Interview im Deutschlandfunk

Vor dem Hintergrund des Sprengstofffundes im Bundeskanzleramt und in Frachtflugzeugen meint der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, dass es nach wie vor eine anhaltend hohe Terrorismusgefahr auch mitten in Deutschland gibt, „was viele Leute eigentlich verdrängen wollten“. Er fordert im Deutschlandfunk, den hohen Standard der Passagierkontrolle auch auf die Luftfracht auszudehnen – unabhängig von den Kosten. Gleichzeitig müsse Sicherheit im Luftverkehr international und europäisch besser abgestimmt werden.

Frage: Ende letzter Woche ist es den Behörden gelungen, mehrere Paketbomben aus der Luftfracht herauszufischen. Sie waren vor allem im Jemen aufgegeben worden. Gestern dann aber auch Bombenalarm im Bundeskanzleramt in Berlin. In der Poststelle wurde ein Päckchen entdeckt, es war persönlich adressiert an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und inzwischen steht fest: In diesem Päckchen war tatsächlich Sprengstoff beziehungsweise eine sprengstofffähige Vorrichtung. Das sind die Worte von Innenminister Thomas de Maizière. - Für wie gravierend, Herr Uhl, halten Sie den Vorfall von gestern im Bundeskanzleramt?
 
Uhl: Wir müssen noch die weiteren Erkenntnisse abwarten, aber ich vermute mal aus heutiger Sicht, dass der Vorfall von der Gefährlichkeit her nicht an das heran kommt, was aus dem Jemen abgesandt wurde. Dennoch ist es gefährlich, es kann zu Verletzungen führen. Es zeigt eben, beide Fälle zeigen, dass es nach wie vor eine anhaltend hohe Terrorismusgefahr auch mitten in Deutschland gibt, was viele Leute eigentlich verdrängen wollten.
 
Frage: Ist das völliger Zufall, diese beiden Ereignisse, die Paketbomben aus dem Jemen und jetzt der Vorfall im Kanzleramt, parallel dazu die Ereignisse in Athen? Das ist Zufall?
 
Uhl: Das ist sicher Zufall. Was im Jemen war, reiht sich in eine Kette anderer Ereignisse ein, die als nicht bedrohlich empfunden wurde, aber da wurde schon experimentiert mit diesem Sprengstoff in Flugzeugen, in der Luftfracht, während das, was aus Athen kommt, wohl von einem anderen Adressatenkreis stammt und ja auch in anderen Botschaften auch eingegangen ist. Das scheint eine andere Täterstruktur und andere Tatstruktur zu sein.
 
Frage: Die Täter in Athen sollen Linksterroristen sein. Ist der Regierung in Griechenland irgendein Vorwurf Ihrer Meinung nach zu machen?
 
Uhl: Auf den ersten Blick würde ich sagen nein. Die Terroristen, egal jetzt die aus Jemen, oder aus Athen, zeigen uns auf, dass wir hier eine neue Schwachstelle haben, die bisher nicht wahrgenommen wurde. Der Frachtverkehr, millionenfach täglich per Luft und auch auf andere Weise, ist schwer zu überwachen, muss aber konsequenter überwacht werden. Das heißt, wir müssen uns jetzt Gedanken machen - ich rede von der Zuständigkeit -, wer ist zuständig für den Frachtverkehr, dass wir die Zuständigkeiten möglicherweise doch in eine Hand legen, mit dem Personenverkehr zusammen bei der Luftfracht. Das ist derzeit nicht der Fall.
 
Frage: Inwiefern gibt es da im Moment sozusagen Kompetenzchaos?
 
Uhl: Es ist nicht gerade Chaos, aber für den Luftverkehr ist nun mal das Verkehrsministerium mit dem Luftfahrtbundesamt zuständig, das heißt auch für die Fracht. Und im Personenflugzeug ist die Bundespolizei zuständig für die Personen samt ihrem Gepäck, das sie aufgeben. Das heißt, neben dem aufgegebenen Gepäck, von der Bundespolizei kontrolliert, liegt die Fracht, vom Luftfahrtbundesamt nicht kontrolliert. Die kontrollieren nur die Carrier, also die, die dafür zuständig sind.
 
Frage: Ist das ein Grund - Entschuldigung, Herr Uhl -, dass wir als Passagiere gefilzt werden bis auf die Zahnpastatube und im Frachtbereich ist man da wesentlich weniger genau?
 
Uhl: So ist es, das muss man offen zugeben. Das kann so nicht weitergehen. Wir müssen diesen hohen Standard dieser Passagierkontrolle, der ja bisweilen auch lästig ist, an den wir uns jetzt aber alle gewöhnt haben und mit dem wir uns abgefunden haben, diesen hohen Standard müssen wir auch auf die Luftfracht ausdehnen.
 
Frage: Egal was es kostet?
 
Uhl: Egal was es kostet, an Geld und übrigens auch an Zeit. Kontrolle kostet auch Zeit und nicht nur Geld.
 
Frage: Nun sagt die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière sinngemäß: Wir müssen die Luftfracht weltweit besser abstimmen, auch in Europa. Heißt das, die anderen müssen genauer hinschauen, wir eher nicht?
 
Uhl: Vollkommen richtig. Stellen Sie sich vor, wir kontrollieren alle Pakete der Luftfracht, die bei uns abgehen, und die Terroristen sitzen im Jemen und was von dort aus abgeht wird nicht kontrolliert, kommt lediglich bei uns an und richtet verheerenden Schaden an. Daran sehen Sie schon: Es nützt gar nichts, in Deutschland penibel zu kontrollieren, das muss weltweit organisiert werden.

Die Fragen stellte Friedbert Meurer

 
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