Rede zum Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne zum Thema des Mandats und zum Thema Libyen reden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Gute Idee!)

Denn das ist der Grund, warum wir heute hier sind und warum die Regierung einen Antrag zu einem Mandat einbringt.

Libyen ist ein Schlüsselstaat in Nordafrika. Darüber haben wir in diesem Bundestag schon oft geredet. Es war gut, dass die deutsche Bundesregierung die diplomatische Initiative ergriffen hat und es ihr im Januar gelungen ist, alle diejenigen, die in der einen oder anderen Weise bürgerkriegsbeteiligte Kräfte in Libyen unterstützen, in Berlin an einen Tisch zu bringen. Vorangegangen war die Analyse, dass das Zusammentreffen der beiden Hauptprotagonisten des Bürgerkriegs in Libyen, Haftar und Sarraj, wohl zunächst nicht zum Erfolg führen könnte. Aber die Idee der Libyen-Konferenz der Bundesregierung war ja, den Bürgerkrieg dadurch auszutrocknen, dass man diejenigen, die auch durch Waffenlieferungen die Akteure vor Ort unterstützen, dazu bringt, das zukünftig sein zu lassen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gelungen. Ich glaube, dass wir auch auf der diplomatischen Ebene weiter intensive Gespräche mit Freunden wie Mitwirkenden an diesem Prozess führen müssen, damit sie ihre Aktivitäten an den gemeinsamen Vereinbarungen der Libyen-Konferenz, die im Übrigen auch UN-indossiert sind, also einen völkerrechtlichen Rang haben, ausrichten.

Ich finde es wichtig, dass Deutschland Ernst macht mit einer konkreten Beteiligung an der europäischen Irini-Mission; denn dieser europäische Beitrag soll tatsächlich ein verlässliches, lückenloses Lagebild über die Bewegungen von Schiffen in der Region, die möglicherweise illegal entsprechende Waffen an Bord haben, liefern. Sie soll auch Schiffe durchsuchen und umleiten können. Sie soll darüber hinaus das fortsetzen, was die Operation EUNAVFOR MED Sophia bereits gemacht hat, nämlich die Ausbildung der libyschen Küstenwache und die Unterbindung von Schlepperaktivitäten.

Ich glaube, dass das Mandat ein ziemlich robustes ist; wenngleich ich mir keine Illusionen mache, dass wir nun jede Menge Schiffe dort durchsuchen werden. Aber es ist doch immerhin so, dass diejenigen, die das Embargo brechen oder im Verdacht stehen, es gebrochen zu haben, öffentlich benannt werden können und sich öffentlich rechtfertigen sollen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel?

 

Jürgen Hardt (CDU/CSU):

Ja, bitte.

 

Armin-Paulus Hampel (AfD):

Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich die Möglichkeit habe, eine Frage zu stellen. Ich hatte die Frage schon im Ausschuss gestellt, aber sie ist mir leider nicht beantwortet worden.

Wie stellen Sie sich das eigentlich persönlich vor, wenn man im Zuge der Irini-Mission, sagen wir mal, einen russischen Frachter vor sich hat? Der Kommandant funkt ihn also an: Lieber Herr Kapitän des russischen Frachters, haben Sie Waffen an Bord? Dann wird der wahrscheinlich sagen: Nein. Und was machen wir dann? Eine ganz praktische Frage. Wie stellen Sie sich das vor? Ich stelle es mir so vor, dass der russische Kapitän Nein sagt, der Kommandant sich herzlich für die Auskunft bedankt, das in sein Logbuch einträgt und der russische Kapitän weiterfährt. Aber wie stellen Sie es sich vor, Herr Hardt?

 

Jürgen Hardt (CDU/CSU):

Die Regeln für diese Art von Operationen sind klar.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wir kennen die Regeln nicht! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wir haben sie nicht!)

Das ist ein Punkt, den ich auch gerade ansprechen wollte. Es ist so, dass die Schiffe angehalten werden dürfen und ein Durchsuchungsersuchen vorgetragen werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Über die Erlaubnis, zu durchsuchen, entscheidet nicht der Kapitän des Schiffes. Vielmehr hat der Flaggenstaat des Schiffes – in diesem Fall wäre es Russland – die Gelegenheit, innerhalb von einer festgesetzten Frist von vier Stunden der Durchsuchung des Schiffes zu widersprechen. Wenn das nicht erfolgt, findet die Durchsuchung des Schiffes statt. Wenn Widerspruch seitens Russlands kommt – Sie haben Russland als Beispiel gewählt, deswegen bleibe ich dabei –, dann wird Russland sich öffentlich und vor der diplomatischen Community dafür rechtfertigen müssen, warum sie das getan haben und damit einen politischen Preis zahlen müssen. Staaten, die das dann tun, können nicht mehr wie bisher unbemerkt und unbeobachtet Waffenlieferungen nach Libyen bringen. Ich finde, das ist schon ein entscheidender Fortschritt gegenüber der bisherigen Situation, wie wir sie zum Beispiel im Augenblick im Mittelmeer haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Hardt, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke? – Herr Bystron, ich lasse danach keine weiteren Zwischenfragen mehr zu.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Beispiel Russland war gut gewählt!)

Wir können alle hypothetischen Möglichkeiten durchspielen, aber das hilft uns heute nicht weiter. – Herr Neu, Sie haben das Wort.

