Interview mit DeutschlandRadio Kultur

Der Koalitionskompromiss zur Online-Durchsuchung von Computern muss sich nach Einschätzung von Hans-Peter Uhl zunächst in der Praxis bewähren. Man müsse die ersten Fälle dieser Art abwarten, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Sollte sich dabei zeigen, dass der technische Zugriff auf Computer entgegen der bisherigen Aussage von Ermittlern ohne das Betreten der Wohnung des Verdächtigen nicht möglich ist, müsse der entsprechende Paragraf ergänzt werden.

Frage: Gestern Abend innerhalb der Großen Koalition die Einigung (zu Online-Durchsuchungen). Von Nachbessern ist auch schon in der Großen Koalition die Rede - einen Tag, wenige Stunden nach diesem Kompromiss von gestern Abend. Darüber sprechen wollen wir nun mit Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Herr Uhl, wie faul ist dieser Kompromiss?
 
Uhl: Der Kompromiss ist nicht faul, sondern er entscheidet eine Rechtsfrage, über die man mit guten Argumenten für und wider noch monatelang streiten könnte.
 
Frage: Aber er ist schlecht?
 
Uhl: Kompromisse haben es an sich, dass man sich einigt. Es geht um die Rechtsfrage, wenn man das Recht zur Online-Durchsuchung hat, also sich Zugriff zu nehmen auf einen Computer, ob dieses einher geht mit dem Recht, in die Wohnung einzudringen - nicht um die Wohnung zu durchsuchen, sondern um an den Computer körperlich ranzukommen. Das ist die Rechtsfrage, um die es geht. Die einen sagen, selbstverständlich ist das Recht, in die Wohnung reinzugehen, darin enthalten. Und die anderen sagen, nein, das ist ein eigener Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, und deswegen brauchen wir einen eigenen Rechtstitel.
 
Frage: Welche Antwort hatten Sie?
 
Uhl: Ich war der Auffassung - und die wird von anderen Juristen, guten Juristen auch vertreten -, dass, wenn wir uns an das halten, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, nämlich Online-Durchsuchung ist rechtlich zulässig in wenigen Ausnahmefällen, fünf-, zehnmal im Jahr in ganz Deutschland, wenn die Hürden so hoch sind, dass man damit auch das Recht eingeschlossen ist, an den Computer heranzukommen, auch wenn er sich in einer Wohnung befindet.
 
Frage: Also hat Brigitte Zypries Ihnen vors Schienbein getreten?
 
Uhl: Das hat sie nicht, sondern sie hat die gegenteilige Rechtsauffassung wie so oft vertreten, indem sie sagt, Nein, nein, Online-Durchsuchungsrecht ist das eine, und Hausbetretungsrechte sind etwas anderes. Das ist ein eigenständiger Eingriff. Nach Artikel 13 des Grundgesetzes muss man die Rechtsgrundlage erst mal schaffen. Wir müssen das Grundgesetz ergänzen, und das hätte wieder monatelangen Streit bedeutet. Deswegen haben wir gesagt, dann verzichten wir auf das Betretungsrecht und versuchen es so, wie die Techniker uns sagen, dass es möglicherweise auch geht, ohne die Wohnung zu betreten an den Computer heranzukommen durch Aufspielen einer Software. Fragen Sie mich nicht, wie das technisch geht. Ich bin Jurist und kein Computertechniker.
 
Frage: Das heißt also, diese Entscheidung, die gestern Abend getroffen worden ist, ein Kompromiss zwischen den beiden, Wolfgang Schäuble und Brigitte Zypries, könnte zur Folge haben, dass es keinen Weg gibt, nun auf diese Festplatten zu kommen, auf diese Festplatten einen Trojaner zu installieren?
 
Uhl: Wenn das das Ergebnis wäre, dass technisch der Zugriff nicht möglich ist, obwohl er rechtlich nach den Spielregeln des Bundesverfassungsgerichts zulässig wäre, dann müssten wir in der Tat das Gesetz nachbessern, weil wir sonst einen Placebo-Paragrafen geschaffen hätten, dass man sagt, ihr dürft auf einen Computer unter bestimmten Bedingungen zugreifen, aber technisch geht das nicht, weil ihr nicht in die Wohnung reinkommt. Das wäre natürlich dann grober Unfug.
 
Frage: Und was würde dann passieren?
 
Uhl: Dann müsste man den Paragrafen so ergänzen, dass er in der Rechtswirklichkeit auch umgesetzt werden kann.
 
Frage: Gegen die Justizministerin?
 
Uhl: Mit der Justizministerin, weil die Dame ja nicht dumm ist. Wenn man ihr sagt, du hast ja zugestimmt zu einer Online-Durchsuchung, die aber im Rechtsleben niemals vorkommen kann, weil man nicht die Wohnung betreten kann, dann wird sie zustimmen, dass man die Gesetze so ändert, dass man die Wohnung betreten kann.
 
