Gastkommentar in der Tageszeitung „Die Welt“

Der Kampf gegen den Antisemitismus sollte über alle politischen Unterschiede hinweg ein einigendes Band aller im Bundestag vertretenen Parteien sein. Umso bedauerlicher ist es, dass Einzelne in der Bundestagsfraktion der Linken eine gemeinsame Erklärung gegen jegliche Form des Antisemitismus durch ihr Verhalten unmöglich machen. Solange die Linkspartei hier nicht für Klarheit gesorgt hat, darf es mit ihr keinen faulen Burgfrieden geben, meint Hans-Peter Uhl seinem Gastkommentar für die Tageszeitung „Die Welt“

Nach Darstellung der Linkspartei ist es eine klare Sache: Sie selbst ist die treueste Vorkämpferin gegen rechts und damit auch gegen den Antisemitismus, der von Natur aus rechtsextrem sei. Die Linke versteht sich ohne jeden Selbstzweifel in "antifaschistischer" Tradition. Wer hingegen weniger links ist als die Linke, steht wie von selbst im Verdacht, dem Rechtsextremismus zuzuneigen - das gilt natürlich insbesondere für die Unionsparteien.

Derselbe "Antifaschismus" marxistischer Provenienz hat noch eine weitere, sehr zweifelhafte Tradition begründet, die von Mandatsträgern der Linkspartei sorgsam gepflegt wird - ein aggressiver Antizionismus, der sich in einseitiger Schmähkritik am Staat Israel und in "antiimperialistisch" gefärbter Parteinahme für "das palästinensische Volk" gefällt. Die Linke hat keine Scheu, auf radikal israelfeindlichen Demonstrationen Schulter an Schulter mit Hamas- und Hisbollah-Anhängern zu marschieren - nachweislich geschehen in Person der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und Cornelia Hirsch (Juli 2006). In der Linken darf Israelkritik in Form von Nazi-Gleichsetzungen geäußert werden - so sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke, dem "Bild des kleinen jüdischen Jungen im Warschauer Getto" entspreche heute das Bild "von palästinensischen Jungen vor anderen Gewehrläufen" (April 2008). In der Linken gehören offenbar "antifaschistische" Äußerungen zum Repertoire, die von antisemitischen Klischees kaum zu unterscheiden sind. So diffamierte der Bundestagsabgeordnete Norman Paech Investitionshilfen für das Westjordanland: Sie "dienten vor allem israelischem und internationalem Kapital als Investitionsmöglichkeit zur Beschäftigung billiger palästinensischer Arbeitskräfte" (April 2008).

Unverkennbar verfolgt die Linke eine perfide Doppelstrategie: Sie fordert einerseits die historisch-moralische Führungsrolle im "Kampf gegen rechts". Andererseits bedient sie mit andeutungsreicher Israelkritik judenfeindliche Vorurteile, um antisemitische Stimmungen und Stimmen auf die eigenen Mühlen zu lenken. Der Kampf gegen den Antisemitismus sollte über alle politischen Unterschiede hinweg ein einigendes Band aller im Bundestag vertretenen Parteien sein. Umso bedauerlicher ist es, dass Einzelne in der Bundestagsfraktion der Linken eine gemeinsame Erklärung gegen jegliche Form des Antisemitismus durch ihr Verhalten unmöglich machen. Solange die Linkspartei hier nicht für Klarheit gesorgt hat, darf es mit ihr keinen faulen Burgfrieden geben.

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