Post-Cotonou-Verhandlungen als Chance nutzen – Für ein neues EU-Afrika-Abkommen

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr in der Beek, ich will Ihnen zunächst in zwei Punkten recht geben: Zum einen ist es gut, dass wir heute Gelegenheit haben, über Afrika zu reden – auch wenn es zu später Stunde geschieht. Zum Zweiten will ich Ihnen recht geben bezüglich der Aussage, dass wir eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union brauchen, was die Afrika-Politik anbelangt. Das muss intensiver gestaltet werden. Aber daran arbeiten wir bereits; denn anders werden wir die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch nicht bewältigen können.

Wir tun zwar schon viel über die Mittel im EU-Haushalt und über den EEF hinaus. Wir engagieren uns in verschiedenen Fonds. Ich nenne als Beispiel den Afrika-Nothilfefonds und den Bêkou-Fonds für Zentralafrika. Aber das reicht nicht. Wir müssen unsere Anstrengungen in der Tat europäisieren.

Deshalb hat das BMZ das Thema Afrika nicht nur im Koalitionsvertrag verankert, sondern auch ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt; denn uns ist es wichtig, die enormen Potenziale, die Afrika bietet, sozusagen mit dem Marshallplan mit Afrika kenntlich zu machen. Afrika ist jung, Afrika ist reich an Ressourcen, verfügt über enorme Bodenschätze und große Agrarflächen, und Afrika wird im Jahre 2035 das größte Arbeitskräftepotenzial der Welt haben. Überdies steigt die Wirtschaftsleistung auf diesem Kontinent stärker als in vielen anderen Regionen. Diese Potenziale gilt es zu heben. Wir wissen aber auch, dass wir riesige Herausforderungen haben.

Allein bis zum Jahre 2050 wird sich durch das hohe Bevölkerungswachstum die Bevölkerung verdoppelt haben. Eben das führt auch zu einer hohen Jugendarbeitslosigkeit. Deshalb wissen wir alle: Wir bräuchten eigentlich 20 Millionen neue Jobs pro Jahr, um die jungen Menschen in Arbeit zu bringen.

Zudem ist es so, dass die Wertschöpfung in Afrika in der Regel woanders geschieht. Afrika ist überwiegend Rohstofflieferant. Dazu kommen illegale Finanzströme, Steuerhinterziehung, Korruption, die zu leeren öffentlichen Kassen führen. Deshalb arbeiten wir daran, die Chancen für die Menschen in Afrika zu verbessern. Dazu braucht es einen Wandel, und dazu braucht es riesige Investitionen.

Laut Afrikanischer Entwicklungsbank sind allein 170 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Infrastrukturinvestitionen notwendig. Alle Geber zusammen geben aber nur 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr; das reicht also bei weitem nicht aus. Deshalb brauchen wir eine Hebelung der Investitionen, und dafür brauchen wir mehr Engagement der Privatwirtschaft und mehr innerafrikanischen Handel. Außerdem brauchen wir eine neue EU-Handels­politik mit einer vollständigen Marktöffnung für landwirtschaftliche Produkte. Auch deswegen arbeiten wir an der Initiative „African Mittelstand“. Da passt es gut, dass mein Kollege Thomas Bareiß vom Wirtschaftsministerium gerade heute erklärt hat, dass die Bundesregierung die Investitionsbedingungen für mittelständische Unternehmen aus Deutschland verbessern wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Freitag [SPD])

Die EU-Institutionen und ihre Mitgliedstaaten sind die größten Geber weltweit für Afrika. Auch da besteht ein großer Hebel, den wir nutzen sollten. Wir packen das an mit dem sogenannten External Investment Plan, EIP. 4 Milliarden Euro werden aus EU-Geldern eingesetzt, und daraus entstehen 40 Milliarden Euro an Investitionen. Das ist ein Beispiel, wie wir Hebel auch auf europäischer Ebene besser einsetzen können.

Wir haben jetzt, meine Damen und Herren, die Chance, Einfluss zu nehmen; denn jetzt wird über den mehrjährigen Finanzrahmen verhandelt. Das geschieht nur alle sieben Jahre. Jetzt geht es um die Post-Cotonou-Abkommen als neue Grundlage für die EU-Afrika-Beziehungen. Da müssen wir erreichen, dass die Afrika-Säule gestärkt wird, mit doppelt so vielen Mitteln wie bisher und einer Budgetierung des EEF, und mit einem Leitmotiv, nämlich 20 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und stoppen Sie die EPAs!)

Deshalb – noch einmal – gilt die Devise: Jobs, Jobs, Jobs und nochmals Jobs, und das am besten mit einer Afrika-Strategie.

Das versuchen wir erstens auf nationaler Ebene zu erreichen. Es ist nämlich nicht nur eine BMZ-Aufgabe, sondern eine Aufgabe der gesamten Bundesregierung, eine nachhaltige Entwicklung abgestimmt über alle Ressorts hinweg zu initiieren. Gleichzeitig arbeiten wir an einem Entwicklungsinvestitionsgesetz, das wir auf den Weg bringen wollen, um deutschen Investoren dort bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.

Zweitens. Auf EU-Ebene gilt dasselbe; auch dort setzen wir uns für eine Politikkohärenz in der Entwicklung ein. Mit einer Afrika-Politik erreicht man wesentlich mehr. Mein Minister, Gerd Müller, sagt immer wieder: Wir müssen den Marshallplan mit Afrika europäisieren. Finanziert werden soll er nach seinem Vorschlag mit einer Finanztransaktionsteuer. Überdies hat Minister Müller beim letzten EU-Entwicklungsministerrat einen Fünf-Punkte-Plan mit klaren Eckpunkten vorgelegt. Punkt eins: mehr Privatinvestitionen. Punkt zwei: Erhöhung der Eigeneinnahmen der afrikanischen Staaten. Punkt drei: EU-Haushaltsschwerpunkte für Entwicklung, Frieden und Wirtschaft. Punkt vier: Neugestaltung der Handelsbeziehungen. Und Punkt fünf: Ausbau der institutionellen Zusammenarbeit, sprich: Einrichtung eines ständigen EU-Afrika-Rates.

Darüber hinaus will ich nochmals erwähnen, meine Damen und Herren, dass Entwicklungszusammenarbeit immer auch Friedenspolitik ist. Wir engagieren uns in diesem Zusammenhang mit 2 Milliarden Euro pro Jahr allein für zivile Krisenprävention und Friedensförderung, und wir legen Wert darauf, dass Entwicklungsgelder nicht für militärische Zwecke verwandt werden dürfen. Auch da müssen wir darauf achten, dass diese Grenzen im künftigen EU-Haushalt nicht verwischt werden.

Eines ist für uns klar: Grundlage unserer gesamten Entwicklungszusammenarbeit ist es, die Würde der Menschen überall auf der Welt zu achten, und zwar unabhängig von der Zufälligkeit ihres Geburtsortes. Viele von uns haben das Glück, hier geboren worden zu sein;

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Aber die schätzen das nicht!)

das ist keine Selbstverständlichkeit. Deshalb gilt es für uns, überall dort, wo wir es können, Fluchtursachen zu bekämpfen. Das tun wir mit vielen unserer Maßnahmen, unter anderem mit einem Rückkehrprogramm, das sich sowohl an Binnenflüchtlinge als auch an Flüchtlinge richtet, die hier sind. Beides unterstützen wir nach Kräften, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Staatssekretär, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

– um damit Perspektiven zu eröffnen für Menschen, die entweder in Afrika einen Neustart suchen oder von hier aus wieder zurückkehren und dort neu starten wollen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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