Rede zur Gesundheitskarte

27.*) Beratung Antrag DIE LINKE.

Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte

- Drs 17/7460 -

Die Gesundheitswirtschaft hat eine sehr große Bedeutung in unserem Land. Wir haben rund 4,6 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen. Der Bereich Gesundheit ist somit ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Damit dies so bleibt, dürfen wir uns Entwicklungen, egal in welchem Bereich, nicht verschließen; wir brauchen nicht nur Produkt- sondern auch Prozessinnovationen. Zu Letzterem gehört auch die Informationstechnik. Sie bietet für das Gesundheitswesen große Chancen und gute Perspektiven für eine bessere Versorgung und bessere Abläufe. Es ist völlig klar, dass die moderne Informationstechnologie auch Eingang in das Gesundheitswesen erhalten muss. Ein wichtiger Teil davon ist die elektronische Gesundheitskarte.

Der Start der elektronischen Gesundheitskarte erfolgte jedoch unter schwierigen Bedingungen. Mit den vielen Funktionen wie dem elektronischen Rezept, dem elektronischen Arztbrief und der Patientenakte war das Projekt schlicht überfrachtet und daher nicht umsetzbar. Das hat die christlich-liberale Koalition erkannt und ist es deshalb neu angegangen.

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, vor einer weitergehenden Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, bei der Geschäftsmodell und Organisationsstruktur der Gematik sowie die bisherigen Erfahrungen in den Testregionen überprüft und bewertet werden. Diese Bestandsaufnahme wurde erfolgreich abgeschlossen. Folgende Anwendungen sollen nun umgesetzt werden: der Notfalldatensatz, das moderne Versichertenstammdaten-management und die sichere Kommunikation der Leistungserbringer. Wir konzentrieren uns also zunächst auf die Kernfunktionen der elektronischen Gesundheitskarte. Alle weiteren Funktionen werden zunächst zurückgestellt, bis praxistaugliche und sichere Lösungen vorgelegt werden.

Die Linken fordern nun mit ihrem Antrag ein Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte. Dieser Antrag entspricht nahezu wortwörtlich einem Antrag der Fraktion der FDP aus der letzten Wahlperiode. Soviel FDP war noch nie bei den Linken. Das bedeutet ja ein ganz neues Lebensgefühl. Herzlichen Glückwunsch dafür.

Allerdings hätten Sie Ihr Plagiat ruhig kennzeichnen können. Aber von Fußnoten halten Sie wohl nicht viel. Außerdem frage ich Sie, wo Sie die letzten drei Jahre seit dem Antrag der FDP waren. Wie so häufig offensichtlich nicht im Hier und Jetzt, sondern im ewigen Gestern. Mit dem Projekt und den Fortschritten der elektronischen Gesundheitskarte haben Sie sich jedenfalls nicht beschäftigt. Nur so ist es zu erklären, dass Sie den Antrag eins zu eins übernommen haben, ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf die Veränderungen des Projektes einzugehen. Das Einzige, was Sie können, ist abschreiben. Das ist politisch nicht gerade anspruchsvoll.

Die christlich-liberale Koalition hat sich vorgenommen, eine Telematikinfrastruktur zu schaffen, um medizinische Daten im Bedarfsfall sicher und unproblematisch austauschen zu können. Ich bin davon überzeugt, dass die elektronische Gesundheitskarte dazu einen sinnvollen Beitrag leisten kann. Die rechtliche Grundlage für die Karte wurde bereits im Jahr 2004 geschaffen, die flächendeckende Einführung war ursprünglich für das Jahr 2006 geplant. Weil Testergebnisse damals noch viele Unzulänglichkeiten zeigten, wurde die Einführung der Karte verschoben. Das war auch richtig so. Seitdem sind jedoch weitere fünf Jahre vergangen und die damaligen Schwächen wurden behoben. Warum Sie in Ihrem Antrag immer noch vor einer übereilten Einführung der Karte warnen, ist mir daher völlig unverständlich. Der Vorwurf ist absurd. Mir ist kaum ein anderes Projekt bekannt, das über so lange Zeit diskutiert wurde. Allerdings kommt man mit bloßem Diskutieren nicht weiter. Erforderlich sind Taten. Deshalb bin ich froh, dass wir in der christlich-liberalen Koalition die Weichen so gestellt haben, das das Projekt entscheidend vorankommt.

Die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte ist sinnvoll, denn sie bietet den Versicherten erhebliche Vorteile. Ich will drei nennen:

Erstens trägt sie mit dem Lichtbild dazu bei, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen einzudämmen. Nach Schätzungen gehen bislang jedes Jahr rund 800 Millionen Euro an Versichertengeldern durch Betrug verloren. Jeder so gesparte Euro ist eine echte Entlastung für die Beitragszahler.

