CSU-Landesgruppenchef Dr. Peter Ramsauer im Gespräch mit Michael Inacker und Christian Ramthun, Wirtschaftswoche

Die CSU geht auf Konfliktkurs in der Koalition. Sie will die Erbschaftsteuer torpedieren und kritisiert auch die CDU.

WirtschaftsWoche:

Herr Ramsauer, kaum wird die CSU bei den bayrischen Kommunalwahlen abgestraft, kommen Sie als CSU-Landesgruppenchef in Berlin auf Touren und kritisieren die eigene Koalition wegen Erbschaftsteuer und Pendlerpauschale.

Peter Ramsauer:
Moment, bei der Erbschaftsteuerreform haben unsere beiden CSU-Minister schon am 5. Dezember im Kabinett ihre Bedenken zu Protokoll gegeben.

WirtschaftsWoche:
Wie gravierend sind die Bedenken gegen die Reformpläne?

Peter Ramsauer:
Das beginnt im Grundsätzlichen. Die CSU ist im Vergleich zur SPD der Garant für bürgerliche Politik.

WirtschaftsWoche:
Ist die CSU auch bürgerlicher als die CDU?

Peter Ramsauer:
Wenn ich mir so manche Debatte in der CDU anschaue, dann würde ich auch sagen, dass die CSU bürgerlicher ist als die CDU. Wir haben ein besonderes Verhältnis zum privaten Eigentum. Und die CSU steht nach wie vor dafür, soziale Verantwortung, wirtschaftliche Vernunft und Förderung des Unternehmertums abgewogen zu verbinden. In der CDU verschieben sich die Koordinaten hingegen immer mehr zur reinen Sozialpolitik. Doch diesen Wettbewerb mit den Sozialdemokraten werden wir nicht gewinnen. Deshalb fördern wir ausdrücklich nachhaltiges Handeln in Familien. Die Gretchenfrage einer bürgerlichen Gesellschaft heißt für mich: Wie hältst du es mit dem Eigentum?

WirtschaftsWoche:
Ist dies nun ein Plädoyer für eine Abschaffung der Erbschaftsteuer?

Peter Ramsauer:
Das können Sie gern so auslegen. Die Erbschaftsteuer ist eben nicht bloß eine steuerpolitische Spezialfrage, sondern sie steht für die politische Achtung des Eigentums in Deutschland. Und dies betrifft nicht nur den Unternehmer, sondern auch die vielen Leistungsträger bei Angestellten und klassischen Arbeitnehmern, die hart gearbeitet haben, um sich ihr Haus und Eigentum zu ermöglichen. Deshalb wäre es das Beste, wenn die Erbschaftsteuer Ende 2008 ausläuft. Aber wir müssen auf dem Boden der politischen Tatsachen bleiben und uns an unsere Koalitionsabsprachen halten.

WirtschaftsWoche:
Warum kämpfen Sie trotzdem nicht grundsätzlich gegen diese Steuer?

Peter Ramsauer:
Es gibt nun einmal eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Damals wurde aber auch beschlossen, bei der Erbschaftsteuer die Unternehmen bei Erhalt der Arbeitsplätze über zehn Jahre vollständig von der Steuer zu befreien. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das völlig neue Bewertungsgrundsätze verlangt, haben wir jedoch eine neue, schwierigere Situation.

WirtschaftsWoche:
Wo gibt es jetzt für Sie rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen?

Peter Ramsauer:
Eine Behaltensfrist von 15 Jahren ist beispielsweise völlig weltfremd. Oder die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen: Das gehört nicht in die Rubrik Vermögensverwaltung, sondern ist typisch für die Hofübergabe an den Nachfolger. Oder die Vererbung eines Hauses. Oder die Regeln für Vermögensbewertung: Die müssen per Gesetz im Bundestag beschlossen werden, nicht per Verordnung. Hier muss das Parlament den Fuß in der Tür haben. Ich traue den Leuten im Finanzministerium von Peer Steinbrück da nicht von zwölf Uhr bis Mittag über den Weg.

WirtschaftsWoche:
Was passiert, wenn Kanzlerin Merkel mehr Wert auf einen Kompromiss mit der SPD legt als auf die Profilierungsbemühungen der CSU?

