29.01.2020
Michael Frieser: "Eine Kulturnation identifiziert sich nicht nur über die Leuchttürme in der Stadt"
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Rede zu Teilhabe an Kultur in ländlichen Räumen

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist wahr: Diese Gesellschaft fragmentiert sich. Wir erleben ein Auseinanderstreben aus urbanen Räumen und ländlichen Räumen. Das ist wahrlich nichts Neues. Wir müssen dafür sorgen, dass es eben nicht passiert, dass bestimmte Stellen in diesem Land abgehängt werden. Keine Frage, wir haben in vielen anderen Politikbereichen im Augenblick in der Tat den Eindruck, dass man gerne aus der Stadt heraus den Leuten auf dem Land erklärt, wie es funktioniert. Es hat überhaupt nur einen Sinn, über Kultur in ländlichen Räumen zu reden, wenn die Infrastruktur passt, wenn die Menschen, die dort leben, auch in der Lage sind, sich zu bewegen, wenn sie mobil sind, wenn sie angeschlossen sind, wenn sie digital empfangbar, gestaltbar an ihrem Leben teilhaben können. All das ist wahr.

Nur: Was wir heute gehört haben – jetzt, in der letzten halben Stunde –, ist alles, was nicht geht, was wir nicht wollen. Damit ist für die Kunst und Kultur im ländlichen Raum nicht ein Jota gewonnen.

Dieser Antrag ist es, der Räume schafft.

(Marianne Schieder [SPD]: Genau!)

Nur so können Kunst und Kultur in ihrer Ausprägung dort draußen, bis hinein ins Kleinteilige, bis hin zu Fragen der Tradition, des Brauchtums und des Ehrenamts, überhaupt ihre Wirkung entfalten. Aber diese Räume muss man schaffen.

Jetzt liegt es mir schon auf der Zunge, mal mit dieser moralischen Heuchelei der AfD aufzuräumen. Das tue ich normalerweise nicht; Sie wissen das. Aber sich hierhinzustellen und uns zu erklären: „Lasst doch die Kultur mal blühen, wie sie will; die Räume schaffen sich von selber“, das ist pure Heuchelei.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Denn am Ende des Tages brauchen wir finanzielle Mittel, um dort diese Räume zu schaffen. Sich dann hinzustellen und zu sagen: „Niemand soll die Menschen dort bevormunden“, ist doch in der Konsequenz genau das Gegenteil: Sie lassen die kulturellen Impulse dort draußen sterben. Das ist die Folge.

Ob beim Tanz, ob beim Theater, ob bei der Kunst, ob bei ganz kleinen Museen, ob beim Brauchtum – wo auch immer –: Dort braucht es Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen versuchen wir mit diesem Antrag zu stärken; nur das können wir tun. Man kann sich nicht dort hinstellen und bevormunden und sagen, was förderungswürdig ist und was nicht. Man braucht diese Strukturen. Diese Strukturen sollten auf Programme aufsetzen, bei denen der Bund den Ländern gerne hilft – nur so haben Kunst und Kultur im ländlichen Raum am Ende des Tages wirklich eine Chance –, ohne zu sagen, wie es vor Ort zu laufen hat, ohne Indoktrination und ohne moralische Überheblichkeit, wie sie bei Ihnen zum Ausdruck kommt, wenn Sie sagen: Ihr braucht gar keine Hilfe; irgendwas wird sich dort schon finden.

Die Menschen brauchen sehr wohl unsere Unterstützung, unsere Programmatik. Am Ende des Tages braucht es genau diesen programmatischen Ansatz, um zu wissen: Da muss auch Geld fließen. Eine Kulturnation identifiziert sich eben nicht nur über die Leuchttürme in der Stadt, sondern sie identifiziert sich gerade über die traditionsreiche, brauchtumsgebundene, kulturpolitisch und ehrenamtlich gestützte Kultur in ihren ländlichen Räumen. Dafür stellen wir diesen Antrag. Ich bin den Kollegen aus der Koalition sehr dankbar, dass sie an dieser Stelle mitwirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD])