Interview mit der Tageszeitung "Die Welt"

Hans-Peter Friedrich hofft beim Bahnschienennetz auf eine Verständigung auf das Eigentumsmodell: der Bund würde Eigentümer bleiben. Und wenn es keine Einigung gibt? "Wenn sich keine Lösung findet, nehmen wir lieber später einen neuen Anlauf," meint Friedrich.

Frage: Herr Friedrich, Vertreter von Bund und Parlament kommen heute zu einer Spitzenrunde zur Zukunft der Bahn zusammen. Mit welchem Ziel geht die Union in die Gespräche?

Friedrich: Wir haben Konsens mit der SPD, dass das Netz beim Bund bleiben muss. Aber vieles weist darauf hin, dass das sogenannte Eigentumssicherungsmodell, das der Bundesverkehrsminister vorschlägt, dieses Ziel nicht erreicht. Daher ist nur das Eigentumsmodell realistisch, so wie die Union es favorisiert. Also: Der Bund ist juristischer Eigentümer des Netzes, die Bahn bewirtschaftet es. Ich hoffe, dass sich alle Beteiligten heute auf dieses Modell verständigen.

Frage: Ein Kompromiss scheint aber unwahrscheinlicher denn je: Bei der SPD gibt es zunehmend Stimmen, die generell gegen eine Privatisierung sind.

Friedrich: Das Ziel ist klar definiert: Wenn sich die DB AG international behaupten soll, müssen wir auf dem Kapitalmarkt frisches Geld besorgen. Wir brauchen allerdings keinen Börsengang mit der Brechstange. Wenn sich keine Lösung findet, die den Erfordernissen der deutschen Verkehrs- und Standortpolitik gerecht wird, nehmen wir lieber später einen neuen Anlauf.

Frage: Aber der Bahnchef macht Druck. Braucht die Bahn tatsächlich schnell eine

Friedrich: Die Bahn kann derzeit alle Verpflichtungen erfüllen und alle Pläne umsetzen, wir sind nicht unter Druck. Wenn der Konzern aber international expandieren will, ist frisches Geld nötig. Und weil auch die Politik möchte, dass die Bahn gut aufgestellt ist, hat sie ein Interesse an einem Börsengang.

Frage: Alle Beteiligten können mit dem Tiefensee-Modell leben - nur die CDU beharrt auf ihrem eigenen Modell. Warum bremsen Sie

Friedrich: Wir wollen, dass der Bund auch künftig aus der Position des Eigentümers mit der Bahn verhandeln kann. Es ist ein Unterschied, ob ich als Bundesregierung Ansprüche aus einem Vertrag gegenüber einem Konzern einklagen muss, oder ob ich in der Position des Eigentümers bin. Das Tiefensee-Modell stellt diese Eigentümerposition nicht sicher.

Frage: Warum nicht?

Friedrich: Beim Tiefensee-Modell besteht die Gefahr, dass während der Laufzeit des Sicherungsverhältnisses das Eigentum etwa durch Verkäufe oder Schuldenbelastungen ausgehöhlt wird. Zudem kann es sein, dass der Bund am Ende der Sicherungszeit faktisch enteignet ist, weil die Bahn das Netz nur gegen Milliardenentschädigungen herausrücken würde.

Frage: Könnte man den Tiefensee-Vorschlag nicht so überarbeiten, dass die Union zustimmt?

Friedrich: Nein. Wir kommen von einem ganz anderen Standpunkt, nämlich von der kompletten Trennung her. Wir sind der SPD weit entgegen gekommen, und wir hoffen, dass die SPD jetzt ein Stück auf uns zugeht. In der Zielsetzung sind wir uns ja einig.

Frage: Sie sagen, es wäre ein Irrsinn, das Schienennetz den Investoren für den Preis eines Butterbrots in den Rachen zu werfen. Warum hängt die Union so daran, man kann es sich doch gut bezahlen lassen?

Friedrich: Der Wert des Netzes wird momentan geschätzt auf 130 Mrd. Euro, und wir gehen davon aus, dass an der Börse für die Hälfte des Gesamtunternehmens fünf bis acht Mrd. Euro erlösbar sind. Wenn man bedenkt, dass für das Eisenbahnwesen in Deutschland allein zwischen 1994 und 2004 insgesamt 213 Mrd. Euro an Steuermitteln aufgewendet wurden, steht das in keinem Verhältnis.

Frage: Die Union will offenbar eine Lösung, die ihr künftige Optionen beim Netz offen lässt. Dies hätte zur Folge, dass die Struktur der Bahn auch auf lange Sicht nicht fest sein wird. Ist das gut für einen börsennotierten Konzern?

Friedrich: Was wir vorschlagen, ist kalkulierbar: Wir bleiben Eigentümer und die Bahn bekommt für einen bestimmten Zeitraum das Recht der Bewirtschaftung. Dann schauen wir uns das an und können sagen, das habt ihr gut gemacht oder nicht Wichtig ist: Der Bund kann neu entscheiden.

Frage: Hat Ihr Modell eine Mehrheit in der Union?

Friedrich: Die Fachleute sind alle dafür. Auch die Signale aus den Bundesländern sind eindeutig.

Frage: Und bei der SPD?

Friedrich: Es gibt Ansagen von einzelnen Kollegen, dass sie es mittragen - bei der FDP ebenfalls.

Frage: Dass sie so eng mit der Opposition kooperieren, bringt Ihnen den Vorwurf ein, deren Geschäft zu betreiben.

Friedrich: Wir stimmen uns eng mit der SPD ab, sind in ständigen Gesprächen und wissen, dass der Koalitionspartner mit dem Konzept mindestens so gut leben könnte wie etwa die FDP.

Frage: Unionspolitiker haben gedroht, notfalls werde das Parlament gegen die Regierung über ein Privatisierungsmodell entscheiden - wird es zu diesem Eklat kommen?

Friedrich: Nein, wenn alles abgestimmt ist, wird zwischen Regierung und Parlament kein Blatt Papier mehr passen.

Frage: Wann fällt die Entscheidung?

Friedrich: Ich hoffe in dieser Woche.

Die Fragen stellten Nikolaus Doll und Ileana Grabitz

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