Peter Ramsauer:
Die wirtschafts- und finanzpolitischen Vorstellungen der SPD grenzen an Zumutungen für die Union. Deren Herangehensweise an die Erbschaftsteuer zeigt doch, wie negativ sie über unsere Unternehmer denken. Diese steuerpolitischen Vorstellungen der SPD sind die Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln. Als ob die Unternehmer im Erbfall nur Kasse machen wollten, um sich dann mit der Freundin auf die Malediven abzusetzen. Offenbar können sich Sozialdemokraten nicht vorstellen, dass Unternehmerfamilien in Generationen denken und nicht ihr Geld verjubeln. Oder sie verraten ihre eigene Klientel, wenn der Facharbeiter bei der Vererbung seines Haus’ und Grunds Steuern zahlen muss. Die Sozialdemokraten sollten daher in der Erbschaftsteuerfrage den Bogen nicht überspannen.

WirtschaftsWoche:
Und wenn doch?

Peter Ramsauer:
Im Grunde ist die Erbschaftsteuer doch Ländersache. Falls wir uns in Berlin nicht im Detail einigen, sollten wir die Ausgestaltung den Bundesländern überlassen. Die sollen doch bitte selbst klären, wie sehr sie ihre Familienunternehmen zur Ader lassen wollen.

WirtschaftsWoche:
Und wenn ein Bundesland sagt, es verzichte ganz auf die Erbschaftsteuer?

Peter Ramsauer:
Dann sollten wir diese Entscheidung in unserem föderalen System respektieren. Die CSU in Bayern würde dann gegebenenfalls von einem solchen Recht Gebrauch machen und auf die Erbschaftsteuer verzichten. Andere Bundesländer könnten sich dann über eine solche Wettbewerbsverzerrung beschweren. Kritik, dass wir auf solche Weise Unternehmen und Investitionskapital nach Bayern anziehen, schreckt mich am allerwenigsten. Da ist es doch besser, die Unternehmen kommen nach Bayern, als dass sie nach Österreich oder in die Schweiz verschwinden.

WirtschaftsWoche:
Damit würden Sie doch die Erbschaftsteuer untergraben, die die SPD unbedingt erhalten will. Würde das Klima in der Koalition nicht nachhaltig vergiftet?

Peter Ramsauer:
Sonderlich schön sind die Zeiten in der großen Koalition nie gewesen, wenn ich nur mal an die Gesundheitsreform denke. Die Zusammenarbeit mit der SPD ist derzeit ohne verantwortbare Alternative und sollte spätestens 2009 durch eine bürgerliche Koalition abgelöst werden. Wir dürfen uns in dieser Koalition nicht verbiegen lassen, und bei der Erbschaftsteuer geht es halt an unser bürgerliches Eingemachte.

WirtschaftsWoche:
Ein anderer Punkt, an dem die CSU Leben in die Koalition bringt, ist die Pendlerpauschale. Deren Kürzung hatten Sie doch auch mitgetragen. Wieso nun der Sinneswandel?

Peter Ramsauer:
Die CSU hatte der Kürzung der Entfernungspauschale Anfang 2006 als Teil eines großen Verhandlungspakets murrend zugestimmt, um das Investitionsprogramm von 25 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode teilweise gegen zu finanzieren. Jetzt beschäftigt sich aber selbst das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema. Und bevor sich die Politik wieder einmal von den Richtern treiben lässt, sollte die Koalition von sich aus aktiv werden.

WirtschaftsWoche:
Und wie?

Peter Ramsauer:
Wir sollten die Pendlerpauschale schnellstmöglich wieder ab dem ersten Kilometer gelten lassen. Dies muss natürlich im Rahmen der Haushaltskonsolidierung erfolgen. Ich möchte deshalb noch die nächste Steuerschätzung im Mai abwarten. Diese wird nach meinem Dafürhalten nicht so schlecht ausfallen, wie manche Politiker und Wissenschaftler nun an die Wand malen. Weil die Konjunktur ausgesprochen robust ist, hoffe ich, dass wir nach der Mai-Steuerschätzung genügend Luft haben, um noch in dieser Legislaturperiode wichtige Akzente zu setzen.

Absolut gesetzt sind eine Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag. Da warten wir nur den Bericht über das Existenzminimum ab, um dann die entsprechende Erhöhung noch in die Beratungen des Haushalts 2009 im Herbst einzuspeisen.

WirtschaftsWoche:
Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, dass Sie dies nur fordern, weil Sie mehr Wählerstimmen für die CSU erheischen wollten?

Peter Ramsauer:
Da muss den Kritikern schon ein besseres Argument einfallen. Ich stehe im Bundestag dafür ein, dass ich mich für unsere Leistungsträger, Familien und Pendler besonders engagiere.

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