Rede zur EEG-Ausgleichsregelung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrlich wurde vieles schon von meinen Kolleginnen und Kollegen vorweggenommen, aber, ich glaube, die Wahrheit darf man ruhig wiederholen. Die Opposition hat heute viel Neues und Gutes beigetragen, aber leider war das Neue nicht gut und das Gute nicht neu. So ist das mit den Beiträgen der Opposition.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Jetzt haben Sie natürlich jemanden provoziert. Erlauben Sie, das Gute vom Neuen und das Neue vom Guten zu trennen? Herr Krischer, hat sich gemeldet und möchte Sie etwas fragen.

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Ja.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Gut. – Dann Herr Krischer.

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, wir hätten nichts Neues und nichts Gutes beigetragen.

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Nein, nein.

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir haben gerade die Meldung bekommen, dass der Bundesrat 26 Änderungsanträge bezüglich des EEG beschlossen hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die Frage der Neuregelung der Eigenstromregelung sieht der Bundesrat unter anderem ganz anders als die Koalition und die Bundesregierung. Freuen Sie sich darüber, dass der Bundesrat massive Verbesserungen am gültigen EEG vorschlägt? Unterstützen Sie das? Ist das eine gute und neue Nachricht für Sie?

Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU):

Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe gesagt: Sie haben viel Neues und viel Gutes gesagt; aber für uns war das Neue nicht gut und das Gute nicht neu.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Zu Ihrem Einwand: Natürlich werden wir die 26 Änderungsanträge, wie es der parlamentarischen Gepflogenheit gebührt, prüfen und beim parlamentarischen Verfahren dementsprechend berücksichtigen.

Wir beraten heute das Gesetz zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen. Grundlage der gesetzlichen Neuregelung bilden die inzwischen abgeschlossenen beihilferechtlichen Verhandlungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission. Um es gleich vorwegzunehmen: Auch ich bin der Meinung, dass hier ordentlich verhandelt wurde. Der Erfolg der Energiewende muss sich schließlich auch daran messen lassen, dass Deutschland ein wettbewerbsfähiger Wirtschafts- und Industrie-standort bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu sind Sonderregelungen für die stromintensive Industrie erforderlich. Unternehmen mit sehr hohen Stromkosten und einer hohen Handelsintensität können auch weiterhin privilegiert werden. Unternehmen aus 68 aufgeführten Branchen zahlen in Zukunft grundsätzlich, wie erwähnt, 15 Prozent der vollen EEG-Umlage. Ebenso ist eine Mindestumlage – für die erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller Höhe und 0,1 Cent für jede darüber hinausgehende Kilowattstunde – vorgesehen. Für die Privilegierung ist Voraussetzung, dass der Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung ab 2015 mindestens 17 Prozent beträgt. Darüber hinaus greift für diese Unternehmen eine zweiteilige Deckelung. Kein privilegiertes Unternehmen muss mehr als 4 Prozent seiner Bruttowertschöpfung zahlen. Besonders stromintensive Unternehmen mit einer Stromkostenintensität höher als 20 Prozent zahlen nicht mehr als 0,5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung. Allein durch diese Anpassungen werden circa 400 Unternehmen aus der Privilegierung herausfallen. Dies kann, wie erwähnt, im Einzelfall existenzbedrohend sein. Deshalb gibt es für diese Fälle eine Härtefallregelung, sodass diese Unternehmen dauerhaft 20 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Ich glaube – im Gegensatz zu Frau Bulling-Schröter –, dass dies keine verantwortungslose Politik, sondern im Gegenteil verantwortungsvolle Politik ist, um die Industriearbeitsplätze langfristig in Deutschland zu sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Insgesamt wird damit das Niveau der Entlastung mit circa 5,1 Milliarden Euro pro Jahr konstant gehalten. Jetzt wird oft gesagt – dies haben wir heute schon gehört –, die Industrie leiste keinen Beitrag zur Energiewende. Das ist weit gefehlt. Die deutsche Industrie zahlt circa 7,4 Milliarden Euro EEG-Umlage. Das ist nahezu so viel wie die privaten Haushalte insgesamt bezahlen. Die Industrie trägt somit rund ein Drittel der gesamten EEG-Umlage. Man muss auch betonen, dass ohne die Besondere Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Unternehmen die EEG-Umlage – Kollege Pfeiffer hat es angesprochen – lediglich um 1,36 Cent pro Kilowattstunde für den Normalbürger geringer ausfallen würde. Das würde für einen privaten Haushalt im Schnitt jährlich circa 45 Euro Einsparung bedeuten. Wegen der zu erwartenden Wohlstandsverluste würde das real verfügbare Einkommen jedoch im Schnitt um rund 500 Euro pro Jahr sinken.

