Rede zu Forschungen

29.) Beratung Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern

- Drs 17/11687 -

Zu Beginn meiner Rede möchte ich Ihnen ein Zitat aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschlands ins Gedächtnis rufen. Ich zitiere Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Besonderes Augenmerk möchte ich auf den zweiten Halbsatz „Forschung und Lehre sind frei“ lenken. Der hier vorliegende Antrag der Grünen torpediert den Grundsatz dieser Aussage und zielt auf eine Planwirtschaft der Forschung ab. Wohin dies führen kann, haben wir 60 Jahre lang im Osten Deutschlands erlebt.

Betrachtet man den Antrag genauer, werden die wahren Beweggründe der Grünen deutlich. Der radikale Vorstoß zur Aushebelung der Freiheit der Forschung wird als eine „Verbesserung der Partizipation“ getarnt. Dass dieser Antrag darauf abzielt, den Forschungsprozess, so wie wir ihn kennen, auszuhebeln, ist anfangs nicht ersichtlich. Die Grünen suggerieren mit der Überschrift des Antrags, dass vorhandene Partizipationsprojekte angepasst und verbessert werden sollten, fordern dann aber im Antrag selbst eine komplette Umstrukturierung.

Welche wahren Absichten sich hinter diesem Antrag verstecken, wird jedem Leser spätestens nach dem zweiten Absatz deutlich. Es fallen Sätze, in denen von NGO-Beteiligung an Agendasettingprozessen, von der Einflussnahme auf Forschungsthemen und -schwerpunkte und der Integration von nichtwissenschaftlichen Akteuren in Forschungsprojekten die Rede ist. Jeder verfassungstreue Leser müsste bei diesen Formulierungen an die Decke gehen, beinhalten diese Aussagen nichts Geringeres als ein Ende der uns bekannten Forschungsfreiheit.

Um der Rolle des Heilsbringers der grünen Klientel gerecht zu werden, werden im weiteren Verlauf des Antrags Forderungen gestellt, die das ganze Ausmaß dieser Forschungsrevolte zum Vorschein bringen. Die erwähnte Einflussnahme bei Agendasettingprozessen soll durch „multiperspektivische Diskurse im Vorfeld der Entscheidungsfindung“ stattfinden, um als „Voraussetzung für innovationsfördernde Forschungsagenden bzw. ihrer Operationalisierung in Forschungsprogrammen“ aufzutreten. Um es auf den Punkt zu bringen: Im Vorfeld von Forschungsvorhaben sollen von nun an Runde Tische veranstaltet werden, bei denen nichtwissenschaftliche Akteure ideologiegeleitetes Agendasetting betreiben können. Dem würde ein durch Rätekonsens entschiedener Beschluss über die zu genehmigenden Forschungsvorhaben folgen. Dem Antrag fehlt nur noch der Vorschlag zur Einrichtung eines ständigen „Komitees für Agendasetting“, um der hier vorgeschlagenen Planungswut vollen Ausdruck zu verleihen.

Lassen Sie mich kurz den derzeitigen Weg des Agendasettings beispielhaft am Gesundheitsforschungsprogramm skizzieren, um Ihnen deutlich zu machen, welche dramatischen Folgen die Zustimmung zum Antrag der Grünen hätte.

Im Jahre 2004 wurde bereits unter Rot-Grün der Gesundheitsforschungsrat eingerichtet, der einen Road-Map-Prozess initiierte. Hierbei wurde fachgeleitet evaluiert, welche Themen von Interesse sein könnten und welche Forschungsprojekte angestoßen werden sollten. Dieser Austausch fand zwischen Wissenschaftlern statt, die das nötige Fachwissen für das Thema aufbringen. Aus diesen Beratungen ging eine Publikation des Road-Map-Prozesses hervor, die an das BMBF weitergeleitet wurde. Dass Sie nun ihre eigens kreierten Strukturen aufheben wollen, spricht einmal wieder für Ihre Inkonsistenz.

Neben dem Input durch den Rat wurden noch weitere Informationen, etwa von der Forschungsunion, bezogen. Als Ergebnis dieses Prozesses entstand das Gesundheitsforschungsprogramm, in dem sich nun Forschung und Wissenschaft frei entfalten können, ein Bottom-up-Prozess aus der Wissenschaft für die Wissenschaft.

Die Grünen planen nun ein ideologisiertes Diskussionsforum von NGOs, Forschern und Zivilpersonen, um dort zu entscheiden, welche Forschung betrieben werden darf. Die Kompetenzen der Forschungselite würden dabei in einem Wirrwar von Einzelinteressen und Gefälligkeiten untergehen. Es entstünde ein Kontrollgremium, das Agendasetting nach eigenem Ermessen vornimmt und Gefälligkeitsforschung betreibt. Von der Freiheit der Forschung kann dann keine Rede mehr sein.

Lassen Sie mich kurz die Auffassung der CDU/CSU-Fraktion zu diesem Thema wiedergeben, die diesem Antrag mehr als konträr gegenübersteht. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Wir stehen der Partizipation von Verbänden aus der Zivilgesellschaft grundsätzlich positiv gegenüber und unterstützen diese sogar ausdrücklich in bestimmten Bereichen. Bei ethisch relevanten Fragen wie der Stammzellforschung oder Gentechnik werden schon heute einschlägige gesellschaftliche Akteure, etwa über den Deutschen Ethikrat, DER, breit eingebunden. Hier findet ein sinnvoller Austausch zwischen Forschung und Zivilgesellschaft statt. Dieses erfolgreiche Konzept wollen wir auch beibehalten.

Dieser Antrag der Grünen will ein erfolgreiches bestehendes Konzept durch Planwirtschaft ersetzen. Er könnte genauso gut von der Fraktion Die Linke formuliert sein. Er spiegelt eine Regelwut seitens der Grünen wider, die sich mit diesem Antrag ein Gremium schaffen wollen, um eine ideologisierte Forschung voranzutreiben. Sie wollen sich selbst ein Sprachrohr schaffen, um ihre eigene Agenda durchzudrücken, und tarnen dies unter dem Deckmantel der „Partizipation der Zivilgesellschaft“. Dadurch würde nichts Geringeres als der Grundsatz der Freiheit der Forschung geopfert. Die CDU/CSU-Fraktion tritt diesem Antrag vehement entgegen. Sozialistische Planforschung gab es schon einmal in Deutschland. Wir bewahren die Freiheit der Forschung.

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