 

Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE):

Herr Kollege Hardt, ich war gerade etwas überrascht, als Sie die Regeln angesprochen haben. Das Problem ist: Wir kennen die Regeln nicht, weil sie bislang immer noch nicht in der Geheimschutzstelle ausgelegt sind.

(Zuruf von der AfD)

Haben Sie da einen Informationsvorsprung? Haben Sie die Regeln?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das habe ich Ihnen schon vor vier Jahren erklärt!)

Wir würden sie auch gerne haben; denn wir werden demnächst darüber abstimmen, und normalerweise ist es so, dass die Rules of Engagement, also die Regeln, vorab den entsprechenden Ausschüssen in der Geheimschutzstelle zur Kenntnis gegeben werden. Also, Sie haben die Regeln, wir nicht. Wie kommt das?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

 

Jürgen Hardt (CDU/CSU):

Das sind keine Regeln speziell für diesen Einsatz, sondern generell geltende Regeln für die Durchsuchung von Schiffen im Falle von Embargos dieser Art. Sie wurden nicht speziell für den Irini-Fall geschaffen sind, sondern sie richten sich analog an dem aus, was bisher für vergleichbare Fällen vereinbart war. Ich halte das für gut. Ich glaube, dass wir nicht daran vorbeikommen – es muss eine entsprechende Unterstützung der Staaten geben, die das etwas anders sehen als wir –, dass man den Flaggenstaat fragen muss. Aber es muss, wie ich finde, dann eben auch dokumentiert, publiziert und diskutiert werden, warum, wieso, weshalb ein Land den Zugriff auf das Schiff verweigert. Ich glaube, dadurch wird die Hemmschwelle höher, als es heute der Fall ist; denn, wie gesagt, man zahlt einen politischen Preis, wenn man sich für den Bruch eines Abkommens rechtfertigen muss, unter das man in Berlin am 19. Januar seine Unterschrift gesetzt hat. Immerhin waren das die Staats- und Regierungschefs bzw. die Außenminister.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie kennen die Regeln also auch nicht, sagen Sie damit! Danke!)

– Die Regeln, so wie ich sie gerade dargestellt habe, gelten nicht nur für den Irini-Fall, sondern sind gemäß Völkerrecht in vergleichbaren Fällen bereits früher angewendet worden. Das war eine weitere Antwort auf die Antwort.

Ich komme jetzt zurück zu meinem kurzen, knappen Manuskript. Ich möchte gerne meine Erwartung zum Ausdruck bringen, dass Deutschland sich an Irini vernünftig, kraftvoll, mit hochwertigen Fähigkeiten beteiligt. Wir tun das vermutlich mit einem Seefernaufklärer. Das ist tatsächlich eine Hochwehrfähigkeit, die wir da bereitstellen können. Wir tun das mit hochqualifiziertem Personal im Stab in Rom. Ich würde mir wünschen, dass wir uns im Hinblick auf die Weiterführung des Mandats – es soll ja zunächst einmal bis Ende April in dieser Form laufen; die EU wird das voraussichtlich in den nächsten Jahren fortführen; Deutschland sollte dann entsprechend mitwirken – auch mit einer seegehenden Einheit, also mit einem Schiff, an diesem Mandat beteiligen. Ich warte mit Spannung und Zuversicht auf die Pläne des Bundesverteidigungsministeriums, das ja wohl ins Auge gefasst hat, sich möglicherweise ab Spätsommer mit einem Schiff zu beteiligen.

Es wurde im Zusammenhang mit diesem Mandat natürlich auch wieder darüber diskutiert – das wurde vorhin auch in diesem Hause angesprochen –, ob von einer solchen Marineoperation im Mittelmeer ein Pull-Effekt ausgehen könnte, also quasi eine Motivierung von Schleppern und Schleusern damit einhergehen könnte, Menschen zu überreden, ihnen Geld dafür zu geben, dass sie mit Nussschalen, mit Schlauchbooten aufs Mittelmeer gebracht werden, so nach dem Motto: Dort wartet die europäische Marine, um euch aufzunehmen. – Ich glaube, dass ein Pull-Effekt in dieser Form nie wirklich die Entwicklung dominiert hat. Es wird sicherlich Einzelfälle geben, in denen das der Fall ist. Ich glaube aber, dass die Entscheidung eines Menschen, sich in eine solch lebensgefährliche Situation zu bringen, nicht durch die bloße Überredungskunst eines Schleppers hergestellt werden kann.

Dennoch enthält dieses Mandat der Europäischen Union einen Mechanismus, der vorsieht, dass, falls ein Staat der Auffassung ist, dass ein solcher Pull-Effekt doch entsteht bzw. ausgelöst wird, auf Wunsch dieses einen Staates die Operation für zunächst acht Tage unterbrochen wird. Dann berät das PSK-Gremium, das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der Europäischen Union, darüber und entscheidet, ob und in welcher Form die Operation wieder aufgenommen wird. Im Zweifel, wenn sich das wiederholt und häuft, muss die Mission von den Außenministern weiterentwickelt werden. Ich glaube und hoffe aber, dass das niemals eintritt und diese Operation vielmehr vernünftig durchgeführt werden kann – mit Beteiligung der Bundeswehr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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