Interview im Deutschlandfunk

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, hält einen neuen Antrag für ein NPD-Verbot derzeit für ausgeschlossen. Der gescheiterte Versuch habe der NPD genutzt und nicht geschadet. Man müsse vor allem das verfassungsfeindliche Gedankengut bekämpfen.

Frage: Die NPD in den Landtagen stärkt die rechte Szene vor Ort. Das ist die Beobachtung in jenen Regionen, in denen die Partei den Sprung ins Parlament geschafft hat. Was da an Reden zu hören ist, das ließ in den vergangenen Wochen und Monaten den einen oder anderen Politiker die Frage stellen, ob das wirklich mit der Verfassung vereinbar sein soll. Und so bekam auch die Forderung nach einem neuen Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren neue Nahrung. Doch die Innenminister scheinen zögerlich, wie sich bei ihrer Konferenz derzeit zeigt. - Hans-Peter Uhl, CSU-Bundestagsabgeordneter, ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion und ich habe ihn vor wenigen Minuten gefragt, ob nach seinem Eindruck das Thema NPD-Verbotsverfahren ein für allemal vom Tisch ist?
 
Uhl: Ein NPD-Verbot ist deswegen ausgeschlossen, weil wir denkbar schlechte Erfahrungen mit dem letzten Verbotsversuch gemacht haben. Dieser Versuch, der gescheitert ist beim Bundesverfassungsgericht, der hat der NPD genutzt und nicht geschadet und so etwas darf sich auf keinen Fall wiederholen. Wir sind überhaupt der Meinung, ein Verbot einer rechtsradikalen Partei hilft nicht weiter. Die Gedanken sind es, die wir bekämpfen müssen, in den Köpfen der Menschen, die rechtsradikalen.
 
Frage: Das sind jetzt aber zwei verschiedene Begründungen, Herr Uhl. Das eine ist die Frage, würde es erneut scheitern durch die Präsenz der V-Leute. Ist das der Hauptgrund, dass man es jetzt nicht mehr wagt?
 
Uhl:Das ist der formalrechtliche Hauptgrund, weil das Gericht gesagt hat, wenn V-Leute im Vorstand sitzen, dann ist das, was als Beweismaterial zusammengetragen worden ist, möglicherweise diesen V-Leuten und nicht der NPD zuzurechnen. Das ist also der formalrechtliche Aspekt und der materiell-rechtliche ist, dass wir sagen, die Gedanken in den Köpfen sind frei. Da hilft kein Verbot einer Partei. Wenn wir eine NPD verbieten, machen diese Menschen mit diesen rassistischen, rechtsextremen Nazi-Gedanken weiter in Gestalt der DVU, der Republikaner oder sie benennen sich um. Das ist also der Punkt, um den es uns vor allem geht. Wir müssen sie bekämpfen. Alles was rechtsextrem ist muss bekämpft werden und nicht formal durch einen Gerichtsbeschluss aus der Welt geschafft werden. Die Menschen bleiben in der Welt, die Gedanken bleiben in der Welt und die müssen bekämpft werden.
 
Frage: Wenn der Rechtsweg nach Ihrer Meinung ausgeschlossen ist, unternimmt die Politik denn genug, um der Partei argumentativ zu begegnen?
 
Uhl:Das ist ein ganzjähriger Kampf. Jeder muss sich an allen Stellen an dem Kampf beteiligen, vom Stammtisch bis hin zum Bundestag. Wir bemühen uns sehr, die Unionsländer, schon aus ganz eigennützigen Gründen. Wer hat den größten Schaden von einer rechtsextremen Partei im Parlament? Das ist ja die Union. Schauen Sie welchen Kampf die SPD mit der Linken jetzt zu kämpfen hat. Der ist existenzieller Natur. Das war ein Fehler von der SPD, die Linke nicht zu bekämpfen. So sehen wir das am rechten Rand genauso. Wir wollen die NPD und alles, was rechtsextrem ist, bekämpfen, existenziell bekämpfen. Das darf es nicht geben.
 
Frage: Für viele Menschen, für viele Bürger heißt das inzwischen auch zu kapitulieren. Nach den jüngsten Auftritten von NPD-Politikern waren sich auch etliche Politiker anderer Parteien einig: Man braucht eigentlich keine V-Leute, um mal bei diesem formalrechtlichen Aspekt zu bleiben, um die Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen. Es reicht eigentlich, sich einige Reden anzuhören und die juristisch überprüfen zu lassen. Das heißt der Abzug von V-Leuten aus der NPD wäre ja auch eine Möglichkeit, um formalrechtlich ein Verbot, wenn man es denn wollte, auf den Weg zu bringen?
 
Uhl:Nein, das reicht natürlich nicht. Lesen Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Da reicht es nicht aus, dass man einige Reden liest und die auf ihre Verfassungsfeindlichkeit hin untersucht und bestätigt, um dann gleich das Verbot der gesamten Partei auszusprechen und das Vermögen einzuziehen. So läuft es nicht in einem Rechtsstaat.
 
