Rede zu Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, verändert sich zum Teil von Grund auf. Die Umbrüche sind zum Teil gravierend. Wir stecken schon mitten in diesem Prozess. Maßgeblicher Treiber ist das, worüber wir heute diskutieren, nämlich die Digitalisierung. Sie wird die gegenwärtigen Systeme und Geschäftsmodelle über viele Jahre – vielleicht sogar unumkehrbar – weiterentwickeln. Sie bietet sicherlich ganz neue Möglichkeiten in vielen Bereichen des Lebens. So können ältere Menschen durch Smart-Home-Technologie länger zu Hause leben oder kann das Wort für Gehörlose noch sichtbarer gemacht werden. All das ist möglich. Wir wissen aber noch gar nicht, wie stark die Auswirkungen auf jeden Einzelnen abstrahlen werden.

Für die Arbeitswelt werden einige Punkte kennzeichnend sein. Die Arbeit wird flexibler werden. Moderne Kommunikationsmittel ermöglichen, zeitlich und örtlich ungebundener seiner Arbeit nachzugehen. Das ist eine große Chance gerade für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein familienfreundliches Arbeitsleben ist die Basis für Motivation und Bindung an ein Unternehmen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für Arbeitnehmer zunehmend zu einem Ausschlusskriterium bei der Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen. Des Weiteren wird sich die Bezahlung stärker daran orientieren, welche Arbeitsergebnisse erzielt werden. Die sich verändernden Organisationsstrukturen erfordern, Arbeit verstärkt anlass- und themenbezogen zu organisieren und Teams zusammenzustellen. All das beschreibt die sich durch die Digitalisierung verändernde Arbeitswelt.

Gerade das mobile Arbeiten eröffnet Arbeitnehmern die Chance, eine neue Balance zwischen Erwerbsarbeit auf der einen Seite und Familie und Freizeit auf der anderen Seite zu finden, mehr Verantwortung, insbesondere mehr Eigenverantwortung, zu übernehmen, und es eröffnet die Chance, Hierarchien flacher zu gestalten. Das ist doch durchaus attraktiv. Wenn wir endlich von monotoner Arbeit und körperlich belastenden Tätigkeiten durch Assistenzsysteme loskommen, dann hilft das vor allem älteren Arbeitnehmern oder Menschen mit Handicap.

Wer nun die schöne alte Welt konservieren will, der wird sicherlich den Anschluss verpassen, der wird die Chance der Digitalisierung nicht nutzen, und dann werden Wertschöpfung und Wohlstand nicht mehr in diesem Maße in Deutschland stattfinden. Deshalb hat die Gesellschaft die Aufgabe, den Wandel nicht hinzunehmen, sondern aktiv zu gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die großen Potenziale der Digitalisierung müssen nach Möglichkeit allen Menschen gleichermaßen zugutekommen. Dabei setzen wir auf bewährte Prinzipien: Leistung und Sozialpartnerschaft, Chancengerechtigkeit und Solidarität. Das sind die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Diese bleiben Richtschnur. Wir werden die Digitalisierung sozial gerecht gestalten.

Digitalisierte Arbeitswelt braucht starke Sozialpartner, einen fairen Interessensausgleich, und deshalb werden Tarifverträge auch weiterhin eine zentrale Rolle einnehmen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt mal konkret!)

Aber natürlich rufen auch die Unternehmen verstärkt nach Flexibilität. Es ist natürlich etwas daran, Arbeitszeitrecht zu hinterfragen und vorsichtig zu öffnen. Darauf setzt auch das Bundesarbeitsministerium mit Experimentierräumen. Wir könnten da durchaus mutiger sein; aber wir müssen uns immer klar sein: Wir brauchen weiterhin genügend Raum für Familie, für Freizeit und Erholung. Erwerbsarbeit ist wichtig und gut, aber sie ist im Leben nicht alles.

(Beifall der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen müssen wir darauf achten, dass wir auch genügend Räume für Familie, Erholung und Pausen für Kreativität haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur dann wird Kreativität entstehen. Wir müssen Räume für individuelle Lösungen eröffnen, für die Unternehmen gleichermaßen wie für die Arbeitnehmer. Das ist unsere große Aufgabe. Ich traue uns zu, dass wir in diesem Rahmen einen fairen Interessensausgleich hinbekommen.

Ein zweiter Aspekt: Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Je mehr Freiheiten die Menschen haben, desto mehr wird auch der Aspekt der Eigenverantwortung in den Mittelpunkt rücken. Das gilt auch für den Arbeitsschutz. Deswegen müssen wir gerade die Fähigkeit zur Eigenverantwortung stärken.

Gute Aus- und Weiterbildung ist mein dritter Punkt. Die duale Berufsausbildung hat sich mit ihrer hohen Anpassungsfähigkeit durchaus bewährt. Sie wird auch bei der Digitalisierung Erfolgsmodell bleiben müssen. Ausbildungsordnungen müssen sicherlich überprüft werden, insbesondere aber muss die digitale Kompetenz gestärkt werden. Ich meine damit die Fähigkeit zur Selbstorganisation jedes Einzelnen, Eigenschaften wie Selbstbestimmung, Verantwortungs- und Sicherheitsbereitschaft, aber auch Zuverlässigkeit. Natürlich müssen wir auch den Grundsatz des lebenslangen Lernens stärker in den Blick nehmen.

Die Verantwortung hierfür liegt bei jedem Einzelnen, bei den Arbeitnehmern wie auch bei den Unternehmen selbst. Sie wollen wir in ihrer Eigenverantwortung unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei hilft nicht die Schablone, sondern dabei helfen passgenaue Lösungen. Dafür wollen wir die Stärken der Bundesagentur für Arbeit nutzen. Es gilt, die Unternehmen und die Beschäftigten verstärkt für das Thema Weiterbildung zu motivieren. Die Begleitung der Beschäftigten gerade an den Übergängen und Wechseln im Arbeitsleben ist und bleibt die zentrale Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit, die Beratung und gezielte Förderung.

Transparenz bei den Weiterbildungsangeboten zu schaffen, darin sehe ich die zentrale Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. Sie muss eine Lotsenfunktion haben, aber darf keine staatliche Weiterbildungsbehörde werden. Das genau wird die Bundesagentur für Arbeit nicht sinnvoll ausfüllen können. Die Betriebe, die Unternehmen und jeweils der einzelne Mensch brauchen individuelle Lösungen. Das schaffen wir nicht durch Schablonen und staatliche Behörden. Wir müssen ganz subsidiär bei den Unternehmen ansetzen und diese stärken und weiterentwickeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Digitalisierung ist eine große Chance, weil sie vor allem die Menschen mit ihren Fähigkeiten, mit ihren Begabungen in den Mittelpunkt rückt. Genau diese Fähigkeiten und Begabungen als Informations- und Wissensarbeiter gilt es zu stärken. Wir müssen klären, wie wir es schaffen, Informationen stärker zusammenzuführen, Lösungen schnell zu entwickeln. Das hat natürlich Auswirkungen nicht nur auf die Organisation in Betrieben, sondern auch darauf, wie wir miteinander kommunizieren, welche Fähigkeiten wir in der Kommunikationsstruktur und im Kommunikationsverhalten mitbringen. Die Digitalisierung ist eine große Chance für uns, Wertschöpfung in diesem Land zu sichern, zu erhalten und auszubauen, aber auch, mehr Flexibilität gerade im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Daran arbeiten wir.

Ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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