Rede zum Haushaltsgesetz 2017 Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um den Justizhaushalt ist auch immer eine Standortbestimmung der Rechtspolitik und guter Rechtsetzung. Wir müssen in jüngster Zeit mit großem Unbehagen eine besorgniserregende Entwicklung beobachten: die deutliche Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte, Rettungskräfte und Feuerwehrleute.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Und Flüchtlinge!)

Diejenigen, die helfen, retten und schützen, werden selbst zur Zielscheibe von Angriffen. Es beginnt mit groben Beleidigungen und reicht bis hin zu schweren Körperverletzungen. Allein im Jahr 2015 sind über 60 000 Angriffe auf Polizeibeamte zu verzeichnen. Diesen Umstand kann und wird der Rechtsstaat nicht hinnehmen. Wir brauchen einen stärkeren gesetzlichen Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften im Einsatz. Dafür machen wir uns stark.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ersetzt natürlich nicht die gesamtgesellschaftliche Ursachenforschung, weshalb und aus welchen Motiven die Hemmschwelle für Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte sowie ganz allgemein in dieser Gesellschaft abgenommen hat. Eine solche Strafrechtsänderung ist aber zur Selbstbehauptung des Rechtsstaats und seiner Organe notwendig. Wir schützen die, die uns schützen. Insofern ist ein solcher Gesetzentwurf in den nächsten Wochen dringend notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Zusammenhang mit der Arbeit unserer Polizei möchte ich auch darauf hinweisen, dass mich die jüngsten Äußerungen der Integrationsbeauftragten etwas befremdet haben. Es wäre schön gewesen, wenn sich Frau Özoğuz als Integrationsbeauftragte und Staatsministerin einfach einmal beim Verfassungsschutz und bei der Polizei für besonnenes und konsequentes Vorgehen gegen Verfassungsfeinde bedankt hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen ist die Frage des Umgangs mit sogenannten Kinderehen in den Mittelpunkt der rechtspolitischen Debatte gerückt. Ich möchte eines deutlich ansprechen: Der Begriff der Kinderehe ist eigentlich drastisch beschönigend. Wir müssen diesen Umstand deutlich beim Namen nennen: Sogenannte Kinderehen sind Formen fortgesetzten schweren Kindesmissbrauchs.

(Beifall bei der CDU/CSU)

194 Staaten dieser Erde haben die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet. Diese gewährt allen Kindern das Recht, unversehrt aufzuwachsen und vor Missbrauch geschützt zu werden. Daher kann und darf es nirgendwo auf der Welt und in keinem Kulturkreis und aus keinem weltlichen oder religiösen Gebot heraus eine Rechtfertigung für sogenannte Kinderehen geben. Der Schutz der Kleinsten und Schwächsten muss absolut gelten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kinderehen verstoßen gegen unsere Rechts- und Werteordnung. Sie dürfen daher nicht nur irgendwie aufhebbar sein, nicht auch noch zu einer Belastung werden, einen Anwalt aufzusuchen oder das Jugendamt einzuschalten, sondern sie sind, wenn es um Kinder unter 14 Jahren geht, von vornherein als nichtig zu betrachten. Auch diese Regelung müssen wir zügig auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Wir brauchen, meine Damen und Herren, im Bereich des Verbraucherschutzes eine gesetzliche Klarstellung für all die Menschen, die für sich oder ihre Familie Wohneigentum schaffen und einen Kredit benötigen. Nach der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht mehren sich ernstzunehmende Berichte, dass nach der Kreditwürdigkeitsprüfung vor allem Familien mit Kindern oder ältere Menschen deutlich größere Schwierigkeiten haben, ihren Traum vom Eigenheim zu finanzieren. Der Schutz vor finanzieller Überforderung ist sicherlich ein wichtiges Anliegen, gerade in Zeiten niedriger Zinsen. Auch darf die Gefahr möglicher Blasenbildungen auf den Immobilienmärkten nicht unterschätzt werden. Wir glauben dennoch, dass eine selbstgenutzte Immobilie die beste Altersvorsorge darstellt und eine hohe Eigentumsquote daher insgesamt zur wirtschaftlichen Stabilität einer Gesellschaft beiträgt. Daher sollten wir die Regelungen der Kreditvergabe so überarbeiten, dass junge Familien mit Kindern oder ältere Menschen, die ihre Immobilie sanieren wollen, mehr Chancen auf einen Kredit bekommen. Das sind wir dem Immobilienmarkt schuldig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ein wichtiges Thema bleibt der Umgang mit Hass und Hetze im Internet, insbesondere in den sozialen Medien. Festzuhalten ist zunächst, dass die freie Rede und die Meinungsfreiheit für das Funktionieren eines liberalen und demokratischen Gemeinwesens unverzichtbar sind. Die Gesellschaft hat dabei auch solche Meinungen zu dulden, die wenig opportun erscheinen, als politisch unkorrekt gelten oder gar offen zum Widerspruch herausfordern. Die Grenze der Meinungsfreiheit ist jedoch dort überschritten, wo unmittelbar zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschen bedroht und beleidigt werden.

Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen im Recht und in der Würde des Anderen. Das richtige Vorgehen gegen Hass in den sozialen Medien kann nicht mehr allein an runden Tischen oder in wohlfeilen Appellen erschöpfend behandelt werden. Es kann auch nicht darin bestehen, dass private Organisationen eine Art Wächterfunktion erhalten und in staatlichem Auftrag bestimmen, welche Meinung akzeptabel ist oder nicht. Es sind vielmehr Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie die Betreiber der Netzwerke selbst, die jetzt deutlich in der Pflicht stehen.

Vonseiten der Staatsanwaltschaften und Gerichte gibt es erfreuliche Nachrichten. Sie kümmern sich deutlich stärker um Verurteilungen wegen Aufrufs zu Straftaten, Volksverhetzung, Holocaustleugnung oder Beleidigung. Das entlässt die Betreiber sozialer Medien aber nicht aus ihrer Pflicht. Im Gegenteil: Wenn die Betreiber der Seiten ihrer Pflicht zur Löschung nicht unmittelbar nachkommen, dann dulden sie irgendwie mittelbar die auf ihren Seiten begangenen Rechtsverletzungen. Sie sind daher in der Pflicht – das werden wir auch gesetzlich regeln –, schneller zu löschen. Sie sollen keine Chance mehr haben, sich hinter Gerichtsständen im Ausland zu verstecken. Die Demokratie braucht im Interesse eines funktionierenden Gemeinwesens auch hier eine klare rechtliche Regelung. Dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe der Rechtspolitik ist es, das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Organe zu festigen und auszubauen, auf den Wert von Gewaltenteilung und einer unabhängigen Justiz hinzuweisen und damit unser liberales und demokratisches Gemeinwesen zu stärken. Dafür stehen wir mit unseren Überzeugungen, und dafür steht auch dieser Haushalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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