Interview im ARD-Morgenmagazin zur BND-Abhöraktion bei einer Spiegel-Journalistin

Nach dem Abhör-Skandal des BND bei der "Spiegel"-Redaktion stellt Hans-Peter Uhl Fragen nach der Dienstaufsicht im Bundesnachrichtendienst. Es werde die Frage gestellt werden müssen, wie mit der Pressefreiheit umgegangen wird, so der Innenpolitiker im ARD-Morgenmagazin

Frage: Das ist die zweite Affäre, in die der BND verwickelt ist, wenn es um das Abhören, Überwachen von Journalisten geht. Wie laut müssen die Alarmglocken im Parlament klingen, wenn wir das jetzt schon wieder hören?
 
Uhl: Die klingen in der Tat sehr laut. Wir werden sehr in die Tiefe gehende Fragen stellen müssen. Dieser Fall ist ein Skandal. Er hat möglicherweise außenpolitische Auswirkungen, aber insbesondere innenpolitische. Es wird die Frage gestellt werden müssen, wie gehen wir mit der Pressefreiheit um. Von daher stellen wir Fragen nach der Dienstaufsicht im Bundesnachrichtendienst.
 
Frage: Wenn ein Politiker sagt, hier ist ein Skandal, dann liegt die Frage nach den Konsequenzen nahe. Brauchen wir Konsequenzen und wenn ja, welche?
 
Uhl: Eine Entschuldigung, wie am Freitag gegenüber dem Nachrichtendienst "Der Spiegel" geschehen, ist nicht die Konsequenz, die ich mir vorstelle. Ich will wissen: Wer hat dies wann verantwortet? Was geschah, als man erkannte, dass man den E-Mail-Verkehr einer Spiegelredakteurin ausgeforscht hat? Wie lange hat es gedauert, bis die Spitze des Dienstes davon erfuhr und was hat die Spitze gemacht? Das sind alles dienstrechtliche Fragen. Wenn sich herausstellen sollte, Variante eins, der Präsident wusste von allem nichts, dann ist das ein Skandal für sich. Wenn sich herausstellen sollte, der Präsident wusste das alles, dann ist das auch ein Skandal anderer Art.
 
Frage: Denken Sie an eine mögliche Rücktrittsforderung des Präsidenten?
 
Uhl: Das wäre sicher falsch, die jetzt zu stellen, bevor diese Fragen alle gestellt und beantwortet sind. Aber ich schließe es nicht aus, wenn die Fragen unzureichend oder unerträglich für einen Rechtstaat beantwortet werden. So geht es nicht. Wir denken gerade jetzt nach, wie wir solche Maßnahmen – Onlinedurchsuchungen, Telefonüberwachung – in Deutschland organisieren. Dort heißt es, nur der Präsident der Behörde darf den Antrag stellen. Nur ein Gericht muss den Antrag bearbeiten. Hier soll auf der unteren Beamtenebene, ohne Wissen der Behördenleitung, etwas geschehen sein. Das halte ich für unerträglich.
 
Frage: Hinter Ihnen sehen wir nicht nur das Parlament, dahinter sehen wir das Kanzleramt. Das führt die Aufsicht über die Geheimdienste. Gibt es da Aufsichtsdefizite?
 
Uhl: Wir Parlamentarier kontrollieren die Dienste, indem wir die Bundesregierung befragen. Die Bundesregierung, vertreten durch das Kanzleramt, kann nur berichten, was ihnen gesagt wird. Wenn es so sein sollte, dass der Präsident nichts berichtet hat, weil er selbst nichts wusste, dann können wir nicht kontrollieren. Auch dieses ist ein unerträglicher Zustand.
 
Frage: Wenn man in diesen Tagen durch das Parlament geht und mit Parlamentariern spricht, die mit den Geheimdiensten und der Aufsicht zu tun haben, dann sind die sauer wie lange nicht mehr, quer durch alle Parteien. Fühlen Sie sich unterinformiert, wie kann das sein?
 
Uhl: Uns eint derzeit parteiübergreifend die Empörung über den Umgang mit dem Parlament durch die Dienste. So kann es nicht weitergehen, dass wir den "Spiegel" lesen müssen, um Fragen stellen zu können im Gremium, was macht ihr eigentlich. Deswegen werden wir das Gesetz über die Kontrolle der Dienste nachhaltig verändern, damit diese Geheimnistuerei am Parlament vorbei, die in einem demokratischen Staat unerträglich ist, ein Ende hat.
 
Die Fragen stellte Werner Sonne
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