Rede zur Stärkung der Kultur im ländlichen Raum

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Deutschland, sagt man, ist das Land der Dichter und Denker. Da fallen uns sehr viele Vertreter ein, ob in der deutschen Literatur Johann Wolfgang von Goethe, Koryphäen der klassischen Musik wie Ludwig van Beethoven oder zeitgenössische Maler wie Gerhard Richter. Aber daneben gibt es viele Kulturschaffende, deren Namen uns nicht bekannt sind, die in den vielen kleinen Theatern, in den kleinen Kinos, auf den kleinen Bühnen ihre Arbeit machen, die gestalten und die Kultur mit weiterentwickeln.

Unsere Kultur ist vielfältig; darauf sind wir stolz. Sie ist genauso vielfältig wie Deutschland und seine Regionen, ob Malerei, Musik, Film oder darstellende Künste. Sie ist beeindruckend. Das gilt nicht nur für die Kulturmetropolen wie Berlin mit den großen Staatstheatern und Opernhäusern, sondern auch für den ländlichen Raum.

Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen worden: Wir haben einen demografischen Wandel, Geburtenrückgänge – dieses Jahr ist die Zahl der Geburten Gott sei Dank wieder ein bisschen höher – und eine Abwanderung aus ländlichen Gegenden zu verzeichnen, vor allem von jungen Menschen, die es immer mehr in die Stadt zieht. Das heißt, es gibt ein Problem. Die Flüchtlingsströme, die uns derzeit erreichen, sind natürlich unumstritten die größte Herausforderung, die wir in diesen Tagen, in diesen Wochen und auch in den nächsten Monaten zu bewältigen haben. Auch hier gibt es kulturpolitische Herausforderungen; denn kulturpolitische Teilhabe ist gesellschaftliche Teilhabe und somit auch ein ganz wichtiger Schlüssel zur Integration.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Menschen mit Migrationshintergrund prägen unsere Gesellschaft und unser kulturelles Leben und – das dürfen wir nicht vergessen – bereichern es auch. Integration heißt auch, kulturelle Werte und Traditionen zu vermitteln, und zwar in beide Richtungen: von uns auf die Flüchtlinge und Migranten und von den Flüchtlingen und Migranten auf uns. Tanz, Theater, Film und Musik können hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Kultur war schon immer ein verbindendes Element über Grenzen hinweg. Das haben wir schon sehr oft erwähnt und wissen wir alle. Sie ist aber auch ein verbindendes Element zwischen Land und Stadt und zwischen Jung und Alt. Sie ist eine gemeinsame Sprache und stiftet Identität, wie das vorhin auch schon zu Recht erwähnt worden ist. Wir leben in Zeiten der Veränderungen. In diesen bietet sie Halt und hilft sie uns, den gesellschaftlichen Wandel zu bewältigen.

Was bedeutet das alles aber für den ländlichen Raum? Wie schon erwähnt, ist der ländliche Raum besonders stark vom demografischen Wandel betroffen. Sicher geht es auf dem Land vorrangig um Daseinsvorsorge, also darum, dass etwa der Tante-Emma-Laden erhalten bleibt und dass die ärztliche Versorgung weiterhin zur Verfügung steht. Es geht aber auch um die Aufrechterhaltung eines Kulturangebotes. Das ist eine Herausforderung, und zwar auch deswegen, weil die Kommunen, wie wir wissen, immer weniger Einnahmen und auf der anderen Seite aufgrund der Flüchtlingsströme natürlich mehr Ausgaben als früher haben. Und wo wird als Erstes gespart? Das geschieht im Kulturbereich – das wissen wir –, weil die Förderung der Kultur eine freiwillige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist und man dort am schnellsten Geld einsparen kann.

Mit der Veränderung der Bevölkerungsstruktur wandelt sich aber auch noch etwas anderes, nämlich das Kulturinteresse des Publikums und das Publikum selbst. Statt Opern und anderer Hochkultur sind zukünftig andere Kulturangebote und Formate gefragt.

