Rede zur Öffnungsstrategie von der Corona-Pandemie

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau vor vier Wochen saßen wir hier im Deutschen Bundestag und haben, glaube ich, eine historische Stunde erlebt. Denn wir haben das, was die Regierung vorgeschlagen hat, mit der notwendigen parlamentarischen Mehrheit und Unterstützung versehen, und zwar in sehr großer Einmütigkeit. Es ging darum, Dinge auf den Weg zu bringen, die wir so in der Geschichte der Republik noch nicht auf den Weg gebracht haben.

Heute, nach vier Wochen, können wir sagen: Jawohl, die Politik wirkt. Der Schutzschild funktioniert. Die Instrumente bringen die Mittel dorthin, wohin sie sollen, zum Beispiel die Soforthilfen für die Solo-Selbstständigen und die kleinen Betriebe mit null bis zehn Beschäftigten. Knapp 1,9 Millionen Betriebe, also fast die Hälfte aller dieser Betriebe, haben diese Sofortkredite beantragt. Fast 10 Milliarden Euro sind bereits abgerufen und angekommen, um die Brückenfunktion wahrzunehmen, die wir damit anstreben.

Die Liquiditätshilfen wirken. Knapp 28 Milliarden Euro sind beantragt. Dort, wo notwendig – Stichwort: Schnellkredite –, haben wir weiter optimiert, sodass die Branchen, bei denen es am Anfang noch gehakt hat, auch den Zugang bekommen. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist quasi ausgearbeitet und ist jetzt in der Endabstimmung mit Brüssel; denn er muss ja notifiziert werden. Es geht darum, wie wir Betriebe erhalten wollen, die zur kritischen Infrastruktur im Bereich der Luftfahrt, im Bereich der Schiene und auch im vorhin von anderen angesprochenen Transportsektor, der beim Wiederhochfahren natürlich von entscheidender Bedeutung ist, gehören.

Die Bürgschaften, die steuerlichen Maßnahmen, Stundungen, Kurzarbeit, all diese Dinge funktionieren. Auch dort werden wir, wo es notwendig und sinnvoll ist, entsprechend nachsteuern.

Gestern hat man im Bereich der Gastronomie, befristet für ein Jahr, die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent gesenkt.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Dass muss der Bundestag noch beschließen! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der Bundestag will auch noch mitreden!)

– Wir werden nachsteuern, und Sie können entsprechend mithelfen, dass wir das zügig tun können. Wir haben in nächster Zeit genügend Sitzungen, um dies zu tun.

Hinzuverdienste sollen bis zum vollen Monatsverdienst ermöglicht werden. Auch das Kurzarbeitergeld soll, sofern es länger in Anspruch genommen werden muss, noch erhöht werden.

Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass im Bereich von Veranstaltern, im Bereich der Reiseunternehmen und auch im Bereich der Start-ups Hilfen auf den Weg gebracht werden. Diejenigen, die forschen und entwickeln, die zukunftsfähige Produkte haben, sollen nicht auf der Strecke bleiben, sondern diese Innovationen sollen auch in Zukunft wieder stattfinden können.

Auch für diejenigen, die ganz düstere Perspektiven haben, zum Beispiel die Schausteller, die quasi in diesem Jahr null Perspektive haben und vielleicht voriges Jahr beim Weihnachtsmarkt den letzten Umsatz gemacht haben, brauchen wir Möglichkeiten; denn natürlich wollen wir auch diese Berufsgruppe und diesen Sektor nicht verlieren.

Das Ganze ist aber kein Selbstzweck, Kollege Theurer, sondern wir wollen damit Zeit gewinnen, um die Infektionsrate unter die berühmten 1,0 zu senken. Ich bin kein Virologe und kein Arzt. Kollege Theurer, auch Sie sind kein Virologe und kein Arzt. Wir beide sind Ökonomen und Kaufleute; aber auch da haben wir Statistik gelernt. Wir haben in Deutschland 20 000 Betten, die für die Beatmung zur Verfügung stehen; wir brauchen auch Intensivbetten für Patienten mit anderen Krankheiten. Da die Statistik besagt, dass wir beim Faktor von 1,2 in vier Monaten 50 000 Betten brauchen und beim Faktor von 1,3 in drei Monaten 90 000, bedeutet das: Das würde unser System sprengen. Deshalb muss das Ziel sein, diese Infektionsrate unter 1,0 zu halten.

Deshalb hat die Bundeskanzlerin recht, wenn sie heute Morgen sagt: Wir müssen aufpassen, dass wir das, was wir jetzt aufgebaut haben, nicht leichtfertig verspielen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Genau das ist unsere Maßgabe bei der Öffnungsstrategie. Wir haben jetzt gewisse Dinge geöffnet. Man kann sicher darüber streiten, ob man auf dem Golfplatz im Freien jetzt schon spielen können sollte oder nicht, selbstverständlich, ja, aber wenn wir es zu schnell hochfahren, dann besteht die Gefahr des Rückfalls. Diesen wollen wir auf keinen Fall.

Wenn wir wirklich das erreichen wollen, was wir auch 2009 erreicht haben, nämlich dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen, dann müssen wir jetzt bei der Öffnungsstrategie vorsichtig agieren. Wenn zehn Tage nachdem die ersten Läden aufgemacht haben, die Infektionsrate unter 1,0 bleibt, können wir die nächsten Schritte tun. Alles andere wäre, glaube ich, unverantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber wir können auch jetzt Dinge tun. Wir können zum Beispiel jetzt die Zeit nutzen, unsere Abläufe zu beschleunigen. Wir haben es hier bei der Parlamentsarbeit getan. Ausschüsse können digital – zunächst befristet; ich würde mir wünschen, wir machen das auch dauerhaft – tagen und entscheiden. Ich denke, das müssen wir beispielsweise auch bei Genehmigungsverfahren machen. Weder bezüglich Baumaßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien noch bei Schienenprojekten oder auch Straßenbauvorhaben finden gerade Anhörungen statt. Deshalb müssen wir unsere Genehmigungsverfahren optimieren, digitalisieren und damit auch beschleunigen. Das können wir jetzt machen. Dazu brauchen wir keine 800 Quadratmeter oder mehr. Da sind wir gefordert. Deshalb gilt es, die Rahmenbedingungen jetzt so zu gestalten, dass wir weitere Entlastungen – die steuerlichen Verrechnungsmöglichkeiten sind angesprochen worden – parat haben, wenn die Öffnungsstrategie so verläuft, dass wieder richtig Fahrt aufgenommen werden kann.

Das Ziel muss sein, dass Deutschland und Europa am Ende des Tages aus dieser Krise wie schon 2009/2010 gestärkt hervorgehen. Deshalb lassen Sie uns hier wirklich klug und verantwortungsvoll agieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Druckversion