Rede zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes

Der Milchmarkt in Deutschland liegt am Boden. Die Agrarwirtschaft in unserem Land wird durch die aktuelle Preispolitik krank. Die Herren Engels und Marx würden heute wohl sagen: Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst katastrophaler Milchpreise.

Wer aber glaubt, die Milchpreissituation auf dem deutschen Markt sei singulär eine Folge der ausgelaufenen Milchquote, der irrt. Unterschätzen wir nicht die aktuellen politischen Geschehnisse in Europa, in der Welt; denn der Milchmarkt verändert sich derzeit rasant. Unsere nationale Aufgabe ist es, für unsere Bäuerinnen und Bauern Lösungen zu finden, wie der deutsche Milchmarkt gesichert werden kann. Die Lösung selbst dafür müssen wir aber mindestens auf der europäischen Ebene finden.

Wenn wir bislang unter Globalisierung auch ein Zusammenrücken der Staaten im Handel verstanden haben, dann spüren wir derzeit die Auswirkungen einer Globalisierung der Stufe 2.0 plus. Deutlich wird, dass die eigenen heimischen Milchmärkte unserer Export-Import-Partner, wie beispielsweise in China, gestärkt sind und selbstbewusster agieren als früher. Dass bayerische Exportmilch in China bessere Preise erzielt als heimische China-Milch, ist leider ein Fakt der Vergangenheit.

Von einem Exporteinbruch kann dennoch nicht gesprochen werden. Allein die Gewinnmargen sind geringer und eignen sich kaum noch, den heimischen deutschen Milchmarkt zu subventionieren. Doch das geschieht oftmals. Der Rohmilchpreiserlös je Kilogramm liegt bei einigen Molkereien derzeit bei 17 bis 18 Eurocent. Mehr zahlt der Lebensmitteleinzelhandel derzeit nicht. Dass vereinzelte Molkereigenossenschaften und -vereinigungen freilich den Milchbauern noch mehr zahlen können, liegt an einer Mischkalkulation mit Quersubventionierung aus höheren Erlösen aus beispielsweise Trockenmilch.

Zudem spüren wir in Deutschland eine zunehmende Vitalisierung europäischer Konkurrenz. Irland erhöhte die Milchproduktion in den letzten Jahren exorbitant. Die ganzjährige Weidehaltung macht Irland zu einem Milchhotspot innerhalb der EU.

Daran wird deutlich: Es gibt keine nationale Lösung. Das Problem ist schon auf europäischer Ebene schwer zu justieren. Der Milchmarkt macht schon seit etlichen Jahrzehnten nicht mehr an den Alpenkämmen halt. Aber er wird zunehmend auch nicht vom Atlantik und den Karpaten begrenzt. Der Milchmarkt ist dabei, sich gänzlich der Globalisierung hinzugeben. Wer jetzt eine neue Milchquotierung der EU fordert, verkennt deren marktverzerrende Wirkung und hat aus den letzten 35 Jahren Milchquotenregelung nichts gelernt. Die Milchquote hat den Start für eine gesunde Agrarmarktaufstellung im Segment Milch ins heutige Jahr verschoben. Einen Gefallen haben wir uns damit nicht getan.

Was nun greifen muss, ist die soziale Marktwirtschaft. Und dazu gehört eben auch, dass wir die Marktwirtschaft nicht verlassen. Nur so sind wir erfolgreich. Mit dem Agrarstrukturänderungsgesetz wollen wir nun einen Weg beschreiten, der nach marktregulatorischen Mechanismen sucht, die den Übergang aus der Milchkrise durch Kartellbildungen suchen. Ich bin weiterhin bemüht, den Nutzen dieser Maßnahme zu finden. Bislang vergebens. Ich weiß, dass Planwirtschaft stets die Theorie der Praxis vorzieht. Daher glaube ich, dass dieses Gesetz bestenfalls psychologisch beruhigend wirken kann. Bestenfalls!

Einen praktischen Nutzen, der die Existenzen schützt, der das Einkommen der Landwirte absichert, die Milchwirtschaft nachhaltig stärken kann und nicht zuletzt die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, wird zum jetzigen Zeitpunkt keiner absehen können. Ich kann es derzeit nicht.

Unbestritten ist, dass wir die Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Erzeugergemeinschaften verstärken müssen. Unbestritten ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel sich zunehmend der Verantwortung der Bürgerschaft gegenüber den Erzeugern bewusst wird. Unbestritten aber auch, dass hier noch viel zu tun ist und wir am Anfang eines solchen Bewusstseins stehen.

Es ist heute nicht der Anlass, Raubrittermethoden des Handels gegenüber der Bauernschaft anzuprangern. Aber ich stelle als Landwirt und Verbraucher gleichermaßen fest, dass die Rolle des Einzelhandels in der Lebensmittelversorgung flächendeckend nicht der entspricht, der sie entsprechen könnte und sollte! Denn Lebensmittelversorgungssicherheit kann nicht allein Aufgabe der Landwirte sein. Sie ist auch Angelegenheit der Lebensmittelketten. Und da sei klar erklärt: Wer einen Zusammenschluss von Tengelmann und Edeka feiert, kann sich heute nicht als Robin Hood feiern lassen. Den Lebensmittelhandelskonzernen kommt im besonderen Maße die Aufgabe zu, Fair Trade zu leben. Wer sich über Fair-Trade-Kaffee freut und Milchpreise von 18 Eurocent je Kilogramm zu zahlen bereit ist, versteht nicht, dass gerechter Handel eben auch in Deutschland beginnt.

Ob dieses Gesetz die Lösung aus der Krise ist, wird die Zukunft zeigen. Ich wünschte mir eine schnelle und effektivere Lösung, die zudem das zunehmend unausgesprochene Problem der Mangelernährung in Jemen, in Syrien und anderen Krisenregionen im Blick hat. Unsere Überproduktion wird benötigt! Menschen hungern! Da können wir nicht in Deutschland, in Spree-Athen ernsthaft debattieren, wie wir die Milchmengen künstlich reduzieren. Ich plädiere für eine aktive humanitäre Hilfe – und das schnell und unkompliziert –, die den Hunger in den Krisengebieten lindert!

Entscheidend ist: Diese Hilfe darf nicht stoppen, wenn wir mit den Milchpreisen aus der Talsenke zu höheren Preisen finden. Wenn wir diesen Lösungsansatz verfolgen, verpflichten wir uns, unseren Mitmenschen länger zu helfen und ihr Leid zu lindern. Wir dürfen sie nicht für die Krisenbewältigung benutzen, aber wir dürfen helfen – helfen, wo Hilfe dringend nötig ist!

Für den Moment gilt: Das Gesetz sollten wir zur Beratung in die Ausschüsse überweisen. Ich befürchte aber, dass eine segensreiche Wirkung von diesem Gesetz und den daraus folgenden Maßnahmen eher gering sein wird. Ich würde mich freuen, wenn ich mich irre und dies die Beratungen in den Ausschüssen zeigen. 

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