CSU-Landesgruppenvorsitzende spricht in der Süddeutschen Zeitung über die Eindrücke ihrer einwöchigen Afrika-Reise und erläutert die Konsequenzen, die sie daraus ziehen will

Im SZ-Interview betont Gerda Hasselfeldt, dass sie auf Afrika künftig ein stärkeres Augenmerk richten will. Die Not der Menschen dort sei unvorstellbar groß. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende nimmt zudem Stellung zur Flüchtlingsfrage. Es gelte bessere Antworten zu haben, als nur die Zäune immer höher zu bauen. Deutschland müsse dabei mithelfen, dass die Menschen gerne in ihrer Heimat bleiben und nicht alles aufgeben, um unter Lebensgefahr nach Europa zu gelangen.

SZ:
Kairo, Kenia, Kamerun - warum machen Sie so eine Reise?

Gerda Hasselfeldt:
Genau wie die Bundesregierung will auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in dieser Legislaturperiode einen stärkeren Schwerpunkt auf Afrika legen. Hinzu kommt, dass wir als CSU jetzt den Entwicklungshilfeminister stellen. Also wollte ich mir selbst ein Bild machen.

SZ:
Bringt das überhaupt was? Drei Länder in fünf Tagen?

Gerda Hasselfeldt:
Sie haben schon recht. Tatsächlich hat man auf solchen Reisen immer sehr wenig Zeit. Aber dafür bringen sie extrem schnelle Lernprozesse. Man kann sich viel erklären lassen und viel nachlesen. Aber es selbst zu sehen und zu erleben, verändert das Bewusstsein noch einmal ganz anders.

SZ:
Was ist der stärkste Eindruck?

Gerda Hasselfeldt:
Die Not vieler Menschen hier ist unvorstellbar groß. Da dürfen wir nicht wegschauen. Gerade Ägypten, aber auch Afrika als Ganzes, befindet sich in direkter Nachbarschaft von Europa. Deshalb möchte ich auf den Kontinent in meiner Arbeit zukünftig noch ein stärkeres Augenmerk richten.

SZ:
Warum eigentlich?

Gerda Hasselfeldt:
Zum einen ist die Flüchtlingsfrage zu einer der größten Herausforderungen für uns geworden. Wir müssen darauf mehr Antworten haben als nur die Zäune immer höher zu machen. Es ist allein schon in unserem ureigenen Interesse, dabei mitzuhelfen, dass die Menschen gerne in ihrer Heimat bleiben und nicht alles aufgeben, um unter Lebensgefahr nach Europa zu gelangen. Zum anderen haben wir gesehen, was für Fortschritte wir mit gezielter Entwicklungshilfe erreichen können. Wir haben uns allein in Kairo drei Projekte der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) angesehen, eines für Frauen, eines zur Gesundheitsversorgung, eines für Jugendliche. Da konnte man sehen, wie gut die Deutschen auf diesem Feld bereits arbeiten und wie das das tägliche Leben der Menschen Schritt für Schritt verbessert.

SZ:
Stichwort Flüchtlinge. In Ägypten leben mehr als 300 000 Flüchtlinge aus Syrien. Ist Ihnen vorgeworfen worden, dass Deutschland im Vergleich dazu nur so wenige Flüchtlinge aufnimmt?

Gerda Hasselfeldt:
Nein. Das hat niemand hier gemacht. Erzählt wurde mir, dass sich der Umgang mit den Flüchtlingen verändert hat, und zwar zum schlechteren. Bis zum Sturz der Muslimbrüder wurden die Flüchtlinge stärker integriert und besser versorgt. Seit dem Umbruch werden die Flüchtlinge in den Medien pauschal als Anhänger der Muslimbrüder dargestellt und als Sicherheitsproblem beschrieben. Außerdem dürfen sie auch nicht mehr arbeiten. Diese Entwicklung beunruhigt mich sehr. Das hat das Potenzial zur weiteren Spaltung des Landes. Wenn die Regierenden an der Demokratisierung arbeiten wollen, gehört es dazu, dass auch hier wieder zu einem anderen Umgang gefunden wird.

SZ:
Fühlt man sich angesichts der Not hier besonders stark oder besonders hilflos auf so einer Reise?

Gerda Hasselfeldt:
Zunächst wird einem noch einmal ganz stark bewusst, wie gut man es hat, wenn man in einem Land wie dem unseren aufwächst. Dann wird einem sehr schnell klar, dass es hier keine schnellen Lösungen geben kann. Wir brauchen eine langfristig angelegte Politik, die nicht auf schnelle Erfolge, sondern nachhaltige Verbesserungen aus ist. Außerdem wird einem bewusst, welche gigantische Aufgabe Politiker in Ländern wie diesen haben. Ja, man hat schon das Gefühl von Hilflosigkeit. Aber es gibt auch Dinge, die Hoffnung machen, wie die Projekte, die ich besucht habe. Auf jeden Fall merkt man noch einmal ganz unmittelbar, welche wahnsinnige Verantwortung wir hier tragen.

SZ:
Werden Sie nach Rückkehr Ihre Politik, Ihr Verhalten in Berlin ändern?

Gerda Hasselfeldt:
Ich werde nicht gleich alles anders machen. Aber ich werde genauer hinschauen und genauer nachfragen, wenn es in Zukunft um Afrika geht. Wir haben mehr internationale Verantwortung, als wir uns das in Berlin manchmal bewusst machen.

SZ:
Vor zwei Wochen gab es im Bundestag einen skurrilen Tag. Morgens gedachten alle Fraktionen der Gräueltaten in Ruanda vor zwanzig Jahren. Und alle versprachen, dass man so etwas nie mehr zulassen dürfe. Wenige Stunden später diskutierte man über Syrien - und deutlich wurde die gleiche Hilflosigkeit wie einst in Ruanda.
Beschämt Sie so etwas?

Gerda Hasselfeldt:
Ja, das tut es. Ich erinnere mich gut an den Tag. Und ich weiß, dass sich viele von uns sehr schlecht fühlten. Aber weil wir ja nicht in Syrien Krieg führen wollen, brauchen wir mehr Sensibilität für Krisen, bevor sie wirklich zu solchen Konflikten werden. Dazu gehört nicht zuletzt, sich die Lage vor Ort selber anzuschauen, die Bedenken, die wir haben, frühzeitig zu formulieren und dann auch zu handeln.

SZ:
Wann kommt die nächste Reise?

Gerda Hasselfeldt:
Das steht noch nicht fest. Ich bin früher, auch aus familiären Gründen, nicht so viel gereist. Aber dieses Mal hatte ich schon nach kurzer Zeit das Gefühl: Mensch, das hätte ich schon vor zehn Jahren machen sollen. Aber erstens ist es nie zu spät, neue Wege zu gehen. Und zweitens habe ich genau deswegen drei neue Abgeordnete mitgenommen, damit sie diese Erfahrungen schon zum Beginn ihres parlamentarischen Lebens machen können.

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