Redebeitrag zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss der Debatte bleibt festzuhalten: Die Coronapandemie hat uns vor eine der größten Herausforderungen der deutschen Nachkriegszeit gestellt. Der Handlungsbedarf ist unübersehbar, ist unbestritten. Wirtschaft und Arbeitsmarkt brauchen einen Impuls für einen Restart auf breiter Front. Unser Konjunkturpaket ist dafür der richtige Ansatz, meine Damen und Herren. Wir lassen das Paket durch die Opposition auch gar nicht zerreden, weil wir überzeugt sind, dass wir den richtigen Mix gefunden haben. Auf breiter Front wird dieses Paket wirken. Wir stärken nämlich Nachfrage- und Angebotsseite gleichermaßen. Das ist die richtige Antwort auf die aktuelle Lage, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Es ist eine Antwort, die eine klare ordnungspolitische Handschrift trägt. Der Staat konzentriert sich auf die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen und auf die Anreize, und zwar ohne zu viel Bevormundung. Bürger und Unternehmen wissen ja selbst am besten, wofür sie die neuen finanziellen Spielräume nutzen wollen. Und die neuen Hilfen haben einen großen Vorteil: Sie wirken sofort, meine Damen und Herren.

Ich bin schon verwundert über das, was wir von der Opposition gehört haben.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Michelbach?

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Ja, bitte?

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Nein!)

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Eigentlich nein. – Aber gut.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Springer, bitte.

 

René Springer (AfD):

Danke, Herr Kollege. Danke, Herr Präsident. – Ich stelle eine Frage, die sich auf den Kinderbonus bezieht, also auf die 300 Euro, die ja Bestandteil des Corona-Konjunkturpakets sind. Diese 300 Euro werden ja nicht nur an Kindergeldberechtigte hier in Deutschland gezahlt, sondern auch an Kindergeldberechtigte, deren Kinder im EU-Ausland leben. Mein Kollege Sebastian Münzenmaier hat ja von der Bundesregierung erfahren, dass es sich hierbei um 90 Millionen Euro handelt, die also demnächst auf ausländische Konten überwiesen werden. Diese 90 Millionen Euro kommen zu den 2 Milliarden Euro hinzu, die seit 2015 auf ausländische Konten überwiesen wurden.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Mit ausländischen Konten kennt ihr euch ja aus! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kriegt Frau Weidel auch was davon?)

Nun haben wir das Problem, dass darunter viele Bulgaren und Rumänen sind. In Bulgarien liegt der Mindestlohn bei 1,72 Euro, und man kann sich vorstellen, dass der Kinderbonus in Höhe von 300 Euro dort eine Menge Geld ist. Eigentlich ist es das Facharbeitergehalt eines Bulgaren.

Nun ist es so: Die bayerische Landesregierung hat in den Bundesrat eine Initiative eingebracht, und zwar vor 723 Tagen, mit der sie die Indexierung des Kindergeldes gefordert hat – das heißt die Anpassung an die Lebenshaltungskosten in den Heimatländern –, also das, was wir als AfD im Übrigen auch seit zwei Jahren fordern. Meine Frage an Sie als CSU-Abgeordneter ist, ob Sie diesem Konjunkturpaket zustimmen werden, wenn dort keine Indexierung des Kindergelds für im Ausland lebende Kinder vorgesehen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Springer, bleiben Sie bitte zur Antwort stehen.

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Man bereut ja sofort, wenn man Ihnen eine Fragestellung zugesteht.

(Zuruf von der LINKEN: Dann dürfen Sie das nicht machen!)

Ich kann nur sagen: Es wundert ja, dass Sie bei einer solch ernsthaften Lage, die wir in Deutschland im Moment haben, jetzt wieder ausgerechnet mit Ausländern, mit Flüchtlingen, mit Migranten kommen. Das ist doch völlig verwerflich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Denken Sie doch an die 7 Millionen Leute, die in Kurzarbeit sind, vorrangig an die zusätzlichen 800 000 Arbeitslosen, bevor Sie hier wieder eine solche politische Agenda aufmachen.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Peinlich, Herr Kollege! – Jürgen Braun [AfD]: Unglaublich! – Weitere Zurufe von der AfD)

Sie wissen genau, dass es nicht einfach auf europäischer Ebene ist, diese Frage zu lösen, weil man eben im Binnenmarkt gleiche Verhältnisse haben muss.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sollen auf die Frage antworten!)

Ich weise zurück, dass Sie immer wieder die Schuld im Ausland, bei Migranten und Flüchtlingen suchen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Das ist billige Polemik, Herr Michelbach!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Grundsätze des Konjunkturpakets zurückkommen. Mit Verwunderung habe ich die Stellungnahme der FDP heute verfolgt.

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist ein Ablenkungsmanöver, Herr Michelbach! Ganz schwach!)

