28.05.2020
Dr. Volker Ullrich: Das Ordnungsprinzip der Geltung der Menschenrechte muss auch geschützt und verteidigt werden
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Rede zur Reform und Kontrolle der Nachrichtendienste

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur strategischen Fernmeldeaufklärung ist auch ein Auftrag an den Gesetzgeber; diesen müssen wir bis zum wir 31. Dezember 2021 erfüllen. Deswegen ist es auch unredlich, wenn wir innerhalb von acht Tagen einen Gesetzentwurf beschließen sollen, ohne darüber nachzudenken, wie wir die Kautelen des Urteils tatsächlich fassen und umsetzen sollen.

(Benjamin Strasser [FDP]: Wir sind ja in der ersten Lesung!)

Für diese wichtige Frage bei der Kontrolle der Nachrichtendienste brauchen wir Zeit, Transparenz, die Einbindung aller parlamentarischen Partner, aber auch der Zivilgesellschaft und der Sachverständigen. Deswegen werden wir uns Zeit lassen und nicht innerhalb von sieben Tagen ein Gesetz verabschieden, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP!

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Wir sind in der ersten Lesung!)

Entscheidend in diesem Urteil ist auch – das ist wichtig festzuhalten –: Grundrechte schützen immer dann, wenn der deutsche Staat handelt, ganz gleich, ob im Inland oder im Ausland.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Es ist übrigens keine Anmaßung, wenn der deutsche Staat auch außerhalb unseres Staatsgebietes der Grundrechtsbindung unterliegt; denn die Geltung der Menschenwürde und die Geltung der Menschenrechte sind universell. Das ist für uns eine Art Ordnungsprinzip, auch im Hinblick auf die internationale Ordnung. Aber das Ordnungsprinzip der Geltung der Menschenrechte muss auch geschützt und verteidigt werden. Und das bedeutet, dass wir uns gegen die Herausforderungen wappnen müssen: Cyberterrorismus, Drogenhandel, Terrorismus. Vielfältige Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sind gefährdet. – Wir können unser Land nur schützen, wenn wir rechtzeitig gewarnt sind. Deswegen brauchen wir einen Auslandsnachrichtendienst, und deswegen muss er auch die Befugnis zur Auslandsaufklärung haben; das steht für uns nicht zur Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Bundesverfassungsgericht hat sogar gesagt, dass auch diese Befugnis nach wie vor zulässig ist. Es hat extra darauf hingewiesen, dass es in unserem staatlichen Interesse liegt, dass diese Aufklärung auch vonstattengeht. Entscheidend ist, wie wir sie organisieren. Wir werden sie nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut organisieren können; denn auch unser oberstes Gericht hat gesagt, dass die Arbeitsfähigkeit dieses Dienstes auch in der Funktion als Informationsbeschaffer für die Bundesregierung unabdingbar und unverzichtbar ist.

Deswegen werden wir bei der Frage des Zwecks der Datensammlung, bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Übermittlung die gesetzlichen Vorschriften anpassen. Wir werden auch darüber sprechen, inwiefern wir die Kontrolle neu organisieren müssen; aber wir werden nicht alles neu organisieren können. Die Dinge, die sich bewährt haben, insbesondere auch die starke parlamentarische Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium, gehören zum Kern des parlamentarischen Auftrags des Bundestages. Daran werden wir festhalten; da war die Kontrolle bislang gut, und sie wird gut bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)