Das heißt, Kulturpolitik ist auch Standortpolitik. Wir müssen in den ländlichen Gebieten Angebote schaffen, mit denen wir Städter dazu bekommen, wieder aufs Land zu ziehen. Dafür brauchen wir ein spezielles Kulturmarketing in diesem Bereich und andere Formen des kulturellen Angebotes, wie zum Beispiel Festivals.

Wir wissen, dass Regionen, die wirtschaftlich und kulturell aktiv sind, wachsen. Es wird immer unterschätzt, welche Auswirkungen ein kulturelles Angebot hat. Wenn man über den Fachkräftemangel spricht, sucht man immer Kriterien zur Mitarbeiterbindung. Hier ist auch die Kultur ein ganz wichtiger Punkt. Sie ist für viele ein Grund, mit ihrer Familie in eine bestimmte Gegend zu ziehen. Die Menschen identifizieren sich mit der Region, in der sie leben. Sie finden in dieser Region Halt und fühlen sich mit ihrer Heimat verbunden. Wenn sie wissen, dass dort unter anderem auch ein kulturelles Angebot gegeben ist, dann bleiben sie auch dort. Das heißt, die Kultur ist längst nicht mehr ein weicher Standortfaktor, wie das früher vielleicht einmal der Fall gewesen ist.

Ich finde, in dem Antrag wird sehr gut herausgearbeitet, dass die Handlungsfelder natürlich neu beackert werden müssen. Es geht dabei auch darum, neue Finanzierungswege, neue Zielgruppen und neue Nutzer zu finden und die kulturelle Bildung in diesem Bereich stärker in den Fokus zu stellen.

Dabei müssen alle Altersgruppen berücksichtigt werden. Durch die Jugendarbeit müssen die jungen Leute sehr viel mehr begeistert werden. Sie müssen von Anfang an in die kulturellen Planungen einbezogen werden. Das fängt schon im Kindergarten an und gilt auch für die Schulen. Eines darf man nämlich nie vergessen: Unsere Kinder sind das Kulturpublikum und die Kulturschaffenden von morgen. Deswegen muss man das Interesse und die Begeisterung früh wecken.

Natürlich müssen wir hier auch die Senioren sehr stark in den Blick nehmen. Die Zahl der über 60-Jährigen in den ländlichen Räumen in Deutschland nimmt von 2009 bis 2030 um über 50 Prozent zu. Das bedeutet, dass zum Beispiel auch mobile Bücherbusse für immobile Nutzer wie Senioren unter anderem ein Baustein für ein anderes Kulturangebot in diesem Bereich sind. Es ist schon angesprochen worden, dass das bürgerschaftliche Engagement dabei eine ganz wichtige Stütze ist.

Eines müssen wir natürlich auch sehen: Jede Krise hat natürlich auch eine Chance, nämlich die Chance, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – so wie wir jetzt mit diesem Antrag –, um neue, kreative Konzepte zu entwickeln, um über neue kulturelle Angebote – mobile Kinos, Kreativzentren oder vieles andere mehr –, aber auch über neue Finanzierungsmöglichkeiten nachzudenken. Wir wissen, dass wir in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Thema Finanzierung zurückkommen und es auch Kooperationen, Partnerschaften – Kirche, Schule, Unternehmen, die dort vor Ort sind – gibt sowie die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements; das ist vorhin auch erwähnt worden. Es sind gute Punkte angesprochen worden, wie die Kooperationsmodelle, wie die Kulturpolitikforschung, um Angebote zu schaffen, die die Kulturakteure auch wirklich nutzen. Es geht hier also darum, nicht am Menschen vorbei, sondern mit den Menschen aktiv zu werden, und um Förderprogramme, von denen sie profitieren.

Die Vereinfachung des Antrags- und Vergabesystems für die Kulturförderung ist angesprochen worden. Wir haben gestern im Ausschuss auch die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung debattiert. Auch sie muss im ländlichen Raum stärker aktiv werden.

Wir haben ein Ziel. Unser Ziel ist es, die Kulturschaffenden, die Initiativen vor Ort bestmöglich zu unterstützen, damit diejenigen, die im ländlichen Raum zu Hause sind, auch zukünftig sagen: Bei uns ist die Kultur zu Hause.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

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