Rede Haushaltsgesetz 2017 zum Einzelplan des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (Epl. 10)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem zu dem Etat für Arbeit und Soziales genügend gesprochen wurde, kommen wir jetzt zu dem für Ernährung und Landwirtschaft. Ich bedanke mich bei Ihnen schon im Voraus sehr für die Mitarbeit an den in den nächsten Wochen anstehenden Beratungen dieses Etats.

Der Regierungsentwurf sieht eine Aufstockung meines Haushalts um 300 Millionen Euro auf insgesamt 5,9 Milliarden Euro vor. Das ist ein richtiges, ein gutes Zeichen; denn der Entwurf spiegelt damit nicht nur den Erfolg unserer Arbeit wieder, sondern er schafft auch Spielräume, um die beiden wichtigsten Ziele meiner Politik konsequent umzusetzen und starke Akzente zu setzen. Ich danke dafür, dass wir dies mit diesem Haushaltsvolumen werden erreichen können.

Mein Haushalt steht für eine zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft sowie – nicht zu vergessen! – einen gesicherten Garten- und Weinbau – auch mit dem Weinrecht werden wir uns in diesem Jahr noch befassen –, für vitale ländliche Räume und ebenso für eine gesunde und ausgewogene Ernährung von Anfang an.

Sie alle wissen: Die Landwirtschaft geht augenblicklich durch schwere Zeiten. Das gilt, wenn ich mir die aktuellen Ergebnisse der Getreideernte ansehe – sie fallen natürlich regional unterschiedlich aus –, nicht nur für die Milchbauern. Wir stehen deswegen an der Seite aller Betroffenen und müssen auch angemessen zur Entlastung beitragen.

Wir entlasten unsere Landwirte, und zwar alle und aus allen Branchen, auch 2017 durch einen gleichbleibend hohen Zuschuss in Höhe von 178 Millionen Euro bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Überhaupt hat im Bereich der Landwirtschaft das Soziale einen sehr hohen Anteil in unserem Haushalt.

Wir werden eine weitere Entlastung im steuerlichen Bereich vornehmen. Wir arbeiten daran, die Möglichkeit der Gewinnglättung von zwei auf drei Jahre auszuweiten. Wir wollen die Erlöse aus Veräußerungsgewinnen zukünftig durch einen Freibetrag von der Steuer verschonen, wenn sie zur Schuldentilgung verwendet werden. Über diese Frage werden natürlich Sie in den parlamentarischen Beratungen zu reden und zu entscheiden haben. Ein nationales Bürgschaftsprogramm soll dies ergänzen.

In der aktuellen Krise kommt es auch auf weitere Hilfe an, insbesondere für die Milchbauern. Ich habe in Brüssel intensiv und hart für ein zweites EU-Hilfspaket gekämpft. Wir hatten Erfolg. 150 Millionen Euro stehen ab Oktober für Maßnahmen zur Mengenregulierung bereit. Die Länder übernehmen die Durchführung. Dies begrüße ich als einen solidarischen Beitrag der Länder zur Überwindung der Marktkrise. Ich bedanke mich aber auch für die Kooperation, die wir von beiden Seiten, von Bund und Ländern, in der praktischen Umsetzung erreichen konnten. Es ist die gute Situation eingetreten, dass hier nicht nach Parteifarben vorgegangen wird und unterschiedliche Blickwinkel eingenommen werden, sondern gemeinsam angepackt wird, um das Geld schnellstmöglich bei den Erzeugern, bei den Bauern und Bäuerinnen, ankommen zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich werde das anschließend, wenn ich von hier direkt zur Agrarministerkonferenz fahre, auch mit den Landeskollegen besprechen.

