Rede zur Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Viertel der Menschheit lebt in Staaten, in denen die Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit nicht gewährleistet wird oder erheblich eingeschränkt ist. Die Repressalien sind vielfältig. Sie reichen von administrativen Hindernissen, etwa kein Zugang zu öffentlichen Ämtern, über soziale Stigmatisierungen bis hin zu drakonischen Strafen, etwa der Todesstrafe bei Wechsel der Religion.

Wir setzen uns in der Entwicklungspolitik dafür ein, dieses Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu schützen und die Gesellschaften zu stärken, die für Toleranz und ein friedliches Miteinander eintreten; denn wir wollen und wir brauchen eine Welt, in der wir alle im gegenseitigen Respekt und in Achtung vor Kulturen und Religionen ein friedliches Auskommen haben.

Der Schutz und die Gewährleistung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit haben genauso wie alle anderen Menschenrechte einen festen Platz in unserer Entwicklungspolitik. Dafür wollen wir die Religionsgemeinschaften als Partner gewinnen. Wir dürfen das Feld nicht den Extremisten und den Fanatikern überlassen, die Terror predigen, denen es nicht um Glauben geht, sondern die Religion für ihre politischen Zwecke missbrauchen.

Wir müssen deshalb auch die religiösen Führer und die Gläubigen stärken, die sich in ihren Gesellschaften für Toleranz und für Freiheit einsetzen. Ich möchte an dieser Stelle an die Worte erinnern, die vor wenigen Tagen der marokkanische König Mohammed VI. gefunden hat, als er sich in einem eindringlichen Appell an alle Muslime gewandt hat. Er hat ausdrücklich alle Formen des Terrorismus, Extremismus und Radikalismus verurteilt. Er verurteilt die Prediger – ich zitiere –, „die junge Muslime benutzen, speziell in Europa, ... um ihre Irrlehren und abwegigen Versprechen zu verbreiten und Gesellschaften anzugreifen, die Freiheit, Offenheit und Toleranz wollen“. Ich finde, das ist ein außerordentlich beeindruckendes Statement des marokkanischen Königs. Stimmen wie diese sollten wir in unseren internationalen Beziehungen stärker beachten und in unsere Arbeit einbeziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen das positive Potenzial von Religionsgemeinschaften in unsere internationale Zusammenarbeit einbeziehen. Deshalb haben wir im Februar dieses Jahres zum ersten Mal überhaupt für unser Ministerium eine international vielbeachtete neue Strategie zum Thema „Religionen als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit“ vorgestellt. Wir haben sie zusammen mit Vertretern aller Weltreligionen, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft aus dem In- und Ausland erarbeitet. Sie wird von vielen internationalen Akteuren als Vorbild genommen. Wir wollen damit zeigen, dass Religion ein Katalysator für Entwicklung sein kann.

Meine Damen und Herren, religiöse Gemeinschaften sind in vielen Ländern oft näher an den Menschen dran als Politiker. In vielen Ländern wären die Gesundheitsversorgung und das Bildungswesen überhaupt nicht funktionsfähig, wenn es nicht das breite Engagement von vielen Religionsgemeinschaften gäbe. 80 Prozent der Weltbevölkerung gehören einer Religionsgemeinschaft an – 80 Prozent! Das kann Politik nicht ignorieren, wenn wir die Lebenswirklichkeit einer großen Mehrheit der Weltbevölkerung wirklich erfassen wollen. Wir sehen das in vielen unserer Partnerländer. In Gesprächen vor Ort merken wir natürlich auch, dass Religionsfreiheit oft ein höchst sensibles Thema ist. Deswegen setzen wir auf den Dialog der Religionen und starten gezielt neue Vorhaben, die diesen interreligiösen Dialog fördern.

Wir wollen dazu ausdrücklich religiöse Autoritäten einbeziehen; denn sie haben großen Einfluss. In vielen Regionen kennt man keine Regierungsvertreter, aber die religiösen Führer aus der Nachbarschaft. Wenn diese in ihren Gemeinden zu gegenseitigem Respekt und zu Toleranz ermutigen, dann hat das ein viel größeres Gewicht als alle anderen Stimmen. Deswegen setzen wir auf diesen Dialog.

Ich will Ihnen gern einige Beispiele nennen: Auf den Philippinen fördern wir den Dialog zwischen Christen, Muslimen und Vertretern indigener Gemeinschaften. In Ägypten bringen wir christliche und muslimische Geistliche mit Publizisten, Künstlern und Lehrern zusammen. Im Tschad unterstützen wir ein Kulturzentrum für christliche und muslimische Vereinigungen. In Jordanien fördern wir die soziale Teilhabe von Flüchtlingen. Ich hatte Kontakt mit einem katholischen Bischof und einem muslimischen Stammeshäuptling aus Nigeria, die im Norden des Landes, wo Boko Haram wütet, ein positives Beispiel für Toleranz und friedliches Miteinander setzen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen Aktivitäten der kirchlichen Hilfswerke aus Deutschland nennen, die wir seit vielen Jahren unterstützen und die vor Ort segensreich wirken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wo Dialog stattfindet, kann Vertrauen entstehen, und wo Vertrauen geschaffen wird, kann das Zusammenleben gelingen. Dass in vielen Ländern der Weg dorthin noch weit ist, das legt der Bericht der Bundesregierung in aller Deutlichkeit dar. Aber daraus müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen, und wir sollten uns nicht entmutigen lassen. Wir müssen mit Vertretern der Religionsgemeinschaften enger zusammenarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir der weltweiten Verfolgung und Diskriminierung von Menschen aufgrund von Religion und Weltanschauung ein Ende setzen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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