Rede zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bürgerschaftliches Engagement bereichert überall in unserem Land die Gesellschaft. Die Menschen kümmern und sorgen sich um eine gute Nachbarschaft, um Projekte und um Vorhaben, ohne die eine Gesellschaft in sozialem Zusammenhalt nicht gelingen könnte. Viele Projekte sind in den letzten Jahren entstanden. Zu denken ist an Initiativen für Kindertagesstätten, Gaststätten und Vereinslokale, die sonst geschlossen wären. Zu denken ist an Initiativen für Investitionen in Blockheizkraftwerke und Windräder, aber auch an den klassischen Dorfladen, der die Versorgung gerade auf dem Land und in Stadtteilen verbessert.

Die konkrete Frage, vor der die Menschen stehen, ist eine ganz praktische: Welche Rechtsform sollen wir für diese Initiativen wählen? Klar ist für uns: Das Recht soll den Menschen und ihren Projekten dienend zur Seite stehen. Deswegen darf es nicht zu formal sein wie bei einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Aber auch eine persönliche Haftung wie bei einer BGB-Gesellschaft muss für diese Menschen ausfallen, weil sie schlichtweg nicht zumutbar ist. Es geht den Menschen, die sich engagieren, nicht um den persönlichen Ertrag, sondern es geht ihnen um den Gewinn für das Gemeinwesen. Das unterstützen wir.

Wir haben uns deswegen zu fragen, ob wir nicht eine neue Rechtsform einführen sollten. Ich glaube aber, dass wir eines mit Fug und Recht festhalten können: Es besteht in diesem Land kein Mangel an Rechtsformen. Die Einführung einer weiteren neuen Gesellschaftsform wäre nicht unbedingt ein wesentlicher Beitrag zum Bürokratieabbau.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist deswegen richtig, die Lösung für die Probleme in den bestehenden Rechtsformen zu suchen. Es ist richtig, dass dieser Gesetzentwurf zunächst einmal das Vereinsrecht in den Blick nimmt. Wirtschaftliche Vereine können tatsächlich eine taugliche Rechtsform sein, um die beschriebenen Projekte, um gerade bürgerschaftliches Engagement auch rechtlich abzusichern, gerade dann, wenn eine Kapitalgesellschaft oder eine größere Gesellschaft nicht zumutbar erscheint.

Deswegen mein Appell bereits jetzt, zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens: Lassen Sie uns die Zulassung für Wirtschaftliche Vereine unbürokratisch handhaben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie uns gerade auf Länderebene den Ländern die entsprechende Möglichkeit geben, diese Vereine schnell gründen zu lassen.

Und ja, es ist richtig, dass auch die Genossenschaften gestärkt werden. Genossenschaften sind die ideale Rechtsform für Kooperationen, für Gemeinsinn und Zusammenhalt. Sie sind vielleicht die am demokratischsten verfasste Rechtsform, weil jeder Genosse eine Stimme hat, egal wie viele Kapitalanteile er einbringt, und weil jeder, der Verantwortung trägt, im Aufsichtsrat und im Vorstand, auch Mitglied dieser Genossenschaft sein muss. Das ist Selbstverantwortung aus sich selbst heraus.

Deswegen ist es richtig, dass wir die Gründung von Genossenschaften erleichtern

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

und zulassen, dass Mitglieder Kleindarlehen an ihre Genossenschaften vergeben und damit finanzielle Verantwortung für die eigene Idee übernehmen. Ich glaube, das sind gute Lösungen für ein modernes Genossenschaftswesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir zukünftig mit den Prüfungen umgehen. Im Genossenschaftsrecht ist vorgeschrieben, dass jede Genossenschaft eine verpflichtende Prüfung durch den Genossenschaftsverband zu erdulden hat. Diese Prüfung ist im Kern richtig, weil wir die Lauterkeit und das Funktionieren des Genossenschaftswesens irgendwie überprüfen müssen. Die geringe Insolvenzrate von Genossenschaften – sie ist in dieser Rechtsform so gering wie in keiner anderen – zeigt, dass dieses genossenschaftliche Prüfungswesen seinen Sinn und Zweck nicht verfehlt hat. Deswegen lassen Sie uns in Ruhe und besonnen überlegen, wie wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Prüfungen in Zukunft regeln. Ich glaube, wir müssen einen Mittelweg finden zwischen möglichen Erleichterungen für kleine Genossenschaften einerseits und den für das Vertrauen in diese Rechtsform notwendigen Prüfungen andererseits.

Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf ein Appell an eine ein Stück weit stärker gemeinwohlorientierte Wirtschaftspolitik in den Stadteilen und in den ländlichen Räumen. Das ist ein Gesetzentwurf für gute Nachbarschaft und Zusammenhalt in diesem Land. Lassen Sie uns das angehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Druckversion