CSU-Landesgruppenvorsitzende im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung

Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung erläutert die CSU-Landesgruppenvorsitzende, warum man auch beim Stromtrassenausbau den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen sollte und nimmt unter anderem auch noch einmal Stellung zum Fall Edathy.

Neue Osnabrücker Zeitung:
Frau Hasselfeldt, würden Sie von SPD-Chef Gabriel einen Gebrauchtwagen kaufen?

Gerda Hasselfeldt:
Ich würde schon ganz genau hinschauen.

NOZ:
Die SPD hat dafür gesorgt, dass die Affäre um den Sozialdemokraten Edathy den CSU-Minister Friedrich aus dem Amt gefegt hat. Jetzt kommen Mitleidsbekundungen...

Gerda Hasselfeldt:
Keine Frage: Bei uns hat sich zu Recht Groll angestaut. Wir haben eine Vertrauenskrise, wobei einige Probleme im Innenausschuss des Bundestages aufgearbeitet werden konnten. Die Koalition steckt in einer Bewährungsphase. Die SPD muss jetzt beweisen, dass sie Vertrauen verdient.

NOZ:
Ist der Niedersachse Oppermann ein SPD-Fraktionschef auf Bewährung?

Gerda Hasselfeldt:
Etwas mehr Demut würde ich schon erwarten. Klar ist: Die Bringschuld liegt bei der SPD. Ob sie ihre Chance nutzt, werden die nächsten Wochen zeigen. Ich bin zuversichtlich, denn ich habe den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen in der SPD des Ernstes der Lage bewusst sind.

NOZ:
Erwarten Sie Unterstützung der SPD beim CSU-Projekt Pkw- Maut?

Gerda Hasselfeldt:
Einen solchen Kuhhandel lehne ich ab.

NOZ:
Ist ein Untersuchungsausschuss nötig?

Gerda Hasselfeldt:
Wir werden uns nicht dagegen wehren.

NOZ:
Neues Thema: Bayern sperrt sich gegen Trassenbau. Ist die Blockade gegen die große Stromautobahn in den Süden vom Tisch, wenn die Kommunalwahl Mitte März vorbei ist?

Gerda Hasselfeldt:
Es wäre kurzsichtig, solche Zusammenhänge herzustellen. Uns geht es darum, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu machen. Fest steht: Wir brauchen eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Daran arbeitet die Regierung gerade. Wenn die vorliegt, wird klar sein, welche Energieform in welchem Umfang weiter gefördert werden soll. Außerdem müssen Reservekapazitäten geschaffen werden - das heißt, neue Kraftwerke gebaut werden -, damit nach Abschalten der Atomreaktoren keine Engpässe entstehen. Nach diesen Vorentscheidungen ergibt sich möglicherweise ein neues Bild. Erst dann ist sinnvoll zu entscheiden, welche Schritte in welcher Form tatsächlich nötig sind. Im Sommer, wenn die EEG-Novelle beschlossen ist, sehen wir weiter. Auf diese Linie ist übrigens mittlerweile die gesamte Union eingeschwenkt.

NOZ:
Braucht Deutschland längere Laufzeiten für Atomkraftwerke, um die Energiewende zu packen?

Gerda Hasselfeldt:
Ich sehe keine Notwendigkeit, unsere Beschlüsse über den Haufen zu werfen. Es bleibt dabei: 2022 geht das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Ich bin optimistisch, dass wir die Energiewende gemeinsam schaffen. Bayern zum Beispiel ist Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien mit einem Anteil von fast 35 Prozent. Bundesweit soll diese Größenordnung erst 2020 erreicht sein.

NOZ:
Hat Kanzlerin Merkel nach der Katastrophe in Fukushima zu schnell den Atomausstieg betrieben?

Gerda Hasselfeldt:
Die Entscheidung für den Atomausstieg war richtig und wird von einer breiten Mehrheit im Parlament und in der Bevölkerung getragen. Wir haben jetzt allerdings aufzuarbeiten, was Rot-Grün bis 2005 versäumt hat: Ungesteuert wurde Erneuerbare Energie gefördert. Der ständige Preisanstieg wurde ebenso vernachlässigt wie der Netzausbau und die Bereitstellung von Reservekraftwerken für die Zeit, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Bezahlbarkeit der Energie und Versorgungssicherheit müssen im Mittelpunkt aller Planungen stehen.

NOZ:
Droht Deutschlands Alu-, Kupfer- und Stahlhütten das „Aus“, wenn EU-Wettbewerbskommissar Almunia die Strompreis-Rabatte für deutsche Unternehmen massiv beschneidet?

Gerda Hasselfeldt:
Die Pläne von Almunia sind ein Problem für Deutschland und bergen Sprengstoff. Offenkundig sieht die EU nicht die Gefahren, die eine Schwächung der deutschen Wirtschaft für ganz Europa bringt. Die Kanzlerin hat das Thema mit gutem Grund zur Chefsache gemacht. Ohne eine Verständigung mit der EU können für 2015 keine weiteren Entlastungen der Industrie von den Energiewende-Kosten mehr genehmigt werden. Damit stünden Zig-Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Wir stehen unter Zeitdruck: Almunia will eine Einigung bis 9. April, an dem Tag soll das Bundeskabinett auch das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschieden, die Rabatt-Reform soll Teil davon werden. Ein gutes Signal ist: Die deutsche und französische Regierung haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der die Notwendigkeit von Maßnahmen für energieintensive Unternehmen betont wird.

NOZ:
Stichwort Syrien: Kriegsflüchtlinge drängen nach Deutschland. Allein für Niedersachsen liegen knapp 8000 Anträge vor. Die SPD-geführten Länder fordern eine Aufstockung des Bundeskontingents von 1000 Plätzen. Unterstützen Sie das?

Gerda Hasselfeldt:
Deutschland hat mit dem bereitgestellten Kontingent frühzeitig Verantwortung übernommen. Hilfe für syrische Flüchtlinge ist aber auf Dauer keine nationale Aufgabe, sondern erfordert europäische Lösungen. Die EU-Kommission muss alle Mitgliedstaaten an einen Tisch bringen, um die Kontingente insgesamt aufzustocken.

NOZ:
Zum Schluss: Müssen sich die Abgeordneten des Bundestags Raffke-Mentalität vorwerfen lassen, weil bei den Diäten ein Aufschlag von zehn Prozent kommt?

Gerda Hasselfeldt:
Bereits seit 1995 ist gesetzlich vorgesehen, die Bezahlung der Bundestagsabgeordneten an die Besoldung von Bundesrichtern anzugleichen. Das tun wir nun. Außerdem gibt es Einschnitte bei der Altersversorgung. Wir folgen damit der Empfehlung einer unabhängigen Expertenkommission. Mit der Angleichung der Entschädigung einher geht ein echter Systemwechsel: Über künftige Diätenerhöhungen entscheiden nun nicht mehr die Abgeordneten selber, sondern die Diäten sind an die Entwicklung der Löhne und Gehälter gekoppelt.

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