Lieber Herr Dürr, ich kann Ihnen nur sagen: Dass Sie sich jetzt ausgerechnet gegen Steuersenkungen und gegen die Stellungnahme der gesamten deutschen Wirtschaft wenden, ist schon wirklich eine besondere Bemerkung wert. Ich kann mal zitieren, Herr Dürr und liebe Kollegen aus der FDP – ich zitiere wörtlich, Herr Präsident –, aus einer Stellungnahme der acht größten Wirtschaftsverbände, also IHK, BDI, HDE und wie sie alle heißen, zur Anhörung des Finanzausschusses:

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft werden mit diesem Paket, insbesondere mit den steuerlichen Maßnahmen, wichtige Impulse gesetzt, damit die Unternehmen hierzulande wieder schnell Tritt fassen und die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise überwinden können.

So weit das Zitat, meine Damen und Herren. Es ist schon bemerkenswert, dass Sie von der FDP sich gegen die gesamte deutsche Wirtschaft wenden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Ach Quatsch! Herr Michelbach! Also wirklich! – Abg. Karsten Klein [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Lassen Sie mich auf einige Punkte näher eingehen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Michelbach, jetzt haben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP provoziert. Lassen Sie die zu?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Nein!)

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Nein, jetzt nicht mehr. Es reicht.

(Zurufe von der FDP: Oh! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die FDP muss sich auch erst mal darüber klar werden, was sie will! Die FDP weiß doch gar nicht, was sie will! – Otto Fricke [FDP]: Also wirklich, Herr Michelbach! Dass Sie Angst vor dem Kollegen der FDP haben!)

Sie haben die Mehrwertsteuersenkung kritisiert, sehr zu Unrecht; das möchte ich einmal verdeutlichen. Ich sage Ihnen: Nichts wird rascher und stärker wirken als diese sofortige Mehrwertsteuersenkung ab 1. Juli. Das sind 20 Milliarden Euro, die direkt in den Wirtschaftskreislauf gehen. Verbraucher und Wirtschaft spüren sie vom ersten Tag an. Das ist Politik, die schnell wirkt, meine Damen und Herren, und darauf kommt es jetzt an. Das ist die Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Auf der Angebotsseite erhalten die Unternehmen durch Freiräume mehr Liquidität. Vor allem die verbesserte Verlustverrechnung und die degressive Abschreibung verbreitern die finanzielle Basis und setzen auch Impulse für neue Investitionen.

Gleichzeitig setzen wir mit der Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung einen Impuls für mehr Innovation. Die Deckelung des Gesamtbeitrags zur Sozialversicherung auf 40 Prozent begrenzt zusätzlich die Arbeitskosten – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein großer Vorteil. Das alles trägt dazu bei, den Erhalt von Betrieben und Arbeitsplätzen zu sichern, meine Damen und Herren.

Damit verbunden, bekommen wir sicherlich eine hohe Neuverschuldung; das ist richtig. Aber man muss doch das große Ganze sehen,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Genau! Die FDP hat keinen Blick fürs große Ganze! – Otto Fricke [FDP]: Wie hoch soll denn die nach Meinung des Ministerpräsidenten Bayerns sein?)

und zwar das Aufschwungpaket und die notwendigen Maßnahmen in diesem Paket. Sicher sind 218,5 Milliarden Euro Neuverschuldung sehr viel, und wir sind ganz offen, das als eine Obergrenze zu sehen, die wir nicht guten Gewissens beliebig weiter aufstocken können. Aber Sie können doch letzten Endes nicht auf der einen Seite praktisch Gas geben wollen und auf der anderen Seite mit dem Fuß auf der Bremse stehen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Das ist Politik, die Sie vielleicht verstehen; ich verstehe sie nicht. Entweder gebe ich Gas und versuche, alles wieder in Schwung zu bringen, oder ich lasse es sein. Aber Gas geben und bremsen, das hat noch nie funktioniert. Vielleicht bei der FDP. Versuchen Sie es mal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Ich kann mir das vorstellen! So fahren Sie durch die Stadt! Wo ist denn die Soliabschaffung?)

Wir brauchen natürlich Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze. Wir brauchen sicher auch ein Belastungsmoratorium und weitere wirksame Reformen in der Zukunft – es wurde hier angesprochen –: die Modernisierung der Unternehmensteuer sowie Reformen beim Soli, bei der Verwendung von Personengesellschaftseinkünften ähnlich wie bei Kapitalgesellschaften, bei der Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Ich denke, meine Damen und Herren, die Menschen in unserem Land wollen, dass es wieder aufwärtsgeht. Deshalb müssen wir Impulse setzen für eine zukünftige Neuausrichtung unserer Wirtschaft, die zukunftsfähig bleiben muss. Wir müssen handeln; wir handeln jetzt, meine Damen und Herren. Wir lassen uns dieses Konjunkturpaket nicht zerreden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

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