Im Interview mit Gunther Hartwig, Südwestpresse

Die Koalition steht weder vor dem Aus, noch mangelt es ihr für die zweite Hälfte der Wahlperiode an Arbeit, sagt Peter Ramsauer, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Oberste Priorität hat für die Union die Senkung der Arbeitslosenversicherung.

Frage:
Geht der Koalition zur Halbzeit der Wahlperiode die Puste aus?

Peter Ramsauer:
Definitiv nicht. Auch wenn in der Öffentlichkeit bisweilen der Eindruck von Zerstrittenheit entsteht, kann ich nur sagen: Wir haben in den zurückliegenden zwei Jahren schon wesentlich schwierigere Phasen überstehen müssen, zum Beispiel bei der Gesundheitsreform. Es liegt in der Natur einer Großen Koalition, dass wir in Einzelfragen auseinander liegen.

Frage:
Das Arbeitsprogramm der Koalition ist also noch nicht erledigt?

Peter Ramsauer:
Nein. Es gibt noch eine Menge zu tun, und der gute Wille ist auf beiden Seiten vorhanden. Der Katalog offener Punkte reicht von der Umsetzung des Ausbaus der Kinderbetreuung und der Pflegereform über die Erbschaftsteuer bis zur Föderalismusreform II. In 90 Prozent dieser Fragen haben wir bereits heute eine gemeinsame Grundlage.

Frage:
Die Eckpunkte zur Erbschaftsteuer sind nicht der große Wurf. Muss da nachgebessert werden?

Peter Ramsauer:
Wir sind mit großer Euphorie an dieses Projekt gegangen, um vor allem den Erhalt von Familienbetrieben und Arbeitsplätzen im Vererbungsfall zu garantieren. Dann kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bewertungspraxis im Erbschaftsrecht dazu, so dass wir beide Themen miteinander verknüpfen mussten. Das mögen Sie jetzt nicht als den großen Wurf ansehen, aber es ist das, was in dieser Koalition möglich ist. Uns kommt es besonders darauf an, dass mittelständische Unternehmen und auch landwirtschaftliche Familienbetriebe bei Vererbung nicht höher veranlagt werden als bisher. Das ist gesichert.

Frage:
Im Streit um die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I geht es in der Koalition munter durcheinander, auch die CSU ist sich hier nicht einig. Wie soll da am Montag ein Kompromiss gefunden werden?

Peter Ramsauer:
Dieses Problem wird in der Öffentlichkeit völlig überbewertet. Es handelt sich um ein kleines Teilgebiet, eine Detailfrage der Arbeitslosenversicherung, mehr nicht. Wir müssen in der Koalition entscheiden, was sinnvoller ist: Wollen wir, wie die SPD, in die Arbeitslosigkeit investieren und Älteren länger Arbeitslosengeld zahlen, oder investieren wir positiv in die Schaffung neuer Arbeitplätze, indem wir die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung so weit wie möglich absenken? Für die Union hat die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags oberste Priorität.

Frage:
Warum?

Peter Ramsauer:
Wir sollten die Solidarität der 27 Millionen Arbeitnehmer, die morgens aufstehen und einen ganzen Tag lang schuften, nicht überstrapazieren, um wenigen Hunderttausend ALG I-Empfängern Gutes zu tun. Das wäre nach meiner Meinung nicht leistungsgerecht. Wenn es kostenmäßig möglich ist, innerhalb des Systems Mittel umzuschichten, kann man von mir aus darüber reden.

Frage:
Wie lange will die Politik dem Preisgebaren der Stromriesen noch tatenlos zuschauen?

Peter Ramsauer:
Ich rate dazu, sich die Gefechtslage auf dem Stromsektor genau anzusehen. Der Strompreis, wie er beim Endverbraucher ankommt, wird zu 40 Prozent durch den Staat verursacht, 30 Prozent sind Durchleitungskosten, die schon heute streng durch die Bundesnetzagentur kontrolliert werden, zehn Prozent sind Vertriebskosten und nur 20 Prozent Produktionskosten, also echter Wettbewerbsanteil. Wenn die Politik auf die Stromkonzerne weist, deutet mindestens ein Finger also auf uns selbst. Aber es stimmt, dass die Anbieter auf dem Strommarkt quasi als Monopolisten auftreten und ihre Chance nutzen, aus diesem Markt einen Preis herauszuholen, der über jedes kalkulatorische Maß hinausgeht.

Frage:
Und was tun Sie dagegen?

Peter Ramsauer:
Wir sind gerade dabei, das Wettbewerbsrecht zu verschärfen, um die Marktaufsicht zu stärken und Missbrauch strenger zu ahnden. Die Konzerne müssen wissen, dass sie sich nicht alles leisten können, sonst drohen ihnen Eingriffe, wie sie die EU-Kommission plant. Jedoch halte ich genau wie Bundeswirtschaftsminister Glos die Brüsseler Forderung, den Stromanbietern die Netze wegzunehmen, für ordnungspolitisch falsch.

Frage:
Hat die CSU nach der Neuaufstellung in München in der Berliner Koalition an Gewicht verloren?

Peter Ramsauer:
Diese Befürchtung ist nach der Wahl von Günther Beckstein zum Ministerpräsidenten und von Erwin Huber zum Parteivorsitzenden verstummt. Beide sind ja auch keine Neulinge in der Bundespolitik. Erwin Huber ist als Teilnehmer an den Koalitionsrunden nur in neuer Funktion auf die Berliner Bühne zurückgekehrt.

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