Rede zu den Eigenmittelsystem der Europäischen Union

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Eigenmittelbeschluss, der im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung gefasst wurde. Schon dem letzten Beschluss, der im November 2013 für die Jahre 2014 bis 2020 gefasst wurde, ging eine heftige Diskussion voraus. Wie üblich waren Kommission und Parlament in ihren Vorgaben durchaus großzügiger als das, was am Schluss herausgekommen ist.

Angesichts des Ergebnisses war ich gerade mit Blick auf den deutschen Haushalt und unsere Politik hier froh, dass zu dem Zeitpunkt Großbritannien und Deutschland hart sein konnten und sagen können: Wir sparen in Deutschland, und da geht es nicht an, dass man in Europa nicht spart. – Das ist durchaus ein Vorteil des jetzigen Systems. Wenn wir über die weitere Entwicklung dieses Systems reden, müssen wir genau darauf achten, was am Schluss herauskommt. Die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister haben dafür gesorgt, dass die deutsche Sparphilosophie ein Stück weit auch in Europa gewahrt bleibt, und das war richtig so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wurde schon mehrfach gesagt: Die Einnahmen- und Ausgabenseite sind maßgeblich. Es gibt Kritikpunkte wie eine mangelnde Transparenz und ein sogenanntes Demokratiedefizit, den Vorwurf, dass die einzelnen Mitgliedstaaten wichtiger sind als die europäischen Institutionen und dass das Ganze zu komplex ist.

Ich kenne die Diskussion schon sehr lange. Ich war selber zehn Jahre im Europäischen Parlament und habe sie von dort aus verfolgen dürfen. Es gab etwa den Wunsch nach einer eigenen Steuererhebungskompetenz oder die Forderung nach einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für den Mehrwertsteuersatz. Das sind tiefgreifende Diskussionen. Bei einigen Beiträgen wundert es mich, dass man der Meinung ist: Wenn man das System ändert, dann wird auf einmal aus dem ach so neoliberalen und kapitalistischen Europa ein soziales.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo nehmen Sie diese Hoffnung her? – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das haben Sie doch nicht gehört! Das können Sie nicht gehört haben!)

Die Kausalität, dass eine Systemänderung gleichzeitig zu einer Politikänderung führt, finde ich bemerkenswert.

Es kam schon Kritik an bestimmten Politiken zur Sprache. Wir diskutieren die Frage – Sie hatten das angesprochen, Herr Kollege Poß –, inwieweit eine Vertiefung stattfinden soll und welche Kompetenzen abgegeben werden sollen. Das sollte und kann man diskutieren. Aber wenn die Kompetenzen einmal weg sind, dann sind sie weg. Mit den entsprechenden Ergebnissen hat man dann zu leben, auch wenn es irgendwann im Rat und im Parlament andere Mehrheiten gibt.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was nennt man Demokratie!)

– Genau. Auch Deutschland ist ein demokratischer Staat. Sie können gerne der Meinung sein, dass wir in Deutschland die Kompetenzen im Bereich der Steuererhebung verlagern sollten, statt sie selber zu behalten. Sie können durchaus dieser Meinung sein. Ich bin der Meinung, für die Steuerpolitik sollten erst einmal die Nationalstaaten Verantwortung tragen. Auch das bewegt sich im Rahmen der Demokratie und ist nicht antidemokratisch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Automatisch zu sagen, das sei antidemokratisch, halte ich für abenteuerlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Also müssen wir einen Volksentscheid machen!)

Wir sollten also genau darüber nachdenken, in welchen Bereichen wir eine Vertiefung der EU und eine Verlagerung der Kompetenzen wollen. Dabei müssen wir genau schauen, wie die aktuelle Situation ist. Was ist realistisch? Zurzeit gilt die Einstimmigkeit auf europäischer Ebene in Steuerfragen und Eigenmittelfragen. Wir wissen, dass es in absehbarer Zeit ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union geben wird.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Wir können natürlich gerne eine solche Diskussion momentan mit Großbritannien führen. Jeder, Herr Kollege Sarrazin, der sich mit Europa auseinandersetzt, weiß, wie diese Diskussion in Großbritannien geführt wird.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da gibt es eine Wahl vorher!)

– Die ist im Mai dieses Jahres. Bis Mai dieses Jahres werden Sie dieses Thema nicht gelöst haben, selbst Sie nicht. Das müssten selbst die zugestehen.

Wir müssen also genau schauen, welche Themen wir vorantreiben. Ich kann mir durchaus ein abgestuftes Vorgehen dabei vorstellen, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage in bestimmten Bereichen zu finden. So könnte man die Festlegung der Steuersätze in nationaler Verantwortung belassen, aber sich bei der Frage, wie Gewinne ermittelt werden, darauf einigen, dass Gewinne oder Verluste nicht mehr durch Verschiebungen von einem Staat in den anderen generiert werden können. Ich plädiere also für ein abgestuftes Vorgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man könnte darüber nachdenken, auch bei der Finanztransaktionsteuer abgestuft vorzugehen, wobei ich hier schon anmerken möchte, auch wenn ich den Prozess der vertieften Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten unterstütze: Wir haben zum ersten Mal ein neues System der Gesetzesfindung auf europäischer Ebene, das bisher keine Anwendung gefunden hat. Wenn dieses System erfolgreich sein sollte, wofür wir alle werben und wofür wir kämpfen, kann das auch in anderen Bereichen der Zusammenarbeit dazu führen, dass sich Staaten zusammentun und entsprechend vorangehen.

Wir müssen die politischen Situationen in den Mitgliedstaaten und die Haltung der Bevölkerungen beachten. Darum ist bei dem Thema der Integration und Vertiefung sehr wohl darauf zu achten, welche Diskussion wir lostreten und welche Staaten wir mitnehmen. Ich plädiere dafür, dass wir das Thema der Eigenmittel und der Finanzierung Europas behutsam angehen und dass wir realistisch vorgehen.

Was mich an Diskussionen, die auf nationaler Ebene geführt wurden, oft gestört hat, ist, dass man gesagt hat: „Wir werden das Problem jetzt europäisch angehen, und wir werden es europäisch lösen“ – das ist auch in diesem Hohen Hause verkündet worden –, ohne dass es eine Aussicht gegeben hätte, auf europäischer Ebene einen Konsens zu finden. Dann waren die Enttäuschungen über Europa groß, und Europa wurde die Schuld gegeben. Die Leute fügen Europa einen Schaden zu, sie erheben Forderungen, von denen sie schon während der Debatte wissen, dass sie keinerlei Aussicht auf Realisierung haben.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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