Frage: Herr Uhl, wenn Ihr Unionsfraktionskollege Clemens Binninger sagt, jetzt haben wir ein stumpfes Schwert, haben Sie dann Schwierigkeiten zu sagen, das stimmt nicht?
 
Uhl: Ob das Schwert eine scharfe Klinge oder eine stumpfe Klinge hat, werden die technischen Möglichkeiten zeigen. Das kann er nicht entscheiden, kann ich nicht entscheiden. Wir werden den ersten Fall sicher irgendwann haben, wo das Bundeskriminalamt eine Online-Durchsuchung ohne Betreten der Wohnung umsetzen wird. Und dann werden die uns berichten, ob es ihnen gelungen ist, ohne die Wohnung zu betreten, oder nicht. Dann werden wir wissen. Ust das Schwert scharf oder stumpf?
 
Frage: Es gibt ja schon einiges Rumoren nun auch in der Unionsfraktion. Das hört man zumindest von unseren Korrespondenten, die sich im Bundestag umgeschaut und umgehört haben. Ist es so, dass bis zu einem gewissen Grad zumindest die Sozialdemokraten angemessene innere Sicherheitspolitik blockieren?
 
Uhl: Wir hätten es gerne anders gehabt, aber wir haben uns jetzt gemeinsam für diesen Weg entschieden, dass man auf das Betreten der Wohnung verzichtet. Natürlich sind es bei einigen auch Nachhutgefechte, die eigentlich die Online-Durchsuchung nie wollten und jetzt hoffen, dass man sie dadurch unterlaufen kann, indem man das Betreten der Wohnung rechtlich unzulässig macht. Diese Meinung wird sicher auch vertreten, aber wie gesagt. Mich regt das nicht auf, weil ich wissen will von den Praktikern, ob sie mit dem nunmehr geschaffenen Kompromiss eine Online-Durchsuchung legal durchführen können oder nicht. Das wird die Praxis zeigen.
 
Frage: Nun geht man von außen betrachtet, Herr Uhl, ja in der Regel davon aus, wenn ein solcher Kompromiss gefunden worden ist, wenn diese Regelung nun neu auf dem Tisch liegt, dass diese Gespräche, inwieweit das in der Praxis dann auch tatsächlich umgesetzt werden kann, schon längst geführt worden sind.
 
Uhl: Ja, die Gespräche sind natürlich geführt worden.
 
Frage: Aber Sie wissen die Antwort noch nicht?
 
Uhl: Doch, die sind geführt worden und da ist uns gesagt worden von den Technikern, wenn wir die Wohnung betreten können ist es gut. Wenn wir sie nicht betreten können, gibt es für uns auch Wege, um an den Computer ranzukommen. Das ist der Stand der Dinge. Jetzt wird sich zeigen, ob das reicht, ob das stimmt, was die gesagt haben.
 
Frage: Wolfgang Bosbach hat gestern von Erfindungsreichtum gesprochen, den wir jetzt beim BKA brauchen.
 
Uhl: Ja, das ist doch immer gut.
 
Frage: Reicht das für die Politik?
 
Uhl: Jeder Fahnder, jeder Ermittler braucht Erfindungsreichtum, braucht einen Jagdinstinkt, wenn er schwerste Verbrechen aufdecken will und verhindern will. Das ist deren Beruf. Natürlich brauchen sie Erfindungsreichtum.
 
Frage: Herr Uhl, noch ein anderer Punkt. Finden Sie es richtig, dass die vom BKA dann gesammelten Daten, wir gehen jetzt mal davon aus, dass dies tatsächlich vielleicht funktionieren könnte, dann nicht weitergegeben werden dürfen an die Geheimdienste?
 
Uhl: Ich bin der Auffassung, dass die Daten an die weitergegeben werden müssen, die für die Sicherheit unserer Bürger Verantwortung tragen.
 
Frage: Sind das auch die Geheimdienste?
 
Uhl: Natürlich sind das auch die Geheimdienste.
 
Frage: Also sollen die Geheimdienste die Daten bekommen vom BKA?
 
Uhl: Der Auffassung bin ich schon, wenn sie in gleicher Sache tätig sind und zuständig sind.
 
Frage: Wenn wir das richtig verstanden haben, ist das aber jetzt nicht vorgesehen.
 
Uhl: Eine Weitergabe ist dem Grunde nach schon vorgesehen. Im Detail wird darüber noch geredet werden.
 
Frage: Also darauf wird die Fraktion noch Wert legen, dass das zumindest dann umgesetzt werden kann?
 
Uhl: Ja.

Die Fragen stellte Dirk Müller
 
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