 Prozent aller großen KI- Sprachmodelle stammen aus den USA, so zum Beispiel ChatGPT, 15 Prozent aus China, 12 Prozent aus dem Rest der Welt inklusive Europa. Jetzt kann man sich in dieser Situation natürlich die Frage stellen: Wie kann ich diese 12 Prozent aus dem Rest der Welt inklusive Europa, das Wenige, was bei uns passiert, möglichst umfassend und perfekt regulieren? Aber die eigentliche Frage müsste doch sein: Wie kann ich erreichen, dass mehr bei uns passiert?

Dabei kann eine Regulierung helfen, aber nicht die Regulierung, die im Moment in Brüssel verhandelt wird.

Gehen Sie mal in ein deutsches KI-Unternehmen! Die schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Sie wissen nicht, ob sie von der Regulierung betroffen sein werden. Sie kennen den Aufwand nicht, der erforderlich ist, um diese ganzen Auflagen und Konformitätsprüfungen zu erfüllen. Und sie wissen vor allem nicht, welche Risiken sie eingehen, wenn sie zum Beispiel eine dieser Auflagen nicht erfüllen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Funke-Kaiser würde Ihnen gerne Zwischenfrage stellen.

Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):

Gerne, Herr Kollege.

Maximilian Funke-Kaiser (FDP):

Vielen Dank. – Herr Kollege Brandl, Sie sprechen richtigerweise davon, dass wir nicht die 12 Prozent an Basismodellen aus Europa regulieren sollen, sondern dafür sorgen sollten, dass wir zu einem größeren Marktanteil kommen. Ich frage Sie: Haben Sie mit Ihrer Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen, die verantwortlich ist für diesen AI-Entwurf? Das würde mich interessieren.

Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):

Wir stehen natürlich in einem sehr engen Kontakt mit unseren Kollegen im Europäischen Parlament, und die denken genauso wie wir.

Aber sie müssen natürlich auch Kompromisse eingehen.

Die Situation sieht so aus: Wir sind jetzt in den Trilogverhandlungen, und jetzt kommt es darauf an, wie sich die deutsche Bundesregierung positioniert.

Was wir heute erreichen wollten, ist, die Position der Bundesregierung zu den Verhandlungen im Trilog zu erfahren. Und was haben wir erfahren? Nichts.

Unser Problem ist doch Folgendes: Digitalminister Wissing hätte – zumindest laut seinen Zeitungsinterviews – ganz vernünftige Ansichten, hat aber nichts zu melden. Etwas zu melden in dieser Frage haben Buschmann und Habeck; die sagen aber nichts. Herr Habeck ist heute freundlicherweise im Parlament. Ich würde mir wünschen, dass Sie zu diesem Thema mal eine Regierungserklärung abgeben und darstellen, wie wir in Zukunft in Deutschland mit dieser anstehenden Industriellen Revolution umgehen.

Das vermissen wir im Moment von der Bundesregierung.

Frau Brantner hat freundlicherweise Aleph Alpha erwähnt. Das ist das Unternehmen, das wir in die Anhörung eingeladen haben. Ich kann Ihnen kurz berichten, was Aleph Alpha in seiner Stellungnahme zu der anstehenden Regulierung sagt:

„Die entstandene Unsicherheit sorgt bei vielen Akteuren für eine Innovationszurückhaltung. … Dieser Zustand macht Gründungen, Investments und Innovationen im Allgemeinen weniger attraktiv und so äußern sich auch entsprechende Marktteilnehmer mit geplanter Reduzierung und Zurückhaltung der Aktivitäten.“

Wir verlieren im Moment Monat für Monat an Boden im Bereich der künstlichen Intelligenz. Wir haben kein großes Sprachmodell, das in Europa entwickelt wurde und einen substanziellen Anteil am Weltmarkt hat. Das sind die Dinge, die wir angehen müssen. Es geht nicht um die Frage, wie wir alles perfekt regulieren, sondern darum, dass wir in Europa überhaupt eine Rolle spielen. Dies anzugehen, dazu rufe ich Sie auf.

Herzlichen Dank.
 

Druckversion