Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann in der Bundestagsdebatte zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung am 27.4.2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! 

Mit der Frage der Gewinnung von Fachkräften haben sich auch die letzten Bundesregierungen intensiv befasst und beschäftigt. Ich glaube, eines ist dabei klar geworden: Die einfache Lösung aus dem Handgelenk gibt es dabei nicht. Diese Diskussion müssen wir – ich glaube, das sollten wir auch mal feststellen – fraktionsübergreifend und parteiübergreifend führen; denn es ist eine große, eine gemeinsame Herausforderung. Das sage ich an dieser Stelle deshalb, weil ich mich schon wundere, Frau Ministerin Faeser, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir wuppen das heute; das ist das Ergebnis nach 16 Jahren Reformstau wegen der Union.

Wir haben in Sachen Fachkräftezuwanderung zwei Ressorts, wo echter Handlungsbedarf besteht. Das eine ist das Außenressort, und das andere ist das Arbeitsressort. Im Bereich Arbeitsministerium ist in den 16 Jahren unter Angela Merkel 12 Jahre ein SPD-Minister/eine SPD-Ministerin verantwortlich gewesen. Im Außenressort war seit 30 Jahren – seit 30 Jahren! – niemand aus der Union.

Deswegen finde ich es billig und völlig fehl am Platz, wenn Sie immer so tun, als wären wir diejenigen, die quer im Stall stehen.

Die Befassung der letzten Jahre hat auch gezeigt, dass das eigentliche Problem nicht die Frage der Durchlässigkeit unserer Grenzen ist. Noch nie waren die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland so durchlässig wie heute.

Noch nie sind so viele Menschen in unser Land gekommen wie heute und in den letzten Jahren. Aber das Problem ist doch vielmehr, dass diejenigen, die wir als Fachkräfte brauchen können, nicht zu uns kommen.

Dafür bietet Ihr Gesetzentwurf leider überhaupt keinen Ansatz. Denn Sie befassen sich nur mit der Frage der vermehrten Durchlässigkeit der Grenzen und wollen das Niveau eigentlich noch weiter absenken, weil Sie dem Grunde nach das Gesetz an Leute adressieren, die niederschwellig bzw. überhaupt nicht qualifiziert sind.

Das ist keine plumpe Behauptung. Ich will Ihnen mal zwei Beispiele nennen.

Sie eröffnen die Möglichkeit, ins Land einzureisen, damit die Qualifikation geklärt werden kann – mal ganz abgesehen davon, dass Sie offensichtlich vergessen haben, zu erzählen, dass Kanada – das ist ja heute schon genannt worden – eine solche Möglichkeit überhaupt nicht eröffnet. Ganz im Gegenteil: Wenn Sie mit Kanadiern, mit den Fachleuten dort sprechen, dann bekommen Sie gesagt, dass man in Kanada erst einreisen darf, wenn der kanadische Staat mehr über einen und die Familie weiß als die Familie selbst; so hoch sind dort die Hürden. Sie eröffnen somit dem Missbrauch natürlich Tür und Tor, weil wir heute schon merken, dass im Bereich der Migration für Geld alles bescheinigt und leider auch alles behauptet wird, um nach Europa bzw. in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen.

Und dann kommen Sie mit einem Punktesystem um die Ecke. Die FDP sagt: Das ist fundamental; wir machen das jetzt so wie Kanada. – Bei Ihnen reichen sechs Punkte, um ins Land zu kommen. Leider haben Sie an der Stelle erneut vergessen, den Menschen zu erzählen, dass das Punktesystem in Kanada 1.200 Punkte vorsieht. 1.200 Punkte! Sie arbeiten mit 6 Punkten.

Nur um es zusammenzurechnen: Für das Erreichen der B2-Sprachqualifikation geben Sie drei Punkte.

Für jemanden, der unter 35 Jahre ist, geben Sie zwei Punkte. Wenn sich derjenige dann noch sechs Monate legal in der Bundesrepublik aufgehalten hat, geben Sie einen Punkt. Das sind sechs Punkte. Derjenige darf ins Land einreisen, und Sie haben die Frage nach der Qualifikation nicht ein einziges Mal gestellt.
Trotzdem reden Sie hier rauf und runter von Fachkräften. Ich sage Ihnen: Das ist gefährlich; denn Sie streuen den Menschen Sand in die Augen.

Wir wollen stattdessen darüber reden, was wir besser machen können, damit echte Fachkräfte zu uns kommen. Warum sträuben Sie sich gegen eine Einwanderungsagentur, die wir Work-and-Stay-Agentur nennen? In Kanada sieht man, dass man eine professionelle Einwanderungs- und Fachkräfteakquise braucht, eine professionelle Begleitung. Warum sperren Sie sich gegen eine digitale Plattform? Stellen Sie sich mal den indischen Ingenieur vor, der überlegt, ob er nach Kanada oder in die Bundesrepublik Deutschland einreist. In Kanada kann er sich heute digital bewerben, während er sich bei uns in einer langen Schlange bei der deutschen Botschaft anstellen muss, wo er in einem Waschkörbesystem – im Übrigen haben das andere als die Union zu verantworten – per Los ausgewählt wird.

Darüber würden wir gerne mit Ihnen im parlamentarischen Verfahren reden. Ich bitte Sie inständig: Sperren Sie sich nicht, sonst wird das ein Rohrkrepierer! Wir tun der deutschen Wirtschaft damit nichts Gutes; denn Sie setzen einen falschen Schwerpunkt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
 

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