Allen Familien helfen – Zusätzliche Kinderkrankentage unabhängig vom Versicherungsstatus

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Beschämend“, „beleidigend“, „alles viel zu wenig“, „alles zu langsam“ oder „doch zu schnell“ – statt auf diese pauschalen Vorwürfe einzugehen, will ich mich doch lieber mit den Anträgen der antragstellenden Fraktion beschäftigen. Ich bedanke mich für die Gelegenheit, unsere Familienpolitik heute noch mal ins Licht zu rücken; denn Familien, Kinder und Jugendliche verdienen unsere Aufmerksamkeit, in diesen Zeiten noch mehr als sonst.

Ihre Anregungen sind aber leider nicht so gehaltvoll, jedenfalls überwiegend nicht, dass man mit ihnen der berechtigten Sorge um das Fundament unserer Gesellschaft, die Familien, und um unsere Zukunft, nämlich um Kinder und Jugendliche, irgendwie abhelfen könnte.

Zum ersten Antrag. Der Vorschlag, den Bezug des Elterngeldes als Überbrückungshilfe für Familien zu verlängern, klingt zwar toll – Analogie zum Mittelstand ist immer schön –, führt aber in die Irre. Wenn sich aufgrund der Pandemie die Aufnahme eines Kindes in die Kita verschiebt und ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, dann greifen ja unsere bereits vielzitierten Regelungen. Liegt kein Beschäftigungsverhältnis vor, vielleicht weil – es soll vorkommen – Mutter oder Vater nicht unmittelbar die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen, dann entsteht kein Schaden, außer dass das Kind und die Familie etwas warten müssen. Es gibt keinen Grund, das Elterngeld zu einer überflüssigen Doppelleistung aufzublähen.

Zum zweiten Antrag. Im Hinblick auf die Situation von Privatversicherten gibt es keine „enorme Lücke“, wie Sie schreiben; denn das Infektionsschutzgesetz greift ja, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Es gibt einen Anpassungsbedarf in Richtung bessere Lösung im SGB V, auf den das klug regierte Nordrhein-Westfalen mit seinem eigenen Programm bereits reagiert hat. Das ist auch uns Familienpolitikern der Union sehr wichtig, und deshalb arbeiten wir in der Koalition längst daran, diese Lücke zu schließen.

Drittens. Im Antrag „Familienpolitik krisensicher und verlässlich gestalten“ vom August letzten Jahres findet sich neben Allgemeinplätzen wie dem, dass das Ministerium sich bitte turnusmäßig mit der Lage beschäftigen möge, kaum etwas Brauchbares. Das war übrigens auch so, als wir im Oktober hier schon einmal darüber gesprochen haben.

Im Einzelnen: Erstens, Digitalisierung der Familienleistungen. Das Digitale-Familienleistungen-Gesetz ist seit dem 10. Dezember 2020 in Kraft. Spätestens 2022 – und das ist schon bald – können online Elterngeld und Kindergeld beantragt sowie der Name des Kindes bestimmt werden; und das ist nur der Einstieg.

Zweitens. Verlässliche Lohnentschädigungen – wir sprachen darüber – sind geregelt, aber bitte nur für Krisenanlässe; sonst kann es die Generation, um die es uns hier doch allenthalben geht, in der Zukunft nicht bezahlen.

Drittens: Kinderkrankentage. Das ist erledigt.

Viertens: Wahlfreiheit durch flexibles Arbeiten. Ja, immer gerne, aber wie denn? Wir von der Union verfolgen zum Beispiel das Modell der Zeitwertkonten. Sie nennen nicht mal Ihren wesentlichen Ansatzpunkt.

Das war es. Ist das ein Konzept, um Eltern, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, Verständnis und Verlässlichkeit in der Pandemie zu bieten? Eher nicht. Deshalb sage ich Ihnen in der verbleibenden Zeit meine Auffassung dazu.

Erstens. Es gibt keine durchweg berechenbare Sicherheit im Umgang mit der Pandemie. Die Bundeskanzlerin hat das überzeugend dargelegt: Wir werden mit der Pandemie noch über längere Zeit leben müssen. Darauf müssen wir uns einstellen und alle Spielräume, Lockerungen etc. als vorläufig betrachten, flexibel bleiben und zum Beispiel Regelungen wie die Kinderkrankentage, wenn sie nicht ausreichen, eben noch mal anpassen. Ich bin mir sehr sicher, dass diese Unsicherheit auch akzeptiert wird, wenn wir plausibel handeln und unsere Maßnahmen gut begründen.

Zweitens. Wir müssen alle Mittel nutzen, um einen bestmöglichen Schutz auch der jungen Menschen in diesem Land sicherzustellen: Schutz vor Erkrankungen an Corona, Schutz vor materieller Not und auch Schutz vor Entwicklungsverzögerungen.

Drittens. Das bedeutet, dass die Priorität für Familien, Kinder und Jugendliche dauerhaft gelten muss. Sie sind nämlich kein Eh-da-Faktor und kein Anhängsel. Sie sind die stärkste Bank für unsere Zukunft.

Familien drehen am Rad; das ist heute auch schon oft gesagt worden. Weniger oft wird erwähnt, dass ältere Kinder und Jugendliche besonders leiden. Sie brauchen nämlich Sozialkontakte, die Peergroup, Teil-Sein. Zitat einer 14-Jährigen: Ich will einfach nur Teil sein von etwas Größerem. – Der familiäre Rahmen, aus dem sich Jugendliche doch gerade lösen sollen, ist hier nach vielen Monaten keine so große Hilfe.

Deshalb ist jetzt ein Kraftakt gefragt, damit nach dem zu Recht nochmals verlängerten Lockdown dem Bedarf an Entwicklungsstimuli der jungen Generation entsprochen wird. Dazu müssen alle beitragen, natürlich auch die FDP, wo sie in Ländern und Kommunen Verantwortung trägt.

Die Hebel sind bekannt: Hygienekonzepte, Masken, Lüftungspraxis, Lüftungssysteme, Kohortierung, räumliche Entzerrung, zeitliche Entzerrung. Hinzu kommen müssen regelmäßige und systematische Tests für Pädagogen und Schulkinder. Einige Länder und Kommunen arbeiten bereits daran, und ja, es muss schnell gehen. Meine persönliche Auffassung ist, dass wir bis zur Zulassung von Selbsttests das Testen auch den Eltern auferlegen können – nach Einweisung selbstverständlich –; sie haben doch das stärkste Interesse daran. Und mit einer klaren Begleitkommunikation können wir Kinder und Eltern dann sicher auch leichter davon überzeugen, dass sie für einen halben Tag in der Schule noch etwas länger auf Geselligkeit am Nachmittag verzichten müssen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

Ich fasse zusammen – letzter Satz, Herr Präsident –: Ältere und Vorerkrankte impfen, die Zukunft schützen und testen, das Fundament – die Familien – absichern mit all den Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, das ist eine Debatte, die sich lohnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])

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