Weitere gut 58 Millionen Euro stellt uns die Europäische Union für ein nationales Hilfspaket zur Verfügung. Den Umfang des Hilfspakets will ich mit nationalen Mitteln auf 117 Millionen Euro verdoppeln. Hier werden wir Mengendisziplin verbindlich festschreiben.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir arbeiten im Moment mit Hochdruck an der genauen Ausgestaltung des Programms, das einer engen Abstimmung mit Brüssel bedarf. Die Brüsseler Regelungen werden morgen veröffentlicht werden. Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister darüber einig, dass ich nach Spruchreife dieses Programms – wenn meine Leute, die in diesem Bereich unwahrscheinlich viel arbeiten, das über das Wochenende umsetzen, vielleicht schon Anfang der nächsten Woche – die Regelungen auf den Weg bringen werde. Es geht darum, im Rahmen von über- und außerplanmäßigen Ausgaben noch für 2016 Mittel zur Verfügung zu haben. Ich bitte Sie hier schon heute um Ihre Unterstützung. Für mögliche weitere Maßnahmen erwarte ich auch die Unterstützung der Bundesländer.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen beim Thema Milch die Ursachen aber jetzt schon tiefgehend analysieren und diskutieren. Wer das nicht macht, legt die Falle für die nächste Krise aus. Mein Befund ist, dass die Erzeuger gegenwärtig das Risiko faktisch alleine tragen. Wir müssen also bei den Marktrisiken zwischen Erzeugern, Molkereien, Lebensmitteleinzelhandel und Verbrauchern eine bessere Balance finden. Das kann aber nicht nur der Staat regeln. Mir fällt auf, dass viel nach dem Staat gerufen wird, manchmal schneller, als man selbst geschaut hat, wo denn Möglichkeiten zur Verbesserung sind. Deswegen lade ich nächste Woche zu meinem zweiten Milchstrukturgespräch ein.

Da will ich zum einen hören – ich werde nicht predigen –, was sich denn bei den Lieferbeziehungen tut. Ich möchte wissen, wie die Genossenschaften ihrer Verantwortung gegenüber ihren Genossen zum Beispiel in Form eines strategischen Mengenmanagements für die Milch gerecht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden auch darüber reden müssen, dass es manche gibt, die offensichtlich nur rein innerbetriebswirtschaftliche Überlegungen haben, ohne die Konsequenzen für die Erzeuger in ihre Perspektiven einzubeziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich dränge zur Eile, weil ich schon jetzt spüre – wir sind ja wie die Landwirte sehr sensorisch veranlagt –, dass die Bereitschaft zum Umdenken sofort nachlässt, wenn, wie jetzt in diesen Tagen, die Erzeugerpreise für Milch erste leichte Signale der Erholung zeigen.

(Johann Saathoff [SPD]: Das ist das Problem!)

Das kann nicht sein. Deswegen sage ich: Legt jetzt alle Kräfte zusammen, um Strukturen zu verbessern!

(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Ja!)

Da wird manchmal kräftig zugelangt; das soll auch sein. Da bin ich auch gerne mit dabei. Aber es kann keiner erwarten, dass ich um des lieben Friedens willen nur Geld organisiere und die Probleme nicht angegangen werden. Da müssten auch manche bei uns, auch in der politischen Diskussion, bevor sie den Mund aufmachen und Forderungen erheben, einmal ein klein wenig nachdenken, wie man in andere Bereiche mit hineinwirken muss. Ich bin nicht bereit, den Status quo fortzuschreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nicht zumutbar für die Bäuerinnen und Bauern. Ein solches Vorgehen würde so kurzzeitig tragen wie ein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Zu unserer arbeitsteiligen Weltwirtschaft gehört übrigens auch der Export in kaufkräftige Märkte. Manchmal ist mir nicht so ganz klar, über was wir reden, was unter Markt verstanden wird. Ich werde die Exportförderung und das Messeprogramm auf hohem Niveau fortschreiben. Wir eröffnen damit unseren Landwirten neue Chancen auf neuen Märkten. Damit das ganz klar gesagt ist: Verantwortungsbewusster Export von Nahrungsmitteln ist für mich kein notwendiges Übel zum Ausgleich von Überproduktion, sondern legitimer Bestandteil landwirtschaftlicher Produktion in Gunstregionen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bitte uns alle darum, nicht dazu beizutragen, dass der Export per se in eine Schmuddelecke gestellt wird. Da gehört er jedenfalls heute nicht mehr hin. Wir sind heute weltweit Nummer drei beim Agrarexport. Ja, das ist für andere aus ganz anderer Sicht ein Problem, weil sie diese Rangstelle erreichen möchten. Wir jedenfalls müssen dabei auf Qualität und natürlich auf die regionalen Märkte achten. China ist beispielsweise ein wichtiger Exportmarkt, dessen Aufnahmebereitschaft in diesem Jahr übrigens zu den deutlich besseren Preisen für Schweinefleisch beigetragen hat. Russland ist ein komplexes Kapitel, an dem wir arbeiten. Ich habe intensive Gespräche mit meinem russischen Kollegen geführt. Ich war vor wenigen Wochen in Moskau und werde in diesem Jahr noch einmal hinreisen. Wir werden über diese Fragen dann mit Blick auf das nächste Jahr zu sprechen haben.

