Rede zur Berufsausbildung

13.) Beratung Antrag SPD

Sofortprogramm "2. Chance auf Berufsausbildung" für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss - Fachkräfte von morgen ausbilden

- Drs 17/13252 -

Wir haben in Deutschland mit aktuell 7,5 Prozent mit Abstand die geringste Jugenderwerbslosenquote in ganz Europa. An der Spitze stehen Griechenland und Spanien mit 62,5 bzw. 56,4 Prozent. Im europaweiten Durchschnitt beträgt die Jugendarbeitslosenquote 24,4 Prozent. Das sind die Erträge erfolgreicher christlich-liberaler Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Um unseren robusten und stabilen Arbeitsmarkt werden wir in ganz Europa beneidet. Die Arbeitsmarktpolitik der unionsgeführten Bundesregierung und unser erfolgreiches Bildungssystem mit der dualen Berufsausbildung haben wesentlich dazu beigetragen, dass wir die Krise so gut wie kein anderes Land überstanden haben und die Arbeitslosigkeit – besonders unter Jugendlichen – derart gering ist. Unser Bildungssystem mit einer Kombination aus Theorievermittlung und praktischer Anwendung dient vielen anderen Ländern als Vorbild.

Zur Wahrheit gehört an dieser Stelle auch, dass immer weniger Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Der Anteil derjenigen Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist zwischen 2006 und 2011 von 8 auf 6,2 Prozent zurückgegangen. Und auch der Anteil junger Menschen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Hochschulreife oder gar einen Hochschulabschluss verfügen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen und bleibt mit 86 Prozent auf einem hohen Niveau.

Nichtsdestotrotz weisen Sie zu Recht darauf hin – liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD –, dass es eine Reihe junger Menschen gibt, die keine Ausbildung oder keinen Berufsabschluss haben: Jugendliche, die die Lehre abgebrochen oder erst gar keine Lehrstelle gefunden haben oder einige, die noch nicht einmal die Schule abgeschlossen haben. Derzeit sind etwa 300 000 Arbeitslose zwischen 25 und 35 Jahren ohne Ausbildung, und in der gleichen Gruppe der Beschäftigten haben gut eine halbe Million keinen Berufsabschluss.

Diese jungen Erwachsenen müssen ebenfalls ihre Chance auf eine Ausbildung bekommen. Als Arbeitsmarktpolitiker sind mir jeder verlorene Arbeitsplatz und jeder Arbeitslose einer zu viel. Niemand darf zurückgelassen werden.

Bildung ist die wichtigste Investition in unsere Zukunft, und wir müssen dafür Sorge tragen, dass jeder – unabhängig von der sozialen Herkunft – die bestmöglichen Chancen auf Bildung und Beschäftigung hat. Nicht nur im Hinblick auf das Gebot der individuellen Chancengleichheit, sondern auch in Anbetracht des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels müssen wir die Potenziale, die in diesen jungen Menschen schlummern, wecken. Bildung ist für junge Menschen der Schlüssel für individuelle Identität, Orientierung und gesellschaftliche Teilhabe.

Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit kürzlich eine Initiative zur Erstausbildung junger Erwachsener gestartet. Mit der Kampagne „AusBILDUNG wird was – Spätstarter gesucht“ sollen junge Erwachsene dabei unterstützt werden, einen beruflichen Abschluss zu erwerben. Sie rücken verstärkt in den Fokus der Arbeitsagenturen und werden dabei unterstützt, eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren, die zu einem Berufsabschluss führt. Hierfür brauchen wir aber nicht nur die Unterstützung der Politik und der Bundesagentur für Arbeit, sondern wir benötigen auch die Bereitschaft der Wirtschaft und der Unternehmen, diesen jungen Menschen eine Chance zu geben. Auch für einen jungen Menschen mit Mitte/Ende 20 macht eine Ausbildung noch Sinn, da noch knapp 40 Jahre in Erwerbstätigkeit vor ihm liegen können.

Hinweisen möchte ich auch auf das ESF-Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Mit diesem Programm bekommen Schulverweigerer, die der Schule wiederholt und über einen längeren Zeitraum unentschuldigt ferngeblieben sind, eine zweite Chance auf einen Schulabschluss.

