Rede zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute das Neunte Gesetz zur Änderung des Stasiunterlagengesetzes. Seit 1991 ist dieses Gesetz Grundlage dafür, dass Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Informationen erhalten, die die Stasi über sie menschenrechtswidrig gesammelt hat. Die Stasiakten sind das Vermächtnis der Friedlichen Revolution und der deutschen Einheit, und ihre Zugänglichkeit für Bürger, Behörden und Forscher hat wesentlich zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beigetragen, und das soll auch so bleiben.

Das allgemeine Interesse ist weiterhin sehr groß, und es hält auch kontinuierlich an. Die hohen Antragszahlen zeigen das. Rund 5 000 Anträge monatlich gehen durch Bürgerinnen und Bürger, durch Behörden, durch Medien und durch Forschungseinrichtungen ein, und deshalb ist es so wichtig, dass wir den Zugang zu den Stasiakten auf Grundlage des Stasiunterlagengesetzes auch in Zukunft erhalten, verbessern und sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum einen tun wir das durch die Verlängerung der Möglichkeit zur Überprüfung auf Stasitätigkeit von Personen, die in politisch oder gesellschaftlich herausgehobenen Positionen tätig sind. Nicht nur nach der Wiedervereinigung hatte diese Überprüfungsmöglichkeit große Bedeutung für den Aufbau demokratischer Strukturen, nein, es ist auch heute noch so, dass wir insbesondere den Opfern der DDR-Diktatur schuldig sind, hier größtmögliche Transparenz zu schaffen und auch Grundvertrauen in das staatliche Handeln aufzubauen. Darum ist diese Überprüfungsmöglichkeit so notwendig.

Das ist keine graue Theorie. Das zeigt auch ein aktuelles Beispiel: In meiner Heimat werden auf Antrag der CDU-Kreistagsfraktion alle Mitglieder des Kreistags auf eine mögliche vergangene Stasitätigkeit überprüft werden.

(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Immer wieder, immer wieder!)

Das ist auch kein Einzelfall. Im Jahr 2018 gab es 167 Anträge auf Stasiüberprüfung im öffentlichen Dienst und 446 Anträge auf Überprüfung von Mandatsträgern. Der Bedarf ist da, und deshalb haben wir die bis zum Ende 2019 auslaufende Überprüfungsmöglichkeit jetzt bis zum 31. Dezember 2030 verlängert, also um ganze elf Jahre.

Über das Thema „Überführung der Stasiunterlagenbehörde in das Bundesarchiv“ wurde gerade ausführlich diskutiert. Klar ist: Es handelt sich hier keineswegs um eine Abwicklung der Behörde, sondern um eine Verbesserung und Aufwertung. Dazu kommt noch – dafür sprechen wir uns auch als Unionsfraktion aus – das neue Amt des Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur. Es ist eine Weiterentwicklung des Amtes des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Ich denke, dass Menschen, die unter diesen Repressalien in der DDR gelitten haben, weiterhin auch einen direkten Ansprechpartner, eine Art wichtige Person, benötigen, von der sie Halt und Unterstützung erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das ist ein ganz wichtiges Signal für die Opferarbeit und auch gegen das Vergessen.

An dieser Stelle möchte ich Roland Jahn recht herzlich begrüßen und ihm auch recht herzlich für die vielen Gespräche danken, die Sie, Herr Jahn, mit Betroffenen führen. Das ist eine wichtige Arbeit. Das ist ein wichtiges Zeichen, und das ist vor allen Dingen für die Betroffenen, für die Opfer ein ganz wichtiger Punkt in ihrer Aufarbeitung. Danke schön dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein dritter Punkt, den ich ansprechen möchte – auch durch die bildungspolitische Brille betrachtet –, ist, dass wir 14 Forschungsverbünde gegründet haben. Sie setzen einen Meilenstein für die gesamte DDR-Aufarbeitung, für die Erforschung von begangenem Unrecht, etwa in den Haftanstalten, in Erziehungsheimen der ehemaligen DDR. Dafür stehen über vier Jahre 40 Millionen Euro zur Verfügung. Damit wird die Forschung erstmals von der Stasiunterlagenbehörde etwas getrennt und dezentralisiert. Im universitären Umfeld besteht zudem die Möglichkeit, dass auch die junge Generation an der umfassenden Erforschung der DDR-Diktatur mitarbeiten kann.

Dass diese Forschungsergebnisse natürlich auch öffentlich zugänglich gemacht werden müssen, das ist selbstverständlich. Ich könnte sie mir zum Beispiel als Bestandteil der Lehrpläne von Schulen gut vorstellen. Das sind wir den Opfern und ihren Familien schuldig. Das ist wichtig für eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und wesentlich für eine freie, demokratische Gesellschaft in der Zukunft.

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne kann ich auch dem Unken der AfD im Hinblick auf eine scheiternde Aufarbeitung der SED-Diktatur klar widersprechen. Wir haben im 30. Jahr der Friedlichen Revolution viel vorzuweisen, und wir stehen auch weiterhin an der Seite der Opfer und möchten in engem Austausch mit den Akteuren die Aufarbeitung der SED-Diktatur gesamtdeutsch, gesamtgesellschaftlich und dauerhaft stärken. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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