Rede zum Mindestlohn

8.) Beratung Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jetzt Voraussetzungen für die Einführung eines Mindestlohns schaffen

- Drs 17/7483 -

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mindestlohn, die Zweite – so könnte man das heute nennen. Ich habe mich gefragt, welchen Erkenntnisgewinn wir heute Nachmittag erzielen werden. Mich erinnert das hier so ein bisschen an eine nachmittägliche Schulstunde zur Wiederholung. Sie, Herr Schlecht, nehme ich allerdings aus; denn das, was Sie da gerade vorgebracht haben, war einfach unterirdisch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da muss ich sogar der Kollegin Pothmer zur Seite springen. Ich habe den Antrag der Grünen gelesen. Man kann da sicherlich über vieles diskutieren. Aber dass wir jetzt gemeinsam in einen Topf geworfen werden, finde ich wirklich bemerkenswert. Das schafft wirklich nur die Linke.

(Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Das hat Frau Pothmer nicht verdient!)

Ja, die Grünen haben sich von ihrem ursprünglichen Plan, einen staatlichen Mindestlohn festzulegen, ein wenig wegbewegt und sich dem System einer Lohnuntergrenze genähert. Ich nehme einmal an, dass Sie eine Anleihe bei § 5 Tarifvertragsgesetz gemacht haben und diesen analog anwenden wollen, um hier irgendwo Boden zu finden.

Ich möchte zunächst festhalten, nachdem vorhin etwas hart diskutiert wurde, dass es die Union war, die die Branchenmindestlöhne äußerst erfolgreich eingeführt hat. Wort und Tat haben bei der Union – da muss ich dem Kollegen Weiß recht geben – über die Jahrzehnte sozialer Marktwirtschaft zusammengepasst.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Nachhilfe in diesem Bereich brauchen wir von Ihnen nicht. Wir haben von Rot-Grün einen Scherbenhaufen in Form von 5 Millionen Arbeitslosen übernommen. Seitdem die christlich-liberale Koalition unter Angela Merkel regiert, reparieren wir eine arbeitsrechtliche bzw. arbeitsmarktpolitische Baustelle nach der anderen. Ich nenne als Beispiel für den Themenkomplex Zeitarbeit nur den Fall Schlecker mit dem Drehtüreffekt. All die Missstände, die die Koalition zu beseitigen versprochen hat, hat diese Koalition in den letzten zwei Jahren angepackt und alles solide, auf verfassungsmäßiger Grundlage zu einem guten und seriösen Ende gebracht. Das bitte ich in der jetzigen Diskussion um Einführung einer Lohnuntergrenze in die Überlegungen einzubeziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich will nicht zum fünften Mal auf die Agenda 2010 eingehen. Ich bleibe allerdings dabei: Sie war in vielen Punkten nicht falsch, auch wenn Sie heute davon nichts mehr hören wollen. Aber den Mindestlohn, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, haben Sie damals nicht eingeführt.

Dass wir – auch darauf ist heute schon mehrfach eingegangen worden – seit Ludwig Erhard die soziale Marktwirtschaft stringent fortentwickelt haben, möchte ich am Beispiel eines Gesetzes deutlich machen. – Wieso leuchtet der Präsident?

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Weil der Kollege Schlecht Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen möchte und ich Sie fragen muss, ob Sie diese zulassen wollen.

Ulrich Lange (CDU/CSU):
Das machen wir danach.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Was heißt „danach“?

Ulrich Lange (CDU/CSU):
Ich muss meine Redezeit heute nicht unnötig verlängern. Wenn er danach intervenieren will, kann er das tun. Dann antworte ich oder auch nicht; jetzt mache ich weiter.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Seien Sie doch nicht so unfreundlich zum Präsidenten!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Gut.

Ulrich Lange (CDU/CSU):
Wir haben heute lange genug über das Thema gesprochen.

1952 wurde unter Ludwig Erhard das Mindestarbeitsbedingungengesetz eingeführt, und seitdem haben wir die soziale Marktwirtschaft stringent weiterentwickelt. Heute diskutieren wir über Lösungen in tariffernen Bereichen, weil auch wir natürlich erkennen, dass es Tarifflucht gibt, dass es Branchen gibt, in denen die Tarifpartnerschaft nicht so funktioniert, wie wir es uns wünschen. Das heißt aber nicht – das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen –, dass wir den Grundsatz der Tarifautonomie auch nur im Geringsten aufzuweichen oder gar aufzugeben gedenken.

Die Allgemeinverbindlichkeit – das ist auch vom Kollegen Vogel schon angesprochen worden – war bisher ein sehr gutes und sehr schlüssiges Mittel, Mindestlöhne und tarifliche Bedingungen festzuschreiben. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, dass es überwiegend christlich-liberale Regierungen waren, die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt haben. Also tun wir bitte heute nicht so, als ob das alles neu und quasi eine Erfindung aus irgendeiner Richtung wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Union wird eine ernste und an den Werten unserer sozialen Marktwirtschaft orientierte Debatte geführt, die berücksichtigt und berücksichtigen muss, dass zum Beispiel ein flexibler Arbeitsmarkt als Motor und als wesentliches Erfolgsrezept unseres Jobwunders, unseres Wirtschaftswunders erhalten bleiben muss. Geringe Jugendarbeitslosigkeit und weniger als 3 Millionen Arbeitslose insgesamt – das sind Erfolge, die wir nicht durch fahrlässige Diskussionen in Gefahr bringen dürfen. Unnötige staatliche Eingriffe in die Lohnfindung gefährden die Tarifautonomie. Politik darf Löhne nicht diktieren. Die Lohnfindung ist zunächst Aufgabe der Tarifpartner. Nur dort, wo eine Nachjustierung notwendig ist, soll und darf die Politik eingreifen.

Ich sage ganz deutlich: Wir werden nicht mitmachen bei einer billigen Mindestlohnwahldemokratie nach dem Motto „Wer bietet mehr?“.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut kein Mensch!)

Wir sind für soziale Marktwirtschaft mit fairen Löhnen. Das ist wirklich christlich-sozial.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

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