In meinem Wahlkreis Würzburg kam die Don-Bosco-Berufsschule Würzburg – eine Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung, die sich hervorragend für Schülerinnen und Schüler mit dem Ziel der sozialen, schulischen und vor allem beruflichen Integration engagiert – in den Genuss dieser Förderung und hat vor Ort einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, nachhaltig verringert wurde. In den bundesweit lokalen Koordinierungsstellen der „2. Chance“ werden bereits seit 2006 Jugendliche, die aktive oder passive Formen von Schulverweigerung aufweisen, aufgefangen und wieder in das reguläre Schulsystem integriert. Durch feste Ansprechpartner werden schulverweigernde Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt, wieder regelmäßig die Schule zu besuchen, und so werden die Chancen auf einen Schulabschluss und damit auch auf einen Ausbildungsplatz deutlich erhöht.

Im Gegensatz zu Ihrem Antrag – wo Sie lediglich diejenigen jungen Menschen in den Fokus nehmen, die keinen Berufsabschluss haben – setzen wir auch bereits bei der Schulausbildung an. Denn mit einem erfolgreichen Schulabschluss steigen die Chancen auf eine Berufsausbildung automatisch.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir mit den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zudem zahlreiche passgenaue Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung haben, um junge Erwachsene ohne Berufsausbildung in Arbeit zu bringen – Beispiel: Programm U 25.

Nach dem Leistungsgrundsatz in § 3 Abs. 2 SGB II müssen die Grundsicherungsstellen versuchen, hilfebedürftige junge Menschen in eine Ausbildung, eine Arbeit oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln. Hierfür stehen insbesondere die Leistungen zur Eingliederung nach § 16 SGB II, aber auch berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Agenturen für Arbeit zur Verfügung. Können Hilfebedürftige ohne Berufsabschluss nicht in eine Ausbildung vermittelt werden, soll die vermittelte Arbeit oder Arbeitsgelegenheit auch zur Verbesserung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen.

Des Weiteren möchte ich noch kurz auf die kürzlich durch den Rat Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz, EPSCO, beschlossene Jugendgarantie zu sprechen kommen. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich entschlossen, die Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam zu bekämpfen und den fast 6 Millionen arbeitslosen jungen Menschen eine Perspektive zu bieten. Unsere Bundesarbeitsministerin Dr. von der Leyen hat die Arbeitsminister der EU im Juli zu einem Runden Tisch zur Förderung der Jugendbeschäftigung nach Berlin eingeladen, um eine gemeinsame nachhaltige Beschäftigung für junge Menschen zu schaffen. Mit der Jugendgarantie will die Kommission erreichen, dass jeder EU-Bürger unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Abschluss einer Ausbildung oder bei Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung, Weiterbildung oder einen Ausbildungsplatz erhält.

Ich könnte noch zahlreiche weitere Initiativen und Maßnahmen der Bundesregierung – des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – nennen, wollte aber aufgrund der begrenzten Zeit nur auf einige wenige genauer eingehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der SPD, lassen Sie mich eine kurze Anmerkung zu dem in Ihrem Antrag enthaltenen Seitenhieb auf die flexiblen Beschäftigungsverhältnisse machen. Wenn Sie diese als prekäre oder atypische Beschäftigung diffamieren, dann schießen Sie über das Ziel hinaus. Flexible Beschäftigungsformen wie Teilzeitarbeit, Zeitarbeitsverhältnisse, geringfügige oder befristete Beschäftigung stellen für viele Menschen nicht nur eine Brücke in den Arbeitsmarkt dar, sondern schaffen für die hiesigen Unternehmen auch die nötige Flexibilität, um im Zuge des Wettbewerbsdrucks auf punktuelle Auftragsspitzen reagieren zu können.

Auch der von Ihnen oft verbreitete Mythos, flexible Beschäftigung verdränge „Normalarbeitsverhältnisse“, ist falsch. Im Zeitraum von 2006 bis 2011 ist die Zahl der regulären Arbeitsverhältnisse um 1,5 Millionen gestiegen, die Zahl der flexiblen Beschäftigungsverhältnisse jedoch nur um 450 000. Fakt ist, dass flexible Beschäftigungsformen nicht nur vielen Menschen die gewünschte Flexibilität – beispielsweise zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – bieten, sondern auch für viele Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt eröffnen und Arbeitsplätze schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Fraktion der SPD, wie Sie sehen, ist die christlich-liberale Koalition hier bereits seit langem intensiv an der Arbeit. Sie können uns nicht vorwerfen, dass wir nichts für die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss getan haben und tun werden, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben. Die unionsgeführte Bundesregierung hat schon zahlreiche Maßnahmen für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss auf den Weg gebracht, als Sie noch mit dem Verfassen Ihres Antrages beschäftigt war.

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