Rede zur Anpassung von Finanzmarktgesetzen an die Verordnung (EU) 2017/2402

Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten und heute hier in erster Lesung vorgelegten Entwurf vollziehen wir eine dringend notwendige europäische Standardisierung des Verbriefungsmarktes. Doch was sind Verbriefungen? Was haben Verbriefungen mit der Finanzkrise und der heute debattierten Lehman-Pleite vor zehn Jahren zu tun?

Unter Verbriefungen versteht man allgemein die Bündelung eines Pakets von gleichartigen Verbindlichkeiten – etwa gesicherte Immobiliendarlehen oder Unternehmenskredite –, die dann in handelbare Wertpapiere umgewandelt werden. Zunächst verkauft ein sogenannter Originator, meist ein Kreditinstitut, dazu Teile seiner Forderungen an eine eigens dafür gegründete Zweckgesellschaft. Diese Zweckgesellschaften finanzieren den Ankauf durch die Ausgabe von Wertpapieren.

Genau in der unklaren Zusammensetzung solcher Pakete und der Beimischung vieler fauler Kredite in diesen Paketen bestand vor zehn Jahren das große Problem. Die Lehman-Bank hatte undurchschaubare Paketkonstruktionen aus bonitätstechnisch guten und schlechten Papieren zusammengestellt, etwa mit Hypothekenkrediten von zahlungsschwachen Kunden in den USA, dies dann zu immer größeren Bündeln zusammengepackt und das Ganze dann, schön verpackt mit hohen Renditeversprechen, an Dritte weiterveräußert. Zu allem Überfluss wurde dabei auch noch mit dem Einsatz von Fremdkapital, also zusätzlichen Krediten, ohne Besicherung gearbeitet. Es waren also hochriskante und explosive Überraschungspakete, die die amerikanischen Banker auf den Markt warfen, wobei sie sowohl die Zusammensetzung des Portfolios als auch die darin schlummernden Risiken verschleierten.

Diese Bündelung von risikobehafteten Krediten und deren Verkauf am Kapitalmarkt führte dann genau vor zehn Jahren zum Platzen der Bombe. Keiner traute mehr dem anderen am Kapitalmarkt. Die viel zu geringe Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute konnte die Ausfallrisiken nicht abdecken. Aber gerade von der Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute hängen ihre Möglichkeiten ab, private Haushalte und die Wirtschaft mit Darlehen zu versorgen.

Und hier kommen die Verbriefungen wieder ins Spiel. Um eine Kreditklemme der Kreditinstitute abzuwenden, können sich Geldinstitute der Verbriefung bedienen, um gebundenes Eigenkapital freizusetzen – im Zweifelsfall auch mit staatlicher Hilfe. So werden Banken Kredite los und schaffen sie in ihren Bilanzen Spielraum für neue Kredite. Indirekt verschafft das selbst nicht kapitalmarktfähigen Unternehmen, wie sie im Mittelstand vorherrschen, einen Zugang zum Kapitalmarkt. Schließlich gelangen die Investoren an Papiere, an die sie ohne die Verbriefungstechnik nie kämen. Kurz: Durch Verbriefungen kann sich der Mittelstand einfacher und schneller finanzieren.

Durch die mangelnde Eigenkapitaldecke standen viele Banken am Abgrund. Das Motto, was das Handeln vieler Banker bestimmte – too big to fail, zu groß, um untergehen zu können; der Staat wird es schon richten –, funktionierte erstmals nicht mehr. Lehman ging in die Pleite, der drohende Dominoeffekt lähmte die Welt. Folge war die Staatsschuldenkrise. Der Verbriefungsmarkt trocknete aus, Mittelständler konnten sich nicht mehr finanzieren.

Daraus haben wir gelernt, und wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die Sorge dafür tragen sollen, dass solche Verwerfungen nicht noch einmal passieren. Hier sehen wir im Übrigen auch die Wichtigkeit gemeinsamen europäischen Handelns, und Europa hat schnell gehandelt, sehr schnell sogar.

Eine der Lehren aus Lehman ist daher, dass abhängig vom Ausfallrisiko für einen Kredit ausreichend Eigenkapital zurückgelegt werden muss. Wir haben an vielen Stellen für mehr Transparenz gesorgt und einheitliche Standards geschaffen, die eine bessere Bewertung sicherstellen sollen.

In diese Richtung zielen auch die vorliegenden Anpassungsgesetze. Damit sollen Verbriefungspakete zu einfachen, transparenten, standardisierten Verbriefungen umgestaltet werden. Es wird daneben ein Qualitätslabel eingeführt. Dazu werden 55 Kriterien geprüft. Erfüllt eine Verbriefung diese, erhält es das Label. Sie wird dann bei der Eigenmittelhinterlegung bevorzugt behandelt. Dieses Label, STS, stärkt die Refinanzierung unseres Mittelstandes.

Das Verbriefungspaket ist ein zentraler Baustein der Kapitalmarktunion. Es ist in zwei EU-Verordnungen geregelt, die zum 1. Januar 2019 in Kraft treten sollen. Dafür müssen die Anpassungen an diese Verordnungen in nationales Recht umgesetzt werden. Die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, dient hierbei als zuständige Behörde für die Beaufsichtigung von Originatoren, Sponsoren, ursprünglichen Kreditgebern und Verbriefungszweckgesellschaften. Wir richten zusätzliche Sanktionsregelungen ein.

Durch das Gesetz kommt die Bundesregierung ihren europarechtlichen Verpflichtungen nach. Notwendige redaktionelle Änderungen bestehender Finanzmarktgesetze zur Anpassung an die unmittelbar geltenden europäischen Regeln sowie der Bestimmungen zu deren Ausführung sollen vorgenommen werden.

Neben der Schaffung eines Rechtsrahmens für einfache, transparente, standardisierte Verbriefungen ist die Stärkung des Rechtsrahmens zu begrüßen, der nach der Krise zur Bewältigung der von hochkomplexen, undurchsichtigen und risikoreichen Verbriefungsgeschäften ausgehenden Risiken geschaffen wurde. Die Umsetzung der Vorgaben soll als Eins-zu-eins-Umsetzung erfolgen bzw. bestehendes Recht soll fortgeführt werden.

Dieses Qualitätslabel ist gut für unseren Mittelstand, es ist gut für Europa; denn Europa kann lernen und Lösungen anbieten. Wir freuen uns auf die parlamentarischen Beratungen.

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