
Rede zur Berichterstattung über Armut und Reichtum
25.) Beratung Antrag DIE LINKE.
Verschleierung verhindern - Berichterstattung über Armut und Reichtum auf eine unabhängige Kommission übertragen
- Drs 17/12709 -
Es ist schon erstaunlich, mit welchen Themen und mit welchen Anträgen sich das Hohe Haus beschäftigen muss. Damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin gern bereit, eine Debatte über die soziale Situation in Deutschland zu führen, über die Verteilung von Vermögen und Einkommen, über Chancengerechtigkeit und vieles mehr. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung bietet eine hervorragende Grundlage für eine solche Debatte.
Aber der Vorwurf, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wollten eine Berichterstattung verschleiern oder die politische Diskussion über eine vermeintlich soziale Ungleichheit ersticken, ist einfach töricht. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir sorgen für umfassende Transparenz. Der Berichtsentwurf, der Ende letzten Jahres in die Ressortabstimmung gegangen ist, ist bekannt und für jeden Bürger in unserem Land recherchierbar. Und der Bericht nach der Ressortabstimmung in der Fassung, wie er vom Bundes-kabinett beschlossen worden ist, ist für Interessierte zugänglich. Jeder kann beide Berichte nebeneinanderlegen und Satz für Satz abgleichen. Und genau das ist ja auch geschehen. Es war in der öffentlichen Berichterstattung viel von Schönfarberei die Rede; interessierte Kreise haben versucht, den ganz normalen -Vorgang einer Ressortabstimmung politisch zu skandalisieren, die Fraktion Die Linke übrigens auch.
Aber weil wir so transparent vorgegangen sind und uns der massiven – in der Sache haltlosen – Kritik gestellt haben, kann man uns doch keine Verschleierung vorwerfen. Ihr Vorwurf ist unlogisch und in der Sache völlig abwegig.
Und noch ein Wort zur Transparenz: Schauen Sie auf die Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Das Ministerium hat dort zahlreiche Forschungsprojekte dargestellt. Alle Berichte können heruntergeladen werden, die wissenschaftliche Basis für den 4. Armuts- und Reichtumsbericht ist bekannt. Mehr Transparenz ist kaum möglich. Deshalb ist der Vorschlag nach Einsetzung einer unabhängigen Kommission in der Sache völlig unbegründet. Sie mögen die politischen Schlussfolgerungen der Regierung nicht teilen, das ist aber kein Grund, die wissenschaftliche Expertise infrage zu stellen. Am Bericht haben doch ganz überwiegend diejenigen mitgearbeitet, die auch in eine vermeintlich unabhängige Kommission berufen werden würden. Vor diesem Hintergrund halte ich Ihren Vorschlag nicht für zielführend. Und Sie haben selbst im Jahr 1999 als PDS-Fraktion in einem Antrag noch gefordert, dass die Bundesregierung einen Bericht über die Entwicklung von Armut und Reichtum vorlegen soll. Von einer unabhängigen Kommission war seinerzeit nicht die Rede. Was damals richtig war, soll heute falsch sein. Nur weil Ihnen die politische Bewertung der Regierung nicht passt.
Das kann Ihnen auch bei einer unabhängigen Kommission passieren. Wir haben es letztes Wochenende aus dem Mund des Vorsitzenden der SPD erlebt, der den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung von Mindestlöhnen massiv angegangen ist. „Sachverständige, die ihre Gutachten an der Lebenswirklichkeit vorbei schreiben, brauchen wir nicht“, so tönte Sigmar Gabriel. Das zeigt: In der politischen Debatte ist niemand sakrosankt. Auch eine vermeintlich unabhängige Kommission muss sich der Kritik stellen und ist nicht frei von Kritik.
Abschließend noch ein Wort zu Ihrer Analyse. Ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben, in Deutschland offenbar nicht. Ich finde, die Daten im 4. Armuts- und Reichtumsbericht belegen sehr deutlich die positive Entwicklung der Lebenslagen für die Bürger in unserem Land. Die Langzeitarbeitslosigkeit als eine der gravierendsten Ursachen für Armut haben wir nachhaltig abgebaut: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist zwischen 2007 und 2012 von 1,73 auf 1,03 Millionen gesunken. Auch die Zahl derjenigen, die auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen sind, ist stark rückläufig: Heute stehen 270 000 Kinder unter 15 Jahren und über 800 000 erwerbsfähige Menschen weniger im Leistungsbezug als im Jahr 2007. Dabei blieb der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten weitgehend stabil. Deutschland weist in der Europäischen Union gegenwärtig die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit auf. Deutschland gehört nach Berechnungen der OECD zu den Staaten, in denen die Ungleichheit der Markteinkommen mit am stärksten durch Steuern und Sozialtransfers reduziert wird. Die Sozialleistungsquote liegt in Deutschland bei rund 30 Prozent und damit über dem EU-Durchschnitt. Das zeigt: Der Sozialstaat in Deutschland funktioniert. Ihre Vorwürfe sind haltlos. Sie zeichnen ein Zerrbild von der Lebenswirklichkeit in unserem Land. Sie wollen mit dem Thema „Armut in Deutschland“ Wahlkampf machen und Neiddebatten schüren. Ihr Antrag ist ein reiner Schaufensterantrag. Deshalb werden wir den Antrag in den Ausschüssen auch ablehnen.
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