Mein Haus wird im nächsten Jahr einen nationalen Exportbericht für die Agrarmärkte vorlegen. Auf dieser Grundlage werden und können wir dann über die Perspektiven des Exports, seine Chancen und Potenziale reden. Ich lade alle dazu ein; denn bislang wird die Diskussion schief geführt. Das ist nicht in Ordnung. Mich wundert, dass zum Beispiel kaum zur Kenntnis genommen wird – oder genommen werden will –, dass sich die Europäische Union, auch dank der von mir dezidiert vertretenen Position, bei der WTO erfolgreich für ein Ende der Exportsubventionen bei Agrargütern eingesetzt hat.

Lassen Sie mich auch noch ein sehr nachdenkliches und kritisches Wort zu den Freihandelsabkommen sagen. Ja, ich weiß, es gibt großes Interesse daran und große Diskussionen darüber. Das ist ja auch gut so. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass unsere heimische Land- und Ernährungswirtschaft durch den freien Handel gewinnen kann; denn deutsche Lebensmittel stehen nicht nur für höchsten Genuss, sondern auch für die sichersten Standards weltweit. Und dieses Schutzniveau wird durch TTIP oder CETA – bei TTIP durch unsere Verhandlungspositionen; bei CETA durch die Ergebnisse – nicht infrage gestellt.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nein!)

Deshalb finde ich auch die Haltung, die in der Diskussion von manchen Nichtregierungsorganisationen, zum Teil auch von Politikern, zum Beispiel von den Grünen, eingenommen wird, leicht paradox.

Auf der einen Seite wird unterstellt, Freihandelsabkommen würden die hohen Schutzstandards unserer Lebensmittel unterwandern. Das heißt, unsere hohen Schutzstandards werden gelobt. Aber kurz darauf werden unsere Nahrungsmittel als vergiftet, krankmachend und ungenießbar dargestellt. Damit stellen Sie doch genau die Standards infrage, die Sie vorher noch beschworen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Glauben wir denn, dass, wenn wir so etwas in den Raum stellen, sich die Lebensmittelerzeuger, die Bäuerinnen und Bauern, die Bäcker, die Bierbrauer noch respektiert fühlen können? Wohl kaum.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich wünsche mir, dass wir mit Sachkenntnis und Ruhe nachhaltig und verantwortungsbewusst, auch beispielsweise hinsichtlich Pflanzenschutz, diskutieren.

Da fällt mir das Thema Glyphosat ein. Die Stiftung Warentest, die auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet worden ist, damit Verbraucher objektiv über die Qualität von Produkten informiert werden, hat vor einigen Wochen – Sie haben es sicherlich gelesen – einen großen Test über die Wasserqualität des Trinkwassers, also Leitungs- und Mineralwasser, in Deutschland veröffentlicht. Ein Ergebnis dieser Untersuchung widerspricht deutlich der immer wieder aufgestellten Behauptung, Glyphosat wäre ubiquitär, also überall und unbegrenzt verbreitet. Der Test besagte nämlich, dass Glyphosat in nicht einer einzigen der Trinkwasser- und Mineralwasserproben gefunden worden ist.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch nicht im Bier!)