Zweitens haben wir die Einführung des neuen Versichertenstammdatendienstes beschlossen. Dadurch werden bei jeder erstmaligen Inanspruchnahme von Leistungen im Quartal die Versichertenstammdaten bei den Leistungserbringern online mit den Krankenkassen abgeglichen und gegebenenfalls aktualisiert. Auch dies dient vor allem der Eindämmung des Missbrauchs, aber auch der Kostenreduzierung; denn bei einer Änderung der Daten bedarf es nun keiner Ausstellung einer neuen Versichertenkarte mehr.

Drittens ist die Karte technisch so vorbereitet, dass in weiteren Ausbaustufen auch medizinische Daten wie zum Beispiel Notfalldaten sowie Hinweise auf Patientenverfügungen und Organspendeerklärungen gespeichert werden können. Ausdrücklich betonen möchte ich dabei: Dies gilt nur bei dem ausdrücklichen Wunsch der Versicherten. Die Versicherten können selbstverständlich in eigener Verantwortung darüber entscheiden, in welchem Umfang Daten gespeichert oder gelöscht werden sollen und wem sie diese Daten zugänglich machen wollen. Für die Versicherten gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Daran wird nicht gerüttelt.

Diese Vorteile überzeugen. Und deshalb ist es richtig, dass die gesetzlichen Krankenkassen seit Oktober dieses Jahres die elektronische Gesundheitskarte an ihre Versicherten ausgeben. Ermöglicht wurde auch dies durch Maßnahmen der christlich-liberalen Koalition. Wir haben bei den gesetzlichen Krankenkassen die nötigen Anreize zur zügigen Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gesetzt und damit den Ausgabeprozess beschleunigt. Diese Anreize werden wir auch im Versorgungsstrukturgesetz weiterführen.

Im Rahmen des gesamten Prozesses der Einführung der Gesundheitskarte mit ihren Anwendungen haben wir alle geäußerten Anliegen und Sorgen ernst genommen, und wir werden dies auch weiterhin tun; denn für uns haben die Datensicherheit und die Selbstbestimmung des Patienten über seine Daten die höchste Priorität. Wir werden auch in Zukunft die Datensicherheit ganz genau im Auge behalten. Eine enge Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist für uns selbstverständlich. Mit der Bestandsaufnahme haben wir uns bewusst die Zeit genommen, die Karte nochmals einer gründlichen Überprüfung und Bewertung zu unterziehen. Wir haben die bisherigen Schritte sehr genau geprüft, und wir werden auch weiter prüfen, wann wir was machen. Das betrifft auch den Datenschutz. Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zurückzustellen, bis sichergestellt ist, dass die Voraussetzungen der Datensicherheit erfüllt sind. Dabei übersehen Sie jedoch eins: Durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundenen Sicherheitsinfrastruktur werden die Gesundheitsdaten ab sofort sicherer als bisher. Wir haben mit der elektronischen Gesundheitskarte einen höheren Sicherheitsstandard als bei der jetzigen Versichertenkarte. Das Datenschutzniveau wird also deutlich angehoben. Darüber besteht in der Fachöffentlichkeit Einigkeit. Dies haben auch die Sachverständigen in der Anhörung in der letzten Wahlperiode bereits bestätigt. Dieser Gewinn für die Versicherten würde durch ein Moratorium zunichtegemacht. Das werden wir nicht unterstützen.

Ich freue mich, dass wir nach Jahren des Stillstands nun endlich erreicht haben, dass das Projekt „elektronische Gesundheitskarte“ entscheidende Schritte vorankommt. Deutschland ist ein modernes Land, ein Hightechland. Davor darf sich auch das Gesundheitswesen nicht verschließen. Ich hoffe, dass wir die elektronische Gesundheitskarte in ein paar Jahren als Selbstverständlichkeit begreifen, so wie wir heute Handys, SMS, Computer und E-Mails als Selbstverständlichkeit begreifen und uns ein Leben ohne kaum noch vorstellen können.

Und die Linken? Sie denken, dass Sie die Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte durch ein Moratorium verbessern können. Ich sage Ihnen: Das ist falsch. Die Entwicklungen im technischen Bereich schreiten sehr schnell voran. Für ein so anspruchsvolles Projekt wie die elektronische Gesundheitskarte bedeutet dies, dass es immer weiterentwickelt, verbessert und an neue Anforderungen angepasst werden muss. Aus diesem Grund kann man nicht, wie Sie es gerne hätten, zu einem Zeitpunkt X alles festlegen, um erst dann den Startknopf zu drücken. Die schrittweise Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, wie sie jetzt beschlossen wurde, ist eine vernünftige, verantwortbare und die einzig richtige Lösung.

Die elektronische Gesundheitskarte und die Telematik-infrastruktur sind wesentliche Voraussetzungen für eine grundlegende Modernisierung des Gesundheitswesens und bilden die Plattform für eine vernetzte Versorgung. Dies erfolgt mit dem Ziel, die Qualität und Effizienz der Patientenversorgung zu verbessern. Dieses Ziel wird die christlich-liberale Koalition konsequent weiterverfolgen. Der Antrag der Linken widerspricht diesem Ziel und deshalb werden wir ihn ablehnen.

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