Rede zum Nationalen Reformprogramm 2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Nationale Reformprogramm ist Teil des Europäischen Semesters. Dieses hat das Ziel, die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu stärken. Kern ist die stärkere wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitische Koordinierung innerhalb der Mitgliedstaaten. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union sind vor allem Strukturreformen in genau diesen Politikfeldern notwendig. Zudem braucht Europa zusätzliche Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier geht es um das Nationale Reformprogramm! Deutschland!)

Wir nutzen so das Reformprogramm, um die europäische und die deutsche Wirtschaft voranzubringen. Dabei sollten die Schwachen gestärkt werden und nicht die Starken geschwächt werden.

Der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands ist hoch, keine Frage. In erster Linie ist dieser Überschuss aber ein Zeichen der guten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eben nicht!)

Ein Grund für diesen Überschuss ist im Moment auch der niedrige Rohölpreis, der zu geringen Importausgaben führt. Auch die Niedrigzinspolitik der EZB trägt zum hohen Leistungsbilanzüberschuss bei. Der schwache Euro steigert die Preisattraktivität deutscher Waren im Ausland. Beide Faktoren, der niedrige Rohölpreis und der schwache Euro, tragen zu circa 25 Prozent zum Leistungsbilanzüberschuss bei.

Es gilt aber auch, zu betonen, dass die EU-Kommission für Deutschland eben gerade keine zukunfts- und stabilitätsgefährdenden Ungleichgewichte festgestellt hat. Es handelt sich laut Kommission zwar um Ungleichgewichte, aber nicht um exzessive Ungleichgewichte.

Im Übrigen wäre es wohl besser, die Maastricht-Kriterien strenger zu überprüfen und sich stärker auf die Staaten zu konzentrieren, die Schwächen ihrer Wettbewerbsfähigkeit aufweisen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland verstößt auch immer wieder gegen ein Maastricht-Kriterium!)

Mir sind Überschüsse auf jeden Fall lieber als Defizite.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Von der deutschen Wettbewerbsfähigkeit profitieren alle EU-Länder. Rund 60 Prozent aller deutschen Importe stammen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Das schafft Beschäftigung und Wohlstand nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen EU-Ländern.

Nur 2 Prozentpunkte des deutschen Leistungsbilanzüberschusses von 8,5 Prozent – das wurde erwähnt – stammen übrigens aus der Euro-Zone. Wenn also immer wieder behauptet wird, Deutschland schwäche beispielsweise Griechenland durch seine Exportüberschüsse, ist das nicht die Wahrheit. Es schadet nicht, auch hier eine europäische Perspektive einzunehmen. Die Wertschöpfungsketten verlaufen inzwischen europäisch. Die gesamte Euro-Zone konnte sogar einen Leistungsbilanzüberschuss erzielen.

Wir brauchen Investitionen, keine Frage. Genau hierbei setzen wir Akzente. Investitionen für Deutschland sind ein Schwerpunktthema in dieser Legislaturperiode. Schaut man sich den neuen Bundesverkehrswegeplan an, sieht man dies deutlich. Durch den Investitionshochlauf werden 2016 für Straßen, Schienen und Wasserwege mehr als 13 Milliarden Euro investiert – so viel wie nie zuvor.

Der Investitionshochlauf startet auch beim Breitbandausbau mit dem Bundesprogramm in Höhe von 2,1 Milliarden Euro. Aber auch in Bildung und Forschung wird investiert. Dies zeigt sich an den Haushaltsmitteln. Gegenüber 2005 wurde der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf über 15 Milliarden Euro verdoppelt – Tendenz steigend. Wir setzen also auch bei den Investitionen gezielt Schwerpunkte.