Deutsches Trinkwasser ist glyphosatfrei. Das möchte ich hier uns schon gerne zur Kenntnis geben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es ging um Bier, nicht um Wasser! Sollen wir jetzt Wasser statt Bier trinken?)

Dies sollte Anlass sein, dass wir nüchtern und ruhig über dieses Thema sprechen. Ich sehe nach wie vor und weniger denn je Anlass, den Wirkstoff Glyphosat komplett zu verbieten. Neben dem gesellschaftlichen und auch politisch motivierten Druck habe ich fast den Eindruck, manchen wäre es lieber gewesen, es wäre herausgekommen, dass in Wasser Glyphosat ist. Mir nicht. Ich bin froh und dankbar, dass es so ist, wie es ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Den starken Mittelansatz für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation in Höhe von 280 Millionen Euro will ich unter anderem dazu nutzen, unsere Landwirte bei der Anpassung an extreme Wetterlagen zu unterstützen, mit denen wir, auch bedingt durch den Klimawandel, immer mehr rechnen müssen. Perspektiven der nachhaltigen Nutzung des Clusters Forst und Holz sind mir ebenso wichtig wie die Eiweißstrategie und der Ökolandbau. Zudem müssen wir die Klimabilanz der Landwirtschaft verbessern, etwa durch die Förderung von CO2-Senken in Wald und Forst. Beim Klimaschutz ist die Landwirtschaft Teil der Lösung. Wir werden uns als solchen Teil der Lösung in die Diskussion einbringen, auch innerhalb der Beratungen in der Bundesregierung über Klimaschutzmaßnahmen. Ich rate hier zu einer konstruktiven Zurückhaltung bei Einzelmaßnahmen. Das Baugesetzbuch haben wir gerade in der letzten Legislaturperiode geändert. Wir sollten einmal schauen, wohin sich die Dinge dann entwickelt haben.

Landwirtschaft muss ökonomisch und ökologisch tragfähig sein. Beides gehört zusammen. Ausgehend von diesem Ansatz werden wir konstruktiv daran arbeiten. Geld haben wir zur Verfügung. An Steuererhöhungen denke ich nicht. Ich weiß, dass fast über alles diskutiert wird, etwa über Steuern auf Zucker, Salz, tierische Produkte, Fett und vieles andere. Ich glaube nicht, dass dies der Weg ist, um das Verbraucherverhalten und das Ernährungsverhalten zu verbessern. Ja, es muss verbessert werden. Das werden wir zum einen dadurch machen, dass wir ein Bundeszentrum für die Ernährungskommunikation aufbauen. Wir wollen uns noch stärker um die jungen Menschen kümmern. Das geplante Bundeszentrum für Ernährung soll dann besonders bei Kindern in Schule und Kita tätig sein. Wir werden darüber hinaus 2016 und 2017 Transparenz bei der Lebensmittelinformation weiter voranbringen.

Dieses Haus hat sich das Thema Lebensmittelkennzeichnung auf die Fahne geschrieben. Ich bin dabei; lassen Sie mich aber sagen: Wenn die Kennzeichnung dazu dienen sollte – ich habe den Eindruck, dass es in anderen europäischen Ländern leider eine Tendenz dazu gibt –, heimische Produkte hervorzuheben und andere Produkte, beispielsweise deutsche Produkte, vom Markt auszuschließen, dann müssen wir darüber in der Europäischen Union sehr offen und ehrlich und notfalls strittig reden.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Minister.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft:

Die ländlichen Räume stehen im Mittelpunkt.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Sie dürfen so lange reden, wie Sie möchten, aber ich muss Ihnen sagen, dass das dann zulasten der Redezeit Ihrer Fraktion geht.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja, es sind schon drei Minuten!)

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft:

Frau Präsidentin, in meiner Dankbarkeit gegenüber der Fraktion gehe ich so weit, dass ich davon ausgehe, dass das Thema „ländliche Räume“ bei der GAK, den Haushältern und diesem Parlament in guten Händen ist und die weiteren Beratungen positiv für uns alle ausfallen.

Ich bedanke mich und wünsche uns gute Haushaltsberatungen bis Ende November.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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