Rede zum Leistungsschutzrecht

36.) Zweite und Dritte Beratung Bundesregierung

Urheberrechtsgesetz/Änd

- Drs 17/11470, 17/12534 -

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird noch immer bestritten, dass es einen Handlungsbedarf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage gibt.

(Brigitte Zypries [SPD]: Ja, das stimmt!)

Ich rate den Kritikern, einmal nach Frankreich zu schauen; denn die Lösung, die man dort gefunden hat, ist heute noch gar nicht angesprochen worden. Sie belegt aber, dass unbestreitbar ein Handlungsbedarf besteht.

Anfang Februar hat sich der Chef von Google mit dem französischen Staatspräsidenten geeinigt und ein Abkommen unterzeichnet, nach dem die Firma Google 60 Millionen Euro für die Nutzung von Verlagsinhalten in der Vergangenheit

(Unruhe)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Einen Augenblick, Herr Kollege. – Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, die zur Abstimmung freundlicherweise in den Plenarsaal kommen, bitten, Platz zu nehmen und dem letzten Redner zuzuhören. – Helfen Sie mal da hinten! – Herr Kollege Schockenhoff, es gibt noch hinreichend Plätze, um das Ende dieser Debatte geordnet zu verfolgen. – Bitte schön, Herr Kollege Silberhorn.

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):

Vielen Dank. – Der Chef von Google und der französische Staatspräsident François Hollande haben Anfang Februar ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Google für die Nutzung von Verlagsinhalten in der Vergangenheit 60 Millionen Euro in einen Fonds für Onlineprojekte von Verlagen und Redaktionen einzahlt. Dafür verzichtet Frankreich auf eine gesetzliche Regelung.

Google ist kein Wohlfahrtsverband, sondern ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

wie die Verlage übrigens auch.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist richtig!)

Google hätte doch keinerlei Grund gehabt, einen solchen Deal einzugehen, wenn nicht klar wäre, dass hier verlegerische Leistungen genutzt werden, die einen eigenen wirtschaftlichen Wert haben. Deswegen ist unbestreitbar, dass hier Handlungsbedarf besteht. Deshalb schaffen wir das Leistungsschutzrecht in Deutschland.

Das Zustandekommen dieser Vereinbarung in Frankreich lässt übrigens viele Fragen offen. Es gibt einen zweiten Teil des Abkommens, der der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt worden ist. Zeitungen zufolge soll es einen privilegierten Zugang von Verlagen zu den Plattformen der Firma Google geben, also eine geldwerte Leistung. Die Umstände dieses Vertragsschlusses, dass der Geschäftsführer nur eines großen Unternehmens mit dem Staatspräsidenten eines Landes verhandelt und dass die Vertragsdetails nicht offengelegt werden, führen uns vor Augen, dass es sich hier um ein wenig transparentes Verfahren handelt, das eher an einen orientalischen Basar erinnert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nun ist ein orientalischer Basar ein spannendes Modell, aber kein Vorbild für unsere Gesetzgebung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir schaffen ein Leistungsschutzrecht für alle Verlage und beziehen alle Beteiligten auch aufseiten der Suchmaschinenbetreiber und der News-Aggregatoren ein. Wir schaffen damit einen transparenten Ordnungsrahmen für alle Beteiligten. Wir schützen verlagstypische Leistungen, die im Internet zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich gemacht werden. Insofern fügt sich das Leistungsschutzrecht homogen in das bestehende System der Leistungsschutzrechte im Urheberrecht ein.

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wenn hier behauptet wird, dass die gesamte Zivilgesellschaft gegen diesen Vorschlag wäre. Vor dem Brandenburger Tor -demonstrieren derzeit 10 bis 15 Demonstranten gegen diesen Gesetzentwurf, insbesondere von der Piraten-partei.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Mahnwache, Herr Kollege!)

Ich will aber doch ernst nehmen, wenn Blogger und Journalisten immer noch die Sorge äußern, dass sie in Zukunft Gefahr laufen könnten, wegen einer Verletzung von Leistungsschutzrechten abgemahnt oder verklagt zu werden.

