Rede zur Europapolitik der Bundesregierung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Morgen ist es genau ein Jahr her, dass die Briten für den Brexit gestimmt haben. Mit dem Nein zu Europa kehrt Großbritannien einem Staatenbündnis den Rücken, das das erfolgreichste und das friedlichste der Geschichte ist. Mit der Entscheidung zum Brexit hat Großbritannien nach meiner festen Überzeugung den falschen Weg eingeschlagen.

Wenn Sie mich Anfang des Jahres gefragt hätten, wie es wohl 2017 mit der EU weitergeht, dann wäre ich mir der Antwort nicht so sicher gewesen. Doch dann kamen Trump, Erdogan und Putin,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Putin war schon da!)

und man hat festgestellt, dass die Idee eines gemeinsamen Europas vielleicht doch nicht so schlecht ist. Ich bin sehr dankbar, dass auch die Franzosen sich zum richtigen Zeitpunkt daran erinnert haben.

Die Idee der europäischen Einigung ist so aktuell und so wichtig wie nie zuvor. Auch deshalb stimmt es mich zuversichtlich, dass die Zustimmung der Menschen zu Europa in jüngster Zeit spürbar gestiegen ist. Gestiegen ist auch die Einsicht in die Notwendigkeit einer engen und guten Zusammenarbeit der europäischen Staaten. Gute Politik braucht gute Argumente, einen klaren Kopf und Besonnenheit, und genau das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europapolitik unserer Bundesregierung.

Aber was heißt das konkret? Schauen wir einmal nach Portugal. Die portugiesische Regierung will einen Teil ihrer IWF-Kredite vorzeitig zurückzahlen.

(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Eine linke Regierung!)

Das Land kann sie zurückzahlen, weil es eben die notwendigen Reformen erfolgreich umgesetzt hat, und so kann Portugal heute auf dem Kapitalmarkt günstigere Kredite als beim IWF bekommen und somit Hunderte Millionen Euro sparen.

Auch Griechenland hat nun endlich diesen erfolgreichen Reformkurs eingeschlagen. Es hat seine Hausaufgaben gemacht und sich im letzten Jahr deutlich besser entwickelt als zuvor noch prognostiziert. Allein von den 140 vereinbarten wirtschaftspolitischen Maßnahmen hat Griechenland 136 umgesetzt, und die restlichen vier folgen demnächst. Damit sind nun die Vorbedingungen erfüllt, um im Rahmen des ESM-Anpassungsprogramms die Tranche von 8,5 Milliarden Euro auszuzahlen.

Das dritte Griechenland-Hilfspaket hat ein Gesamtvolumen von 86 Milliarden Euro. Davon sind dann gut 40 Milliarden Euro ausgezahlt; das heißt inklusive der 8,5 Milliarden Euro. Das sind circa 47 Prozent des Gesamtvolumens.

Wir befinden uns aktuell im zweiten von drei Programmjahren. Es ist derzeit nicht zu erwarten, dass zum Ende der Programmlaufzeit diese 86 Milliarden Euro vollständig ausgeschöpft werden.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen brauchen wir den IWF auch nicht mehr!)

Diese Gesamtsumme von 86 Milliarden Euro ist aber bei der Berechnung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands in vollem Umfang berücksichtigt. Das bedeutet: Wenn diese 86 Milliarden Euro eben nicht ausgeschöpft werden, dann verbessert sich auch die Schuldentragfähigkeit Griechenlands, und das bedeutet wiederum, dass Griechenland die Chance hat, schneller wieder auf die Beine zu kommen, als von uns angenommen. Jetzt ist es an uns, unseren Teil zu tun und zu zeigen, dass wir eben in Europa der zuverlässige Partner sind.

Europa ist unsere Zukunft. Europa ist unser Schicksal.

Ohne diese feste Überzeugung unseres jüngst verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl würde ich als in der DDR Geborener heute nicht in diesem Hohen Hause unseres wiedervereinigten Vaterlandes sprechen können.

(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Gegenruf von der CDU/CSU: Das war ja wohl peinlich!)

Die deutsche Einheit und die europäische Einigung waren für Kohl immer zwei Seiten derselben Medaille. Die Worte Kohls sind für mich Mahnung und Auftrag zugleich. Nehmen wir sie als Auftrag und Richtschnur unseres Handelns! Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, sein Werk, die Einheit unseres Vaterlandes, aber vor allem die Einheit Europas, voranzutreiben und weiter zu vertiefen, und zwar in seinem Sinne: in Frieden, Freiheit und Wohlstand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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