Rede zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Wir als Gesetzgeber haben, wenn wir heute erstmals über die Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus debattieren, die folgenden beiden Aspekte zu beachten: den Schutz der Öffentlichkeit vor möglichen Gefahren, die von einzelnen untergebrachten Personen ausgehen könnten, aber auch den Schutz des einzelnen Untergebrachten vor eventuellen Fehleinschätzungen durch Behörden und Gerichte.

Die anstehende Gesetzesänderung stärkt die therapeutischen Erfolgsmöglichkeiten und ermöglicht einen zielgenaueren und effizienteren Einsatz der begrenzten Ressourcen im Bereich der Entziehungseinrichtungen.

Ziel der Änderungen der §§ 63 ff. StGB ist es, die steigenden Zahlen der in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entzugsklinik untergebrachten Personen zu senken und die Voraussetzungen einer Unterbringung und ihrer Dauer zu regulieren.

Der kontinuierliche Anstieg und die wachsende Dauer der untergebrachten Personen haben den Anlass geboten, eine Gesetzesänderung herbeizuführen: Im Jahr 2000 waren 4 089 Personen in solchen Einrichtungen untergebracht; diese Zahl ist bis zum Jahr 2013 um mehr als 50 Prozent auf 6 652 Personen angestiegen. Auch die durchschnittliche Unterbringungsdauer hat sich von 6,2 Jahren in 2008 auf acht Jahre in 2012 erhöht.

Für die Unterbringung in einer Entziehungsklinik ist eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg erforderlich. Es ist daher von Bedeutung, dass der Betroffene durch die Behandlung geheilt wird oder über einen erheblichen Zeitraum von Rückfällen abgehalten wird. Für diese Anordnung ist daher eine präzise Prognose erforderlich, wie lange eine solche Unterbringung erforderlich ist.

Durch das Anfügen der Frist aus § 67 d I 1 und 3 StGB wird der Therapie eine zeitliche Grenze von zwei Jahren gesetzt, soweit keine Freiheitsstrafe verhängt wurde, da sich der Täter durch seine Sucht in einem schuldunfähigen Zustand befand. Dies hat den Zweck, den Streit in der Rechtsprechung über die Dauer solcher Maßnahmen zu beenden. Diese Höchstdauer ist meiner Meinung nach vernünftig, da eine sinnvolle Prognose über die Dauer von drei Jahren nicht wirklich möglich ist.

Wurde eine freiheitsentziehende Maßnahme verhängt, kann die Therapiedauer auch auf diese Zeit verlängert werden. Dies ist besonders bei Straftätern, die über die Suchtmittelabhängigkeiten hinaus an weiteren psychischen Erkrankungen leiden, erforderlich, da in diesen Fällen eine Entwöhnung durchaus länger dauern kann. Die Behandlungsdauer soll dadurch nicht verlängert werden; diese Verlängerung gilt nur für besonders schwierige Fälle.

Durch die Erweiterung des § 67 StGB um einen Absatz 6 soll eine wichtige Entscheidung des BGH umgesetzt werden, wonach die Zeit des Maßregelvollzugs in Härtefällen auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Durch diese Änderung wird bei einer Gesamtstrafe der Maßregelvollzug berücksichtigt.

Wie wir wissen, verfolgen Freiheitstrafen und freiheitsentziehende Maßnahmen unterschiedliche Zwecke, weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander angeordnet werden können. Geschieht dies, ist jedoch geboten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke beider Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden, ohne dabei in das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II 2 GG mehr als notwendig einzugreifen. Diese genannten Vorgaben sind nicht schematisch zu sehen, sondern dienen nur als Kriterien für die Abwägung im Einzelfall. Im Vordergrund muss immer die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten und dem Maßregelvollzug stehen. Dies setzt eine schonende Anwendung der staatlichen Gewalt gegenüber dem Bürger und nur eine Anwendung bei einer wirklichen Dringlichkeit voraus. Der Vollzug der anderen Freiheitsstrafe muss zu einer unbilligen Härte für den Untergebrachten führen. Ein wesentliches Kriterium dafür sind vor allem der erzielte Therapieerfolg und eine anschließende Gefährdung durch eine Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Diese Kriterien sind für jeden Fall einzeln abzuwägen und unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beleuchten. Dabei spielt auch und vor allem das Verhalten des Untergebrachten während der Therapie eine erhebliche Rolle. Im vorgelegten Gesetzentwurf gibt es auch ein Regelbeispiel, bei welchem es nicht zu einer Anrechnung der Zeit in der Einrichtung auf die Freiheitsstrafe kommen soll. Dies soll die präventive Wirkung der Strafandrohung untermauern.

§ 67 d VI StGB setzt für die Dauer der Entziehungsmaßnahme eine Höchstfrist von sechs Jahren voraus, welche nur unter besonderen Umständen verlängert werden kann. Durch diese Regelung soll auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Fortdauerentscheidungen gewahrt werden. Eine längere Unterbringung ist daher nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass durch den Untergebrachten Taten begangen werden, durch die dem Opfer schwere seelische oder körperliche Schädigungen zugefügt werden. Nach zehn Jahren gilt Absatz 3 entsprechend. Diese Vorschrift gilt für § 63 und § 64 StGB gleichermaßen. Diese erhebliche Beeinträchtigung, die gefordert wird, setzt den Rahmen für die Angemessenheit der Fortdauer erheblich höher, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II 2 GG zu wahren. Ob solche erheblichen Straftaten drohen, hat das Gericht nach der Neufassung in einer umfassenden Einzelfallprüfung und unter Berücksichtigung aller Umstände zu bewerten. Je länger die Unterbringung andauert, desto eingehender hat das zuständige Gericht die einzelnen Umstände zu prüfen und zu würdigen.

In § 67 d VI 2 und 3 StGB werden die Verhältnismäßigkeitsgrundsätze speziell für die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung dargelegt. Da eine Unterbringung in einer solchen Einrichtung auch „lebenslänglich“ erfolgen kann, sind an die Verhältnismäßigkeit große Anforderungen zu stellen. Dabei sind auch wieder die konkret zu erwartenden Straftaten zu beachten und in die Abwägung einzubeziehen. Die Voraussetzungen an die Verhältnismäßigkeit sind umso strenger, je länger der Untergebrachte in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wurde. Die Fortsetzung der Unterbringung wird nach sechs und nach zehn Jahren an erhöhte Voraussetzungen geknüpft.

Wir haben hier einen umfangreichen Entwurf vorliegen, der die von mir eingangs genannten beiden Aspekte „Schutz der Öffentlichkeit“ und „Schutz der einzelnen untergebrachten Person“ ausreichend würdigt.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

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