Rede zur Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Deutschland keine Zahlen oder genauen Erkenntnisse über die Anzahl der durch Samenspenden gezeugten Kinder. Nach Expertenschätzungen dürften es über 100 000 sein. Ebenso wenig liegen Erkenntnisse dazu vor, wie viele Kinder überhaupt wissen, dass sie das Produkt einer Samenspende sind. Was wir aber wissen, ist, dass ein solcher Sachverhalt für alle Beteiligten rein von der menschlichen Seite ein unglaublich sensibles Thema ist. Er ist sicherlich persönlich bewegend, und er ist auch voll mit psychologischem Sprengstoff.

Zudem reden wir – ich denke, auch das ist in der Debatte schon klar geworden – über eine ungeheuer komplexe juristische Materie. Das ist bei der letzten Grundsatzentscheidung des BGH vom 28. Januar 2015 deutlich geworden. Wenn wir bei der juristischen Bewertung sind, dann muss man ganz ehrlich feststellen, dass dieser Bereich in Deutschland bislang gesetzlich nur unzureichend geregelt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen hat die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD – auch das ist schon angeklungen – im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, dass wir das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft gesetzlich regeln wollen. Deswegen bin ich sehr dankbar – auch das ist schon angeklungen –, dass im Jahr 2015 im Justizministerium eine Kommission eingerichtet wurde, ein Arbeitskreis „Abstammungsrecht“, dessen Ergebnisse wir im Sommer 2017 erwarten.

Jetzt kann man natürlich sagen: Das dauert zu lange. Wir haben so viel Zeit zugebracht. – Aber ich warne vor dieser vorschnellen Beurteilung. Denn dieser Arbeitskreis hat ja noch andere Themenfelder als nur die Samenspende im Blick. So wirft er einen Blick auf die Frage der Leihmutterschaft und auch auf die verwandten Fragestellungen der Eizellenspende. Wenn wir den ernsthaften Willen haben, eine schlüssige Gesamtkonzeption zu entwickeln, dann, glaube ich, sollten wir uns auch die Zeit nehmen, alle miteinander verwandten Themenfelder in diesem Bereich gleichzeitig zu regeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch sonst auch nicht!)

Deswegen verbietet sich meines Erachtens zu diesem Zeitpunkt eine isolierte Vorabregelung. Wenn wir uns jetzt auf den Weg zu dieser Gesamtkonzeption „Abstammungsrecht“ – so will ich es einmal nennen – begeben, dann wird uns da eine Vielzahl sehr diffiziler Rechtsfragen begegnen. Das betrifft zum Beispiel – dies wird auch in Ihrem Antrag formuliert – die Eintragung eines entsprechenden Vermerkes im Geburtenregister. Ich glaube, dass wir das Recht auf Nichtwissen alleine durch die Anonymität, Herr Wunderlich, nicht wahren können. Vielmehr bräuchten wir so etwas wie einen Blindvermerk, sodass nur auf ausdrücklichen Wunsch Informationen herausgegeben werden.

Ich kann mich mit Ihren Überlegungen durchaus anfreunden, wenn Sie sagen: Das Verfahren zur Aufklärung der Abstammung lehnen wir an § 1598a BGB an. Nur, da müssen wir auch daran denken, dass es eine jüngere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt, die gerade bei § 1598a weiteren Klärungsbedarf beim Gesetzgeber sieht. Es muss geklärt werden, ob es nicht einen generellen Klärungsanspruch gegenüber jedem mutmaßlichen biologischen Vater gibt. Das ist in der Norm aktuell nicht so. Es muss vonseiten des Gesetzgebers auch die Frage geklärt werden, ob im Rahmen der Norm nicht auch jeder mutmaßliche biologische Vater zum Kreis der Klärungsberechtigten gehört. Auch das wird eine Fragestellung in diesem Arbeitskreis sein.

Am Ende noch zwei, drei Sätze zur Elternschaftsvereinbarung. Sie würde nach Ihrer Forderung auch bei verheirateten Wunscheltern gelten. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass wir dann zu einem Paradigmenwechsel kommen, weil wir von unserem Institut der Vaterschaftsvermutung, so wie § 1592 BGB es kennt, wegkommen. Da sage ich: Wir sollten uns die Zeit nehmen, uns ausreichend die Frage zu stellen, ob wir das wollen, zumal diese Elternschaftsvereinbarung unanfechtbar sein soll; das soll auch für das Kind gelten. Auch da, glaube ich, sollten wir uns die Zeit nehmen, uns das gut zu überlegen. Denn Lebenssachverhalte können sich ja im Laufe von 10 oder 20 Jahren ändern, und das Kind kann unter Umständen den Wunsch nach einer Vaterschaftskonstellation entwickeln. Ich glaube, dass das Institut, das Sie dann anbieten, nämlich die einfache Adoption, dafür nicht ausreicht.

Meine Damen, meine Herren, ich glaube, all diese Ausführungen haben deutlich gemacht, dass sich eine isolierte Vorabregelung in diesem Bereich verbietet. Wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept. Das sollten wir mit Unterstützung des Arbeitskreises ansteuern. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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