Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen, dass sich unsere Welt fundamental verändert hat. Als die deutschen Regierungsvertreter im Januar 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz davon gesprochen haben, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse, hätte man noch glauben können, dass man die Konsequenzen zunächst einmal ausführlich debattieren kann. Schon wenige Tage später, mit der Annexion der Krim im März 2014, sind wir von der Wirklichkeit eingeholt worden. Dann haben wir eine sehr enge Abfolge und Taktung internationaler Krisen und Herausforderungen erlebt, die uns deutlich gemacht haben, dass es unser elementares Interesse sein muss, in der Welt, aber vor allen Dingen auch im Krisenbogen um Europa herum, in unserer Nachbarschaft einen aktiven Beitrag zu mehr Sicherheit, mehr Stabilität und mehr Frieden zu leisten.

Wenn wir uns mit der aktuellen Wirklichkeit auseinandersetzen, dann müssen wir das, glaube ich, relativ ernüchtert konstatieren. Deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass wir das Forum des Deutschen Bundestages auch für einen gesellschaftlichen Diskurs darüber nutzen, welche außenpolitischen Ziele wir eigentlich verfolgen, in welchem übergeordneten Rahmen wir das tun wollen, welche Mittel wir brauchen, um diese Ziele zu erreichen, und ob wir die Mittel, die wir dafür brauchen oder zu brauchen glauben, tatsächlich haben. Dann können wir Wirklichkeit und Anspruch miteinander abgleichen.

Unser Grundgesetz sagt schon in der Präambel, dass wir dem Frieden in der Welt dienen wollen und sollen. Es ist nicht nur deshalb, weil wir Exportweltmeister sind, unser ureigenes Interesse, das zu tun, sondern es geht auch darum, uns vor internationalem Terrorismus, vor ungeordneter Migration und vielem anderen mehr zu schützen. Es ist für uns vollkommen klar, in welchem Ordnungsrahmen wir das tun wollen: im Rahmen einer liberalen Weltordnung, die es zu stärken und zu unterstützen gilt, im Rahmen des Multilateralismus, im Rahmen der Europäischen Union, der NATO, der Vereinten Nationen. Wir wollen das regelbasiert tun, weil wir auf die Stärke des Rechts und nicht auf das Recht des Stärkeren setzen

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Jetzt sagen Sie doch auch mal was zum Thema!)

und weil wir glauben, dass wir auf dieser Basis unseren Beitrag leisten können.

Was das für den aktuellen Haushalt und den Einzelplan 05 bedeutet, sieht man, glaube ich, klarer, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich anschaut, was in den letzten Jahren passiert ist. Wenn man, wie es die Bundeskanzlerin heute Vormittag formuliert hat, den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik in den Blick nimmt – die Wirtschaftspolitik, die Entwicklungspolitik, die Diplomatie, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik –, dann wird deutlich, welche Notwendigkeiten, um die wir uns kümmern müssen, bestehen.

Im zivilen Bereich hat gerade der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ aus dem Jahr 2004 wie eine Initialzündung gewirkt. Damals hatten wir im Haushalt 13 Millionen Euro für zivile Krisenprävention bereitgestellt, heute sind es 316 Millionen Euro. Es kam in diesem Zeitraum also fast zu einer Verfünfundzwanzigfachung. Im Bereich der humanitären Hilfe gab es von 2004 bis 2017 fast eine Verdreißigfachung des Ansatzes: von 40 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro. Man muss in Rechnung stellen, dass hier eine Entwicklung stattgefunden hat, bei der wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind. Wir bewerben uns nicht nur um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat, sondern hinterlegen dies auch mit finanziellen Mitteln, mit Personal und mit tatsächlicher Unterstützung. Auch das muss man bei der Beurteilung der Sachlage in Rechnung stellen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Mit Personal? Na ja!)

– Ja, da gebe ich Ihnen recht. Beim Geld sind wir besser als beim Personal; auch das kann man mit Zahlen belegen. Was das Geld angeht, sind wir bei der UN viertgrößter Geber. Im Bereich des UNHCR, des World Food Programme und anderem sind wir hinter den USA zweitgrößter Zahler. Aber wir haben tatsächlich noch ein bisschen Luft, wenn es darum geht, für die personelle Ausstattung zu sorgen. Das gilt nicht nur für die Blauhelmmissionen, sondern auch für das zivile Engagement, beispielsweise im Hinblick auf Juristen und Polizisten. Auch da gilt die europäische Komponente.

Europa hat sich kürzlich mit den zivilen Einsatzmandaten beschäftigt und festgestellt, dass von den notwendigen Stellen – etwa 2 000 – gerade mal 75 Prozent besetzt werden können. Das ist eine Mahnung an uns, dass wir mit unseren personellen Kompetenzen, die ja da sind, sowohl im europäischen wie auch im weltweiten Rahmen mehr tun müssen. Dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen. Das wird mit Sicherheit nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch für die darauffolgenden Jahre eine Aufgabe sein.

Wir sind in der Debatte auch darauf eingegangen, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben, dass wir nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch andernorts sehen, dass sich die USA aus internationaler Verantwortung zurückziehen und selbstverständlich, wie immer in der Politik, kein Vakuum entsteht, sondern andere Kräfte in die Leerstelle drängen. Wenn man in den Nahen Osten schaut, sieht man, dass das Länder wie die Türkei, der Iran und Russland sind, und immer kann man sagen: Das, was nachkommt, ist nichts Besseres, sondern bringt uns, ganz im Gegenteil, neue, zusätzliche und größere Probleme.

Gerade vor diesem Hintergrund müssen wir uns wirklich Gedanken darüber machen, wie wir uns effektiver aufstellen können. Norbert Röttgen hat den Rahmen, in dem wir uns bewegen müssen, aus meiner Sicht ganz hervorragend gezeichnet. Wenn wir in Zukunft Handlungsfähigkeit erreichen wollen, dann müssen wir mehr Geld zur Verfügung stellen, um die ODA-Quote im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen, aber auch um unsere Verpflichtungen in der NATO zu erfüllen. Es ist nicht akzeptabel, dass alle europäischen Länder zusammen noch nicht einmal halb so viel für Sicherheit und Verteidigung aufwenden wie die USA alleine. Zum anderen ist es nicht akzeptabel, dass wir damit nur 15 Prozent der Effektivität und Leistungsfähigkeit der Amerikaner erreichen. Dafür brauchen wir in der Tat mehr Zusammenarbeit. Hier hilft uns die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, und ich plädiere dafür, dass wir darüber hinaus auch die Interventionsinitiative der Franzosen ernst nehmen. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch die Briten und andere europäische Partner mit einbinden, damit wir zu effektiven und leistungsfähigen Lösungen kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])

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