Es wird häufig bewusst die Mär verbreitet – wir haben sie auch heute wieder gehört –, dass die Industriestrompreise in Deutschland sehr gering seien. Damit wird versucht, die privaten Stromkunden gegen die -Industriestromkunden auszuspielen. Ich halte das für unverantwortlich. Lassen Sie mich eines betonen: In Deutschland ist der Industriestrom im Vergleich zu Frankreich und den Niederlanden um rund 40 Prozent teurer. Das Gerücht, die Industrie wäre vom steigenden Strompreis nicht betroffen, da es für sie Ausnahmeregelungen gäbe, hält sich ebenso hartnäckig, wie es falsch ist.

Auch die Stromkosten sind ein Kostenfaktor im internationalen Wettbewerb, und diese Kosten wirken sich aus. So ist die Investitionstätigkeit in den energieinten-siven Branchen in Deutschland inzwischen ausgesprochen schwach. Die Abwanderung der Industrie geschieht nicht mit einem lauten Knall, sondern schleichend. Die hohen Energiekosten haben bereits zu einer chronischen Investitionsschwäche der energieintensiven Industrie geführt. Wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt, deckten die Investitionen der energieintensiven Branchen in den Jahren 2000 bis 2010 nicht einmal ihre Abschreibungen. Das heißt, es wurde – und wird anhaltend – weniger investiert, als nötig wäre, um den Verschleiß der Produktionsstätten auszugleichen. Ich bitte die Grünen, das in ihren Anträgen, in denen die mangelnde Investitionstätigkeit in Deutschland bemängelt wird, zu berücksichtigen. Wir brauchen langfristige Planungs- und Investitionssicherheit für unsere Unternehmen, und diese schaffen wir durch das neue Gesetz.

Häufig wird betont, die energieintensiven Unternehmen hätten noch Effizienzpotenziale. Das trifft zum Teil zu. Aber ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal eine Glashütte oder eine Stahlkocherei anzuschauen und mit den Verantwortlichen zu sprechen. Hier sind die Effi-zienzgrenzen bereits erreicht. Die Frage lautet dann nicht: effizient oder ineffizient? Die Frage lautet dann: in Deutschland produzieren oder eben nicht? Wir wollen, dass das produzierende Gewerbe in Deutschland eine Zukunft hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Im Übrigen wird uns die Frage der steigenden Netzentgelte auch in diesem Bereich noch vor Herausforderungen stellen, die es anzunehmen gilt. Wir sagen häufig – und das zu Recht –, was wir mit der Energiewende erreichen wollen: den stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Integration bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit, eine erhebliche Steigerung der Energieeffizienz sowie die ambitionierte Reduktion der Treibhausgasemissionen. Aber wir müssen auch sagen, was wir mit der Energiewende nicht erreichen wollen: Wir wollen keine Deindustrialisierung unseres Landes. Die deutsche Industrie erwirtschaftet mehr als 20 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung. Darauf können wir nicht nur, nein, darauf müssen wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht so stark von einem Finanzdienstleistungssektor abhängig sind wie beispielsweise Großbritannien. Es ist maßgeblich dem industriellen Kern unserer Volkswirtschaft zu verdanken, dass wir im Vergleich sehr gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen sind.

Es geht bei der Besonderen Ausgleichsregelung darum, den Industriestandort Deutschland und damit Tausende von Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten. Jeder Arbeitsplatz im energieintensiven Bereich sichert zwei Arbeitsplätze in anderen Industriezweigen und im Dienstleistungssektor. Rund 80 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes haben enge Lieferbeziehungen zur energieintensiven Industrie; 40 Prozent der Unternehmen befinden sich in engen Forschungs- und Entwicklungskooperationen. Es gilt also einmal mehr, einem schleichenden Deindustrialisierungsprozess vorzubeugen. Das wollen und werden wir durch den verlässlichen Rahmen für die Industrie, den wir nun schaffen, erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit der europarechtskonformen Neuregelung der Besonderen Ausgleichsregelung schaffen wir langfristige Planungs- und Investitionssicherheit für die energie-intensive Industrie in Deutschland. Das ist gut für unser Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Druckversion