Von den jährlichen Investitionen in Deutschland von circa 460 Milliarden Euro entfallen lediglich 9 Prozent auf den öffentlichen Sektor. Von diesen 9 Prozent investieren die Kommunen wiederum circa die Hälfte. Länder und Kommunen werden vom Bund bis 2019 um mehr als 45 Milliarden Euro entlastet. Das ist richtig, und das ist auch das beste Investitionsprogramm.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Über 90 Prozent der Investitionen werden aber vom privaten Sektor geleistet. Wir brauchen also Konzepte, wie wir privates Kapital mobilisieren können. Wir müssen beispielsweise durch die gezielte Förderung von Wagniskapital gerade Wachstumsfinanzierungen ermöglichen. Einen wichtigen Schritt stellt hierbei das Eckpunktepapier Wagniskapital dar. Hierbei müssen wir aber noch weitere Anstrengungen unternehmen, damit Firmengründer Wachstumsmöglichkeiten in Deutschland haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unternehmer sind für uns Vorbild und nicht Feindbild. Dieser Grundsatz sollte übrigens auch hinsichtlich der Neuregelung der Erbschaftsteuer gelten, damit keine Arbeitsplätze vernichtet werden.

Zur aktuell hohen Binnennachfrage trägt auch die gute Arbeitsmarktsituation bei; Herr Westphal hat es erwähnt. Aktuell sind über 43 Millionen Menschen erwerbstätig – so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Auch die Quote der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist stark angestiegen: auf 65,6 Prozent. Insgesamt haben mehr als 3,7 Millionen Menschen seit 2005 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deutschland hat im Hinblick auf die Europa‑2020‑Ziele in den Bereichen Beschäftigung und Bildung alle Zielwerte übererfüllt. Zu dieser Entwicklung tragen auch Flexibilitätsoptionen bei. Wir brauchen gerade jetzt weiterhin einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt.

Im Kapitel „Arbeitsmarkt fair und flexibel ausgestalten“ wird die Wichtigkeit von Werkverträgen und Leiharbeit betont, gerade wenn es darum geht, die Flüchtlinge, die eine langfristige Bleibeperspektive haben, zu integrieren.

Mit dem Integrationsgesetz wird der Grundsatz „Fordern und Fördern“ gesetzlich verankert. Die Sprache ist dabei der Schlüssel für Integration. Oft sind auch Arbeit und Beschäftigung der Schlüssel für die Sprache. Asylbewerber dürfen beispielsweise zukünftig auch als Zeitarbeiter eingesetzt werden. Wer Integrationsangebote allerdings ablehnt, wird Kürzungen bei den Sozialleistungen zu erwarten haben. Wir brauchen einen Staat, der aktiviert und nicht alimentiert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Man muss die zehn Minuten nicht ausnutzen! Man kann auch früher aufhören!)

Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt wird viel Geld kosten, Mittel, die übrigens ohne die sorgsame Haushaltsführung der vergangenen Jahre überhaupt nicht aufzubringen wären. Keine Integration ist aber langfristig noch teurer. Das muss uns allen klar sein.

Niemand darf sich zulasten der Allgemeinheit seiner Steuerpflicht entziehen. Das wird angesichts der Aufdeckung der Panama Papers gerade wieder offensichtlich. Die Bundesregierung setzt sich hier für die weltweite Umsetzung der von der OECD erarbeiteten Empfehlungen ein, Stichwort BEPS. Wir sollten das Europäische Semester aber auch dazu nutzen, Steuervermeidung auf europäischer Ebene einzudämmen. Wir brauchen nicht europaweit die gleichen Steuersätze, aber wir brauchen einen gemeinsamen Rahmen und Transparenz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Digitalisierung verändert unsere Lebens-, aber auch unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt in einem noch gar nicht absehbaren Ausmaß. Gerade hier gilt es, die Chancen, die sich Deutschland bieten, zu ergreifen. Ich finde, in Zukunft sollte dem Thema Digitalisierung auch im Nationalen Reformprogramm ein entsprechender Platz eingeräumt werden. Das Nationale Reformprogramm ist Teil des Europäischen Semesters. Es trägt dazu bei, die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zu verbessern. Im Nationalen Reformprogramm werden die wichtigen Zukunftsfragen aufgegriffen und die Grundlagen für eine weiterhin positive Entwicklung gelegt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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