Rede zum Abzug der Bundeswehr aus Incirlik

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeswehr zieht aus Incirlik ab, und das ist richtig so. Die letzte Forderung aus der Türkei, das Besuchsrecht der Abgeordneten daran zu koppeln, dass türkischen Soldaten und Beamten kein Asyl in Deutschland gewährt wird, ist eines Rechtsstaats unwürdig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Grundrecht kann man nicht gegen ein Besuchsrecht eintauschen. Dass dieser Handel überhaupt vorgeschlagen worden ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle türkische Regierung und ihr Rechtsstaatsverständnis.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt!)

An einem solchen Punkt muss man auch die Kraft haben, ein Zeichen zu setzen; denn wenn man auf dieser Basis mit einer Regierung, noch dazu mit einer Regierung eines NATO-Partners und EU-Beitrittskandidaten, weiter verhandelt, dann nimmt auch die eigene Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der westlichen Welt insgesamt ab. Der Schaden, der dadurch entsteht, ist viel größer als der Nutzen, den man in der Sache erreichen kann.

Deswegen ist es richtig, dass diese Entscheidung jetzt so gefallen ist. Es kommt jetzt darauf an, dafür zu sorgen, dass der Profiteur der Entscheidung nicht ausgerechnet der „Islamische Staat“ ist; es muss vielmehr möglichst schnell gelingen, den Ausfall der Bundeswehr zu kompensieren und eine Lösung zu finden. Es kommt auch darauf an, möglichst schnell eine Lösung mit der Türkei über die anderen Streitpunkte zu finden – Stichwort: inhaftierte Journalisten; darüber haben wir gerade eben schon gesprochen.

Eigentlich wäre es nach dieser Entscheidung der Bundesregierung gut gewesen, wenn die Grünen und die Linken ihren Antrag zurückgezogen hätten. Aber da Sie ihn nicht zurückgezogen haben, kann ich Ihnen nicht ersparen, dass ich mich mit ihm ein bisschen beschäftige. Ich habe den Antrag dabei. Alleine dass Grüne und Linke jetzt gemeinsame Linien in der Außenpolitik formulieren, ist schon einmal ein Zeichen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein gutes Zeichen!)

Aber viel bemerkenswerter finde ich, dass sie dafür Textvorlagen der Linken verwenden. Schauen wir uns den Antrag an. Er besteht aus nur zwei Sätzen, mit denen der sofortige Abzug der Bundeswehr ohne weitere Begründung gefordert wird. Das sind Formulierungen, die wir sonst nur von den Anträgen der Linken kennen.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU-Propaganda!)

Aber der Vorteil der kurzen Anträge ist, dass man sie vorlesen kann:

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und die parlamentarische Kontrolle muss zu jedem Zeitpunkt möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CSU ist eine Regionalpartei!)

Das unterschreibe ich noch, das ist auch richtig. Aber es geht weiter:

Die Bundeswehr wird daher mit sofortiger Wirkung vom Standort Incirlik (Türkei) abgezogen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Grüne und Linke klatschen jetzt.

(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch auch dafür!)

– Ja, aber ich halte diese Schlussfolgerung für fatal, weil sie uns erpressbar macht. Man kann jetzt zu Ihrer Verteidigung sagen, dass Erdogan auch ohne Grüne und Linke darauf gekommen ist und genau an diesem Punkt angesetzt hat. Das Besuchsrecht ist doch ein wunderbarer Hebel für so einen Herrscher, mit dem es ihm gelungen ist, uns über Monate hinweg zu provozieren und mit dem es ihm zum Schluss auch gelungen ist, den Abzug der Bundeswehr zu erzwingen.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten wir schon längst tun sollen!)

Es ist doch klar, dass sich jetzt sofort der nächste Herrscher überlegt, ob er diesen Hebel nicht ansetzen kann, sodass wir uns mit dieser Frage wieder beschäftigen müssen.

Auch ich bin für den Abzug der Bundeswehr.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber?)

Es ist richtig, dass wir uns zurückziehen, aber ich bin dagegen, dass wir uns selber erpressbar machen. Ein großer Staatsmann hat den Satz geprägt: Die oberste politische Tugend ist die Klugheit. – Ich finde diesen Antrag nicht besonders klug. Ich fände es klug, wenn Sie ihn zurückziehen würden. Sie haben jetzt noch die Chance. Wir werden ihn auf jeden Fall ablehnen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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