Frage: Wenn Sie sagen, es ist in Zukunft wirklich ausgeschlossen, dass es zu diesem Verfahren kommt, an welchen Stellen sollte die Politik, um da noch mal nachzuhaken, ansetzen, um der NPD Wähler zu entziehen?
 
Uhl:Wir machen ja jetzt den Versuch, dass wir die NPD-nahen Stiftungen und Vereine untersuchen wollen, denn da tut sich der Staat leichter, finanzielle Unterstützung zu streichen. Da tut sich der Staat leichter, eventuell auch die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das heißt da wirkt nicht das Parteienprivileg. Das Parteienprivileg besagt, wenn der Staat Geld an Parteien gibt, muss er peinlichst genau jeder Partei anteilig denselben Anteil geben. Das ist so! Bei den Stiftungen und Vereinen gilt dieses Parteienprivileg nicht. Das heißt da könnte man eventuell mehr Spielraum haben. Insofern unterstützen wir den Versuch von Innensenator Körting, hier einen Vorstoß zu machen.
 
Frage: Inwiefern sind denn Präzisierungen der schon bestehenden Gesetze und Regelungen notwendig? Wo reichen die nicht aus?
 
Uhl:Die Szene muss jetzt noch mal genau aufgearbeitet werden, um zu sehen, ob mit geltendem Recht ein Vereinsverbot möglich ist, ob mit geltendem Recht den Stiftungen Geld wieder genommen werden kann oder weniger Geld zur Verfügung gestellt werden kann. Da brauchen wir vermutlich keine neuen Gesetze.
 
Frage: Das heißt es wäre im Prinzip bisher auch schon möglich gewesen, wenn jemand auf die Idee gekommen wäre?
 
Uhl:So ist es!
 
Frage: Herr Uhl, noch ein Wort zum Thema Scientology. Auch darüber wird im Augenblick beraten bei der Innenministerkonferenz. Steht für Sie ein Verbot dieser Organisation zur Diskussion?
 
Uhl:Das hat Parallelen zum NPD-Verbot und doch wieder ist es etwas anderes, weil es keine Partei ist und auch aus anderen Gründen. Auch hier gilt aber der Grundsatz: ein Scheitern bei Gericht würde genauso wie bei der NPD auch den Scientologen nützen und nicht schaden. Das heißt wenn man ein Vereinsverbot betreibt, muss man ziemlich sicher sein, dass man vor Gericht Recht bekommt, und so weit sind wir noch nicht. Wir wissen alle, so wie bei der NPD wissen wir, dass das verfassungsfeindliche Gedanken sind in den Köpfen dieser Menschen. Und so ist es bei Scientology. Diese Ideologie ist verfassungsfeindlich. Das ist völlig unbestritten. Die Frage nur ist, ob es ausreicht, verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland zu beweisen, wonach die Scientologen die Politik, die Wirtschaft, den Rundfunk und die Kultur beherrschen können mit ihren kruden Ideen, und so weit sind wir noch lange nicht. Deswegen haben wir in der Innenministerkonferenz gesagt, die Länderinnenminister sollen Material zusammentragen aus ihren Städten, aus Frankfurt, aus Berlin, aus München, aus Hamburg natürlich, um zu prüfen, ob der Beweis vor Gericht geführt werden kann.
 
Frage: Wir sind so weit noch lange nicht, sagen Sie, aber ich entnehme Ihren Worten: Wenn der Beweis angetreten werden könnte, dann würden Sie ein Verbotsverfahren bezüglich Scientology durchaus befürworten?
 
Uhl:Ich würde es befürworten. Ich habe in meiner früheren Zeit, als ich noch Innensenator in München war - das heißt dort Kreisverwaltungsreferent -, mehrere Prozesse gegen Scientology gewonnen. Also man kann gegen Scientology gewinnen. Das ist eine verfassungsfeindliche Ideologie.
 
Frage: Und die Gefahr, dass dies mit der Religionsfreiheit zum Beispiel kollidiert, ist nicht gegeben aus Ihrer Sicht?
 
Uhl:Die ist deswegen nicht gegeben, weil es bei Scientology um alles andere geht, nur nicht um Religion. Es ist eine behauptete Religion, aber keine vorhandene Religion.
 
Frage: Es wird immer die Bezeichnung Sekte verwendet. Das wäre dann ja nicht die einzige Sekte, die wir in Deutschland haben. In welchem Zusammenhang stünde das?
 
Uhl:Eine Sekte ist es auch nicht. Es ist ein Verein, der auch nicht gemeinnützig ist, sondern Geschäftsgewinnerzielungsabsicht hat auf rechtswidrige Weise. Also keine Religion, keine Sekte, sondern eine Firma mit Gewinnerzielungsabsicht.
 
Moderation: Bettina Klein
 
 
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