Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Thomas Silberhorn zur Belarus-Politik, 8.11.2023:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ja, es ist Zeit geworden, dass wir uns in diesem Plenum über Belarus austauschen können. Wir haben unseren Antrag dazu bereits im Januar vorgelegt und zur Diskussion gestellt.

Die Regierungsfraktionen haben ihn im Ausschuss abgelehnt.

Und jetzt, im November, zehn Monate später, haben sie einen eigenen Antrag vorgelegt, den sie aber nicht zur Diskussion gestellt haben. Zu Änderungen waren sie nicht bereit.

Ja, sicherlich wäre ein fraktionsübergreifender Antrag zu diesem Thema besser gewesen. Aber dann hätten Sie Ihr parteipolitisches Kalkül in diesem Fall hintanstellen müssen, meine Damen und Herren.

Aber Sie können unserem Antrag nachher ja noch zustimmen und dadurch Einigkeit wiederherstellen.

Es ist erfreulich, dass heute die Vertreter des Vereinigten Übergangskabinetts von Belarus unter uns sind. Auch ich darf Sie herzlich willkommen heißen. Ich freue mich insbesondere über das Wiedersehen mit Swetlana Tichanowskaja. Sie sind an der Spitze der Delegation, und es ist schon angesprochen worden: Sie sind die legitime Gewinnerin der Präsidentschaftswahlen von 2020 in Belarus, und Sie sind weiter die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die Mehrheit der Bevölkerung von Belarus. Wir wollen Sie auf Ihrem Weg unterstützen und mit Ihnen die gesamte demokratische Bewegung in Belarus.

Meine Damen und Herren, Diktator Lukaschenka herrscht gegen den mehrheitlichen Willen seiner Bevölkerung. Bei den massiv gefälschten Präsidentschaftswahlen hat die Mehrheit der Bevölkerung einen demokratischen Wandel befürwortet. Aber das Recht auf eine freie und gleiche Wahl hat man ihnen verwehrt. Lukaschenka hat mit Sturmgewehr in der Hand das Begehren der Bürger mit Gewalt unterdrückt: durch willkürliche Verhaftungen, durch Schauprozesse und durch das Verbot von Hunderten unabhängiger Zivilorganisationen.

Um seine Macht zu sichern, verfolgt er weiter die demokratische Opposition. Und er begibt sich zusehends in Abhängigkeit von Russland. Lukaschenka unterstützt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Worten und mit Taten, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung in Belarus gegen eine Parteinahme zugunsten Russlands in diesem Konflikt ist. Er hat zugelassen, dass russische Truppen von Belarus aus die Ukraine angreifen, dass regelmäßig russische Raketen von belarussischem Territorium auf die Ukraine abgefeuert werden, dass russische Söldner und sogar russische Atomwaffen in Belarus stationiert werden. Für seine Willfährigkeit gegenüber Putin erhält er russische Kredite. Die bremsen zwar den rasanten Abschwung der Wirtschaft in Belarus, aber sie zementieren gleichzeitig die weitere Abhängigkeit von Russland. Den Preis dafür zahlt die belarussische Bevölkerung. Lukaschenka degradiert sein Land zu einem russischen Vasallen und setzt damit die Souveränität und Unabhängigkeit von Belarus aufs Spiel.

Wie gehen wir damit um? Für uns ist klar:

Erstens. Eine De-facto-Annexion von Belarus durch Russland werden wir nicht anerkennen.

Wir treten dafür ein, die Souveränität von Belarus zu erhalten.

Zweitens. Wir unterstützen die Sanktionen der Europäischen Union, die gezielt gegen Lukaschenka und seinen Machtapparat gerichtet sind, um nicht die Bevölkerung selbst in Mitleidenschaft zu ziehen.

Und drittens. Wir sind bereit, den demokratischen Wandel in Belarus zu stärken. Dieser Wandel kommt aus der Mitte der Gesellschaft und wird insbesondere von der jungen Generation getragen.

Ich wünsche der Demokratiebewegung in Belarus und insbesondere Ihnen, Frau Tichanowskaja, und Ihrem Übergangskabinett viel Kraft und Zuversicht für Ihre schwierige Aufgabe. Ich will erwähnen, dass morgen, am 9. November, der Jahrestag unter anderem des Falls der Berliner Mauer ist. Das war der Anfang vom Ende der letzten deutschen Diktatur. An diesem Tag ist für alle Welt sichtbar geworden, wie fragil ein Regime ist, das den Rückhalt in seiner Bevölkerung verloren hat, und wie schnell es implodieren kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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