Im Gesetzentwurf wird das Leistungsschutzrecht beschränkt auf gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter von Diensten, die fremde -Inhalte entsprechend aufbereiten. Das bedeutet für Blogger oder Journalisten: Wer auf seiner Homepage ein Werbebanner setzt, unterliegt damit nicht dem Leistungsschutzrecht; denn die gewerbliche Nutzung muss sich auf das Aufbereiten fremder Inhalte beziehen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ein Blogger oder ein Journalist, der selber als Verleger auftritt, kann auch Inhaber des Leistungsschutzrechts werden.

Wir haben den Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts durch einen Änderungsvorschlag noch einmal klargestellt. Danach sind einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte vom Schutzbereich des Leistungsschutzrechts ausgenommen. Auch ohne diese Präzisierung bliebe natürlich das Zitatrecht erhalten und blieben bloße Verlinkungen nicht betroffen.

Inwieweit die Betreiber von Suchmaschinen von diesem Leistungsschutzrecht tangiert sind, hängt davon ab, was genau sie in ihren Trefferlisten anzeigen. Entscheidend für den Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts ist zunächst nicht die konkrete Länge des Textausschnitts; maßgeblich ist vielmehr, ob das Suchergebnis auf die verlagstypische Leistung der Presseverlage und damit auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistung -zugreift. Dort, wo Inhalte Dritter angezeigt werden – und seien es nur ein oder zwei Zeilen –, wird eine verlags-typische Leistung eines anderen Anbieters genutzt, und dort greift das Leistungsschutzrecht. Wenn aber nur einzelne Wörter, kleinste Textausschnitte angezeigt werden, die beschreibender Natur sind, die lediglich das Auffinden des gewünschten Suchbegriffs ermöglichen sollen, dann handelt es sich um die originäre Leistung der Suchmaschine. Das liegt nicht im Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts. Deswegen ist es richtig, dass wir uns hier für eine abstrakt generelle Regelung entschieden haben, die auf den Einzelfall abstellt und nicht den Fehler macht, durch starre Zeichenbeschränkungen ungerechte Ergebnisse hervorzubringen.

Im Übrigen haben auch die Anhörungen ergeben, dass die Praxis ohne Weiteres in der Lage sein wird, in jedem Einzelfall sicher zu klären, was verlagstypische Leistung ist. Wir schaffen damit den Spagat zwischen dem Schutz der verlegerischen Leistung einerseits, ohne andererseits die Auffindbarkeit von Suchergebnissen und die Informationsfreiheit zu beeinträchtigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben dieses Thema in den vergangenen drei Jahren in aller Ausführlichkeit diskutiert. Wir hatten drei umfangreiche Anhörungen im Rechtsausschuss, im Ausschuss für Kultur und Medien und im Unterausschuss „Neue Medien“ des Deutschen Bundestages. Jetzt liegt es an den Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren, aber auch an den Verlagen und Urhebern, sich zusammenzusetzen und über die Ausgestaltung der Lizenzierung zu reden. In diesem Rahmen wird sich dann zeigen, ob etwa Suchmaschinenbetreiber ihr Angebot auf ein Maß begrenzen, das nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst ist. Es mag sicher auch Suchmaschinenbetreiber geben, die ihren Nutzern verlagstypische Inhalte anbieten wollen; aber dafür müssen sie dann auch Lizenzen erwerben. Diese Fragen wird der Markt regeln, und er soll sie auch regeln. Das gilt ebenso für die Frage, ob zur Lizenzierung und zur Ausschüttung von Erlösen eine Verwertungsgesellschaft herangezogen werden soll oder nicht.

Es wird aber keine Abmahnwelle geben, und es wird auch keine Prozesswelle geben. Vielmehr sorgen wir mit diesem Gesetz dafür, dass jetzt verhandelt werden kann – und zwar auf Augenhöhe – zwischen den Suchmaschinenbetreibern und den News-Aggregatoren auf der einen Seite und den Verlagen einschließlich der Autoren auf der anderen Seite. Das ist ein großer Schritt für das Leistungsschutzrecht in Deutschland. Es sichert die Vielfalt der Presselandschaft in unserem Land, und es stärkt die gesamte Kreativwirtschaft. